Theodor Mügge
Afraja
Theodor Mügge

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17.

Das war eine peinvolle, traurige Nacht für den verlassenen Mann. Als der Morgen dämmerte, saß er schlaf- und ruhelos in dem Stuhl am Tische und starrte auf das Schreibpult im Winkel. Unbemerkt 390 war er zurückgekehrt, aber zehnmal in jeder Stunde war er aufgesprungen, hatte den Schlüssel gefaßt, seine Hand an den Schreibtisch gelegt und diesen doch nicht geöffnet. Er glaubte nicht an Afraja's Zauberkünste, dennoch wagte er nicht sie zu verachten. Der Aberglaube regte sich in ihm, von dem selbst unerschrockene Menschen und Helden in Gefahren befallen werden.

Alles Heil und Unheil hing davon ab, ob der Schreibtisch wirklich das Geld enthielt und um diese Frage kämpften alle seine Zweifel und Vorstellungen. Bald schien es ihm Trug und Thorheit zu sein, irgend eine Hoffnung zu hegen, bald wieder tauchte dennoch eine Möglichkeit auf und er überlegte, warum Afraja ihn so schamvoll verderben sollte.

Was hält mich denn ab, murmelte er vor sich hin, den Kasten zu öffnen und mich zu überzeugen, daß ich betrogen bin? Warum soll ich das Hohngelächter des elenden Schreibers abwarten? Liegt das schwere harte Silber wirklich dort, so wird es nicht verschwinden, ist der Raum so leer, wie ich glaube, so wird bis morgen früh gewiß Nichts hineinkommen.

Aber wie die Verständigkeit sich auch ihr Recht zu schaffen suchte, geheime Furcht und geheime Hoffnung waren doch stärker. Der alte Zauberer hatte mit großer Menschenkenntniß seine Bedingungen und Gebote gestellt und endlich kam der Morgen, ohne daß Marstrand gewagt hätte sie zu übertreten.

Ermattet von so vieler Sorge und Noth war er eingeschlafen, als Helgestad die Kammerthür öffnete und hereintrat. Durch das Fenster fiel der Abglanz des rothen Frühgewölks auf das Gesicht des jungen Mannes und machte es friedlich und schön. Sein langes, lichtbraunes Haar sank auf die harte, hohe Lehne, er athmete ruhig und in seinen Zügen war ein zufriedenes Lächeln.

Er träumt, sagte Niels, und ich möchte ihn nicht aufwecken. Sieht anders aus wie damals, wo ich ihn zuerst sah. War Alles rund an ihm, weich und voll. Ist mager und spitz geworden in kurzer Zeit, und hat doch Alles Nichts geholfen.

Er beugte sich über ihn und fuhr zurück, als die Stirn des Schlafenden sich zusammenzog und seine Mienen einen düsteren Ausdruck annahmen. – Merkt, daß ich bei ihm stehe, flüsterte er mit 391 seinem harten Grinsen und wird bald noch schlimmer werden, muß aber sein, kann nicht ablassen. Ist ein Werk, lang vorbereitet und durchgeführt. Ist nicht meine Sache, einen Fisch zu fangen und in's Meer zu werfen. – Er wandte sich zur Thür um, an welcher Paul eben erschien und deutete mit dem Finger auf Marstrand.

Weckt ihn auf, sagte der Schreiber, es ist Zeit.

Hat sicher eine schwere Nacht gehabt, flüsterte Helgestad.

Dafür erwartet uns ein schwerer Tag, rief Paul Petersen laut. Da kommt das Boot mit den Gerichtsdienern aus Tromsöe; ich sehe Lovmann Gullik am Steuer. Wir haben keine Zeit zu verlieren, wenn wir bis Mittag fertig sein wollen.

Will's noch einmal in Güte versuchen, sagte Helgestad, indem er Marstrand's Arm anfaßte.

Dieser schlug die Augen auf und sah verwirrt umher.

Kommt aus einer andern Welt, Herr, sprach Niels, sind aber noch hier im Balselfgaard. Schaut auf, ist nicht anders. Ist der Morgen da, wo die Lebendigen sorgen müssen, bis sie todt sind.

Habt nun Zeit zum Ueberlegen gehabt, fuhr er fort, als er keine Antwort erhielt. Denken Viele, Zeit kann helfen, aber Zeit kommt und geht, ändert Nichts, wenn wir selbst Nichts thun. Seid ein Mann, Herr Marstrand, der vernünftig denken kann und eine Sache begreift. Liegt klar hier vor Euch, was geschehen muß. Weiber heulen und ringen die Hände, Männer klagen nicht, meiden nutzlose Worte, wo Worte Nichts ändern können. Biete Euch heute noch, was ich gestern bot. Sollt bleiben, wenn Ihr wollt und mir beistehen, sollt es nicht bereuen; wenn's Eurem Herzen aber zuwider ist, so geht, sollt es nicht mit leerer Hand thun. Da ist das Boot mit den Gerichtsdienern; fahrt nach Tromsöe, will Euch selbst Gelegenheit verschaffen, bald weiter fort nach Trondhjem oder Bergen zu kommen. Habt ein gutes Geschäft gemacht, habt Erfahrungen gesammelt und denke scheiden als Freunde. Denke ja. Ist's nicht so?

Er streckte seine Hand aus, doch Marstrand schlug nicht ein. Er blickte finster vor sich hin und seine Lippen preßten sich verächtlich zusammen.

Wollt Ihr oder wollt Ihr nicht? fragte Helgestad.

392 Der Junker hat keine Lust, rief Petersen. Da ist Lovmann Gullik mit den beiden Amtsboten. Ich denke, Niels, die Zeit zum Unterhandeln ist vorbei; laß dem Gesetz seinen Lauf.

Der Gerichtsvoigt trat herein; ein kleiner, breitschultriger Mann im langen Amtsrock, den Hut mit der Tresse auf dem Kopfe, das Wappenschild auf der Brust. Hinter ihm standen seine beiden Begleiter.

Seht hin, Herr Marstrand, sagte Niels. Sind die Männer da von Gerichtswegen, um ihre Pflicht zu thun. Legen Beschlag auf Alles, was Ihr habt und können Euch selbst in Haft nehmen, wenn Euer Gut nicht reicht. Biete Euch zum letztenmale die Hand zum Vergleich. Greift zu, habt keinen Ausweg.

Meint Ihr? antwortete Marstrand aufstehend. Ich will nicht mit Ihnen rechten, Herr Helgestad, weder klagen noch Vorwürfe erheben, denn ich weiß, daß ich eher damit den Balselfwald fortbewegen könnte. Ich habe keinen anderen Ausweg sagen Sie? Wir wollen sehen. Haben Sie meinen Schuldschein und den Bürgschaftsschein von Bergen bei der Hand? Legen Sie beide vor.

Helgestad sah ihn an, wie Einer von dem man glaubt, er habe plötzlich den Verstand verloren. Nuh! sprach er dann, wollt meine Beglaubigung sehen, ist beides hier. Tritt her, Lovmann Gullik. Ist hier der Schein über sechstausend Species baar empfangen. Hier der andere über zweitausend für Waaren und Geräthe. Steht der Name darunter, werdet ihn nicht abläugnen.

Gewiß nicht, erwiderte der Junker. Ich erkenne die Schuld, an, ebenso die Bürgschaft in Bergen für mich geleistet, da ich aber mit Fandrem in Gegenrechnung stehe, die gute Hälfte der Schuldsumme durch meine Fische abgetragen ist, so kann ich unmöglich an Niels Helgestad die volle Summe zahlen.

Eine Bürgschaft muß gedeckt werden, wenn es gefordert wird, fiel Petersen ein.

Mit Nichten, Herr, sagte der Lovmann. Die Bürgschaft muß nur dann gedeckt werden, wenn der Bürge kein Mittel sieht, zu seinem Schaden zu kommen. Kann Herr Marstrand nicht zahlen und wird sein Hof mit Beschlag belegt, so fällt die Bürgschaft zu der gesammten Schuld, sitzt er aber auf seinem Gute, so muß sich erst zeigen, ob er dem 393 eigentlichen Schuldner nicht gerecht zu werden vermag und was dieser in Anspruch nimmt.

Nuh! rief Helgestad lachend, ist ein Streit um des Kaisers Bart. Will abstehen von Deckung der Bürgschaft, Hofherr in Balselfgaard, habe nur Gutes mit Euch im Sinn gehabt und sollt nicht sagen, daß ich ein harter Mann bin. Biete Euch hier vor dem Gericht nochmals zwanzigtausend Species. Decke Eure Schuld in Bergen und nehme dafür den Fischantheil. Macht Alles in Allem zwölftausend Species, zahle Euch somit achttausend baar heraus.

Greift zu, sagte Gullik, der es freundlich meinte, es ist das Beste. Wort ist Wort.

Wort ist Wort! Habt es Alle gehört, rief Helgestad. Nimm deine Feder, Paul Petersen, schreib es nieder.

Halt' noch einen Augenblick! fiel Marstrand ein. Und wenn ich Ihnen die Summe zahle, die ich schuldig bin. Was haben Sie weiter zu fordern?

Nuh, grinste Helgestad, nehme lieber Geld, wie ich es gebe. Habe nichts dagegen, wenn Ihr zahlen könnt.

So sollt Ihr haben, was Ihr begehrt! sagte Marstrand, und mit dem Schlüssel in der Hand ging er auf das Pult los. Sein Herz schlug heftig und seine Glieder zitterten. Hilf mir, Allvater Jubinal! murmelte er in sich hinein und plötzlich verwandelte sich seine Angst in Freude. Wie ein Träumender, der einen ungeheuren Schatz findet, starrte er in den tiefen Kasten auf eine Reihe ziemlich großer Säcke, die dort dicht neben einander standen. Sie waren von Rennthierleder gefertigt, schienen ganz neu zu sein und waren oben mit einer Sehne zugebunden. Auf jedem Sack stand die Zahl tausend deutlich geschrieben.

Ob es Wahrheit, Wirklichkeit war, ob Trug und Blendwerk, wußte er im ersten Augenblick kaum. Alle Zweifel und alle Hoffnungen, Glück und Furcht rangen in ihm. Er packte den nächsten Sack und krampfte seine Hand daran fest, als könnte er verschwinden; dann zog er ihn heraus und warf ihn auf den Tisch, daß das Silber klang. Wie er den Ton hörte, bebten seine Nerven und als er Helgestad und den Schreiber ansah, füllte sich sein Herz mit 394 unbeschreiblicher Wonne, denn diese beiden schlauen Männer standen sprachlos mit stieren Augen vor ihm und staunten das Wunder an.

Nehmen Sie Ihr Geld, Herr Helgestad, sagte Marstrand, so gefaßt er es vermochte, hier ist es. Acht Beutel, jeden zu tausend Species, wohlgezählt. Lovmann Gullik, sein Sie Zeuge dafür, daß ich diese Schuldscheine einlöse und frei von jeder Verpflichtung bin.

Ein Messer her! murmelte Niels, an der Schnur zerrend.

Marstrand schnitt den Knoten durch, der Beutel that sich auf, die hellen Silberthaler lagen da, so blank geputzt, als kämen sie aus der Münze.

Helgestad griff mit der Hand hinein und ließ sie wieder fallen. Ist richtig, sagte er, ist Silber, muß es glauben.

In Beutel von seinem Rennthierfell, fügte Petersen, die Säcke betrachtend, hinzu. Die beste Lappenarbeit, die man sehen kann. Prinzessin Gula kann nicht zierlicher nähen.

Habt's woher Ihr's habt, sagte der Kaufmann, ist meine Sache nicht, danach zu fragen. Zählt, auf und nehmt die Scheine hin.

Die Arbeit wurde gethan und Alles richtig befunden. Helgestad strich tausend nach tausend ein, Niemand sagte ein Wort mehr. Es war, als mache sich Jeder seine Gedanken und diese Gedanken kamen sich in der Gewißheit entgegen, die Petersen boshaft angedeutet hatte.

Die mürrischen, kalten Gesichter der Umstehenden richteten sich dann und wann mit verdoppeltem Mißtrauen auf den jungen Gaardherrn, und als dieser mit Zählen fertig war, die Schuldscheine in Stücke riß und sich dem gutherzigen Gerichtsvoigt näherte, nahm dieser seine dargebotene Hand nicht an, that vielmehr, als sähe er sie nicht.

Ich will Ihnen meinen Dank für Ihren Beistand ausdrücken, sagte Marstrand, und zu aller Zeit Ihr Zeugniß anrufen, daß ich die Schuld getilgt habe.

Es ist meine Pflicht, Herr Marstrand, antwortete der Beamte, nach dem Recht zu sehen. Die Sache ist abgethan; Niels Helgestad hat erklärt, keine Forderung weiter an Sie zu haben, so kann ich nach Tromsöe zurückkehren.

Doch nicht eher, bis Sie an meinem Tisch saßen, fiel Marstrand ein. Mein Haushalt ist freilich dürftig bestellt, künftig werde ich besser dafür sorgen müssen.

395 Die Männer waren hungrig und müde, die Aussicht auf ein Frühstück war daher nicht zu verachten. Der Lovmann schwieg und Marstrand ging hinaus, um zu sehen, was sich auftreiben ließ. War gestern schon Nichts im Hause gewesen, so durfte er heute noch viel weniger etwas Eßbares erwarten und doch wäre es Schande gewesen, hätte er keine Einladung zum Bleiben gemacht. Er besaß jetzt viel Geld in seinem Kasten. Er hatte sechszehn Säcke gezählt, aber mit Freuden würde er einen davon für eine gefüllte Vorrathskammer gegeben haben. Sorgenvoll schob er den Riegel zurück, um die leeren Bretter zu betrachten; aber wenn er Afraja je ohne Rückhalt dankbar war, so mußte er es jetzt sein. Da lag eine große fette Rennthierkeule, sorgfältig gebraten und in kühles Geblätter gepackt; da lagen mehrere der kleinen wohlschmeckenden Hasen, die im Winter weißen Pelz bekommen, da lagen Birkhühner, ein ganzer Bund und drei große Brode auf der anderen Seite.

Der Zauberer hatte seine wohlthätige Fürsorge bis hieher erstreckt, und eilig rief Marstrand die Mägde herbei, überlieferte ihnen die Keule und die Hasen, um sie rasch in den Ofen zu schieben und zu wärmen, Kaffee zu bereiten, Milch herbeizuschaffen und den Tisch zu decken.

Und während er alle diese Vorbereitungen traf, Geräthe suchte und geflissentlich so lange wie möglich sich von seinen Gästen entfernt hielt, deren Gesellschaft er nicht zu suchen hatte, ordneten diese ihre geheimen Untersuchungen über den seltsamen Vorgang und suchten ihn zu erklären.

Die beiden Begleiter des Lovmanns pflegten sich vor dem Hause im Sonnenschein, die anderen Drei aber blieben um den Tisch in der Stuga sitzen und hatten Mancherlei zu sprechen.

Die Kosten der Gerichtsexpedition von Tromsöe waren nicht unbedeutend; Helgestad hatte sie zu bezahlen.

Mag darum sein, sagte er, weigere mich nicht, hätte es aber nimmermehr geglaubt.

Ihr seid zu schnell gewesen, antwortete Gullik mit einem leisen Lächeln.

Der Kaufmann warf ihm einen mürrischen Seitenblick zu. Vorschnell ist nie mein Fehler gewesen, murmelte er. Habe mein Recht 396 im Auge gehabt alle Zeit, sah hier kein Heil bei dem Treiben, wollte behalten, was mein ist, weiter nichts.

Und habt es behalten, sagte der Lovmann.

Aber aus welcher Quelle ist der Segen geflossen? fragte Paul Petersen. Gestern war nichts hier, keine hundert Thaler im ganzen Hause, ich weiß es gewiß, und jetzt stehen in dem Kasten dort eine hübsche Zahl gefüllter Säcke. Wo hat er sie her? Wer ist der Narr, der sie ihm borgte? Wer mischt sich in Niels Helgestad's Angelegenheiten? Ein Normann, ein Nachbar that es nicht. Ein Mann mit praktischem Sinn würde sich hüten, einem dänischen Abenteurer so viel Geld in die Hand zu stecken, um es bei seinen unsinnigen Entwürfen zu vergeuden. In der Nähe ist auch Niemand, dem man es zutrauen könnte. Ich weiß nur Einen, der es kann und der es aus Hohn und Feindschaft thäte; der Böses ausheckt, wo es zu haben ist, der aber wahrlich nichts umsonst gibt, es sei denn, daß er gute Dienste davon erwartet.

Gullik nickte dazu, fragte aber doch vor sich hin, wen er damit meine?

Ei! sagte der Schreiber, Ihr wißt es so gut wie ich. Wer kann es anders sein, als Afraja. Dieser dänische Junker und der Priester Hornemann sind lange schon in heimlichem Bündniß mit dem alten Hexenmeister, der verbrannt werden müßte, zum abschreckenden Beispiel. Es ist allerlei Schmach und Verrath dabei, glaubt es sicher. Der Priester macht seit Jahren Berichte an die Regierung zu Gunsten der Lappen. Jeden kleinen Vorfall schlägt er an die große Glocke; Scheltbriefe und Drohbriefe gegen Voigte, Sorenskriver und Lovmänner kommen von Kopenhagen und Trondhjem, erst vor wenigen Tagen ist wieder ein Schreiben vom General Münte angelangt voll allerlei wüstem Lärm über Härte, Unrecht und Gewalt und mit Vermerk, daß der alte Haudegen selbst kommen oder einen Kommissarius schicken werde, der Ordnung stiften solle.

Der Lovmann sah gleichgültig dabei aus. Der Herr mag reden, was er will, sagte er, aber der Priester ist ein Lärmmacher, und wenn es wahr wäre, daß dieser Däne heimlich Bündniß mit den Lappen hätte, uns zu verhetzen, müßte man ihn fortschaffen.

397 Nuh! sprach Helgestad, hat uns Zeichen genug gegeben, wie er denkt. Wird ein Däne nimmer ein Normann; phantasirt ärger noch wie der Priester über Rechte und Gebote.

Ich kann's noch immer nicht recht glauben, sagte Gullik kopfschüttelnd. Ein Lappe läßt sich die Hand abschneiden, ehe er einen Species aus der Tasche holt, auch wird ein Mann von gutem Blut sich nicht damit einlassen, von ihm zu nehmen, möchte es auch zum Aergsten mit ihm kommen.

Geld ist Geld, antwortete der Kaufmann; riecht dem Silber nicht an, woher es stammt. Hat aber Paul Petersen Recht, muß ein Verrath dahinter stecken, wenn der Höllenbrand die alten Töpfe aufscharrt und leer macht. Ist unser Aller Sache, dahinter zu kommen, uns vor Verderben zu bewahren.

Nun traten die Mägde herein mit Kaffee, Geschirr und Gedecken, und gleich darauf folgten Brod und Braten; endlich Marstrand selbst, der Gläser und Flaschen brachte.

Faßt zu, Ihr Herren, sagte er, ergötzt von dem allgemeinen Staunen. Viel ist es nicht, was ich bieten kann, Ihr seid Besseres gewöhnt. Nehmt vorlieb und gebt mir Frieden.

Helgestad war ein zu guter Kenner des saftigen Bratens, um nicht starke Gelüste danach zu empfinden. Er nahm sein Messer, schnitt ein paar ungeheure Stücke ab und sagte: Ist eine Seltenheit, Herr Marstrand, solch zart und lieblich Fleisch. Habt über Nacht besondere Mittel gefunden, Eure Kisten und Kammern zu füllen.

Um solche Gäste thut man, was man kann, lachte der Gaardherr.

Denke, grinste Niels, wird nicht sein damit, wie mit den Honigkuchen der Offenbarung. Schmeckten süß und lecker, kam aber das Bauchgrimmen hinterdrein.

Ich hoffe, es wird uns Allen auf s Beste bekommen, und hier habe ich eine Flasche alten Portwein, der jedwede Besorgniß herunterspülen wird.

Greif an! schrie Helgestad, ist Speise und Trank, wo man es finden mag, überall Gottesgabe. Nehme mein Glas, Herr Marstrand, trinke auf Ihr Wohl in allen guten Dingen.

Die Unterhaltung nahm nun eine allgemeine Wendung und die reichliche Bewirthung schien eine günstige Stimmung auf die Gäste zu 398 bewirken. Helgestad versicherte, daß es ihm Freude machen werde, wenn es dem unternehmenden Ansiedler gelingen sollte sein Werk auszuführen und daß, wenn er selbst Lust und Meinung dafür verloren habe, damit noch nicht gesagt sei, daß er an keinen Erfolg glaube. Er versuchte eine Entschuldigung seines Verfahrens damit, daß Jedermann nach seinem Eigenthume sehen und wo er dies für gefährdet halte, zugreifen müsse um es zu retten. Wißt aber, fügte er dann hinzu, daß ich vom ersten Tage an, wo Ihr dieses Land betratet, Euch gerne zu Diensten war und hoffe es zu erleben, daß Ihr gerechtes Urtheil fällen werdet.

Mit unfruchtbarem Streit war dem Gaardherrn nicht gedient, er antwortete daher in versöhnlicher Weise, und wie ein Wort das andere gab, kam zuletzt eine Art Friedensschluß heraus, bei dem sich jeder die Artikel beliebig auslegte.

Ich glaube, Herr Helgestad, sagte Johann, daß ich niemals vergessen werde, was ich an aufrichtiger Dankbarkeit Ihnen schuldig bin. Sie haben einige Ursache gehabt, mit mir unzufrieden zu sein, denn der Gaard ist vernachlässigt. Es hat mir an Kräften und Augen gefehlt, um Alles zu können. Nun aber denke ich mit Gottes Hülfe bald mit meinem Holzgeschäft in Ordnung zu sein und dann soll, ehe der Winter kommt, Haus und Hof in guten Stand gesetzt werden. Meine Besitzung ist groß und hat viele Hülfsquellen und meine Mittel reichen aus, diese ergiebig zu machen.

Habt einen vermögenden Theilnehmer gefunden, fiel Helgestad ein. Denke ja. Ist's nicht so?

Möglich, daß Sie Recht haben, lachte Marstrand.

Nuh, rief der Kaufmann, indem er sich zu dem Schreiber wandte, ist vielleicht ein Geschäft für Euch zu machen, Paul Petersen, mit einem wackeren Kontrakt.

Verschwiegen kann es nicht bleiben, mit wem Herr Marstrand in Verbindung getreten ist, sagte Paul, und Aufsehen genug wird es geben, wenn man im Lande hört, was hier vorgegangen ist. Es wäre daher gewiß Ihr eigener Vortheil, wenn Sie uns eine Mittheilung darüber machen wollten, oder ist es ein Geheimniß, Herr Marstrand, das nicht aufgedeckt werden darf?

Die Nothwendigkeit sehe ich nicht ein, antwortete dieser, aber eben so wenig einen Grund um mittheilend gegen Sie zu sein. Der 399 Mann, der sich in großer Noth meiner annahm und mich vor der Schmach rettete, aus meinem Haus geworfen zu werden, wünscht wenigstens für jetzt, unbekannt zu bleiben.

Es ist doch ein guter Christ? fragte der Schreiber spottend.

Ein besserer wie viele, die den Namen tragen, der ihnen ihren Handlungen nach am wenigsten zukommt, sagte Marstrand, indem er aufstand, denn er fühlte daß sein Blut heiß in seinen Kopf stieg und draußen vor der Thür erhob sich ein Lärm, nach dem er ausschauen wollte.

Alle folgten ihm nach, denn die Stimme Egede's, des Quäners, ließ sich hören und jetzt sahen sie den ungeschlachten Burschen, der mit seinem kurzbeinigen Hunde am Hause umhersuchte und den Gerichtsdienern und Arbeitern unter heftigen Flüchen und Verwünschungen etwas erzählte.

Das Erste, was Marstrand vernahm war Mortuno's Name.

Seht hier, schrie Egede, hier hat er gestanden. Seht meinen Hund an, wie er der Spur nachläuft, Schritt für Schritt, und dabei die Zähne zeigt. Mortuno war hier, so wahr ich meines Vaters Sohn bin! Da ist sein ganzer Komager in dem weichen Boden zu sehen. Das ist ein Lappenfuß, und ich kenne den Schuft an seinen dicken Knöcheln.

Suche ihn! Fang' ihn! schrieen ein paar lachende Stimmen.

Wenn ich ihn hätte, den Mörder! antwortete Egede die Fäuste ballend, er sollte nie mehr um eines Mannes Haus schleichen. Aber dort ist er hinauf, dort an der Wand wo mein Hund steht und bellt, der Teufel selbst wird ihn jetzt nicht mehr fangen.

Nuh! sagte Helgestad, was soll dein Lärm, Egede? Sind Lappen hier gewesen?

Ja, Herr, rief der Quäner. Drei Rennthiere standen dort an den Büschen, fraßen die Blätter ab und rund umher ist das Gras niedergetreten.

Wie lange kann es her sein? fragte Paul.

Keine acht Stunden, antwortete Egede, denn das Gras hat sich nicht erholt und die Spuren sind frisch.

Waren die Thiere leer oder bepackt? fuhr der Schreiber fort.

Bepackt und schwer, schrie Egede, sie könnten die Füße sonst nicht so tief eindrücken; aber Herr, der sie führte und der hier über den 400 weichen Grund fünf, sechs Male an's Haus und zurück gelaufen ist, war kein anderer, wie der verdammte Schelm Mortuno.

Pfui, Egede, pfui! lachte Paul, du wirst dem Herr Marstrand doch nicht zutrauen, daß er nächtlichen Besuch von Lappen annimmt? Möchten sie ihm bringen was sie wollten und wären es fette Rennthierschinken, oder gar Säcke voll Silber.

Marstrand warf einen zornigen Blick auf den Schreiber. Ich verachte Ihren Spott, sagte er, aber wahren Sie Ihre Zunge in meinem Hause!

Warum verläugnen Sie ihre Freunde und Helfer? schrie Paul. Das steht einem ehrenwerthen, ritterlichen Herrn schlecht an. Was ist da noch zu verbergen? Mortuno hat Ihnen seinen Besuch gemacht, drei Rennthiere haben den silbernen Schatz getragen; Niels Helgestad ist bezahlt, was Sie dagegen versprachen, ist Ihre Sache. Guten Morgen, Lovmann Gullik, Glück auf die Fahrt! Grüßt meinen Oheim, ich werde selbst nach Tromsöe kommen. Führt die Pferde herbei, wir wollen fort. Wo Lappen geheime Bündnisse machen, will ich keinen Fuß mehr über die Schwelle setzen, wo ein Kerl wie dieser Mortuno Schutz und Freundschaft findet, kann kein Normann mehr am Tische sitzen. – Da kommt Olaf! fuhr er fort, als er den Nordländer am Ufer des Fjord sich nähern sah. He, Olaf, Schade, daß du nicht hier warst! Mortuno war hier, vielleicht wollte er deinen neuen Hut sehen. Komm, mein Junge, komm, du hast viel versäumt. Ich will dir unterwegs eine lustige Geschichte erzählen, wie man seine Schulden bezahlt und höchst christlich und tugendhaft dabei bleibt.

Ist schwer zu glauben, sagte Helgestad, und thut mir leid, Herr Marstrand, davon zu gehen mit üblen Gedanken. Mortuno ist dem Gesetz verfallen, hat auf Olaf einen Mordplan gemacht, ist ein arger Bösewichte, den jeder gerechte Mann festhalten muß wo er ihn findet. Sieht aber wahrlich so aus, als habt Ihr heimlich noch in dieser Nacht mit ihm und Afraja verkehrt, den Jeder verflucht.

Ich denke, daß ich auf solche Beschuldigungen keine Antwort zu geben habe, sagte der junge Mann.

Ist eine Sache von der Ihr Euch reinigen müßt, und ist ernsthafter wie Ihr meint, antwortete Niels. Brüten die Lappen Böses in ihren Bergen und wird ein Gerichtstag bald gehalten werden, um 401 alle Beweise zu sammeln. Kein Normann, und sei er der geringste, wird aber einem Mann trauen, der mit seinen schlimmsten Feinden Umgang hat; keiner wird ihm glauben, keiner selbst sein Brod essen wollen. Kann sein, Herr Marstrand, daß auch Gesetze und Richter mitzusprechen haben; darum gebt Euer Wort, daß Ihr den alten heidnischen Zauberkerl so wenig gesehen habt, wie den spitzbübischen Mortuno.

Vor Gesetz und Richter würde ich sprechen, wie ich müßte, sagte Marstrand, Zwang jedoch lasse ich nicht zu. Es gilt Manches für recht und ehrlich in der Welt, Herr Helgestad, was Schurkerei und Gaunerei ist, und wenn ich die Richter betrachte, die bestellt sind über Wohl und Weh zu wachen und Gerechtigkeit zu üben, so kommt mir ein Grauen davor an.

So geht denn mit denen, von welchen Ihr Besseres hofft, sprach Helgestad, und ohne ein weiteres Wort ließ er die Pferde kommen, packte in ihre Körbe sein Geld und was sein war und verließ dann mit Paul und seinen Dienern den Gaard.

Auch der Lovmann hatte sich in seinem Boot davon gemacht, Olaf war der letzte, der aus dem Hause ging, nachdem er Gewehr und Jagdgeräth genommen.

Und auch du, Olaf, willst wie ein Fremder von mir gehen? fragte Marstrand, als jener trotzig und finster bei ihm vorüberschritt.

Olaf blieb stehen und setzte seine Büchse nieder. Wisse, sprach er, daß ich heut, als Alle schliefen, hinaus ging, um Rath mit mir zu halten. Ich mochte nicht Zeuge sein, wie du behandelt wurdest. Wärst du ein Mann, der schuldlos leiden sollte, ich wäre aufgestanden für dich und hätte es nicht geduldet; hätte selbst Geld und Gut für dich hingeworfen, wie wenig ich auch deine Narrheiten theile. Doch du bist unerfahren, man hat deine Leichtgläubigkeit gemißbraucht. Aber du bist falsch und hast mich betrogen.

Wie hätte ich das? rief Johann aus. Daß ich Mortuno laufen ließ, dir nichts von ihm sagte, geschah um dich nicht zu kränken.

Ich rede Nicht von dem Schelm, sagte Olaf. Sieh mich an, sich in meine Augen. Mußt du sie nicht niederschlagen?

Es gibt nichts, was mich dazu zwingen könnte.

Du bist ein Däne, weißt dich zu verstellen, antwortete Olaf. Kein Mensch auf Erden wußte wie es in mir aussah, dir sagte ich es. Ich 402 klagte dir mein Leid um Ilda und du – du selbst gingst an den Lyngenfjord, um unehrlich Spiel zu treiben. Hast alle Lockungen dort aufgeboten, hast um Liebe gefleht, bis sie dich von sich stieß, weil's so sein mußte und ich – ich arbeitete für dich, sorgte für dich, während du sie bethörtest. Leugnest du noch? Wagst du noch nein zu sagen?

Ich leugne nicht, sagte Marstrand, denn ich liebte sie und liebe sie noch, Olaf, obwohl ich aufgehört habe zu hoffen. Betrogen aber habe ich dich nicht. Ich weiß nicht wie ich dich versöhnen soll, doch kannst du zürnen, daß ich ein Weib liebe, die du liebst, und die keinem von uns gehört? Kannst du mich hassen, daß ich Worte fand, wo mein Herz sprach und wo Blicke mir sagten, daß ich verstanden wurde?

Du lügst! schrie Olaf heftig, nie hat Jungfrau Ilda ihre Augen zu dir erhoben. Eitel, wie du bist, hast du von eitler Lust geträumt und mich verrathen. Er hob den Arm mit einem wilden mörderischen Blick auf. – Tritt nie wieder in meinen Weg, es möchte dich gereuen, sprich auch nie von mir, wie von einem Freund, – meine Hand soll gegen dich sein, wo ich dich finde!

Mit diesen Worten eilte er fort, Helgestad erwartete ihn auf der Höhe des Fjordrückens. Da hielt er auf seinem grauen Rosse und blickte in die grünen Thalschluchten hinab. Seine Miene war voll Hohn und wie er Elf und Wald musterte brach er in ein grimmiges Lachen aus: Soll mein Mühen nicht umsonst gewesen sein, murmelte er, muß den Balsfjord haben, was will der Narr damit! Will ein ander Lied mit ihm singen, und soll ein Sang sein, der besser für ihn paßt.


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