Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Karte zu Kapitel 29.-45.

29. Das erste Zebra.

Am andern Morgen wurde der Landmarsch angetreten, nachdem die gemieteten Boote entlassen und die paar mitgenommenen arabischen Führer entlohnt worden waren.

Diese konnten wohl zufrieden sein; denn sie brachten mehr Kanus nach Hause, als sie mitgenommen hatten, und dazu für einige alte und morsche Fahrzeuge ebensoviel weit seetüchtigere und größere, die nun überdies noch mit Segeln versehen waren. Sie mieteten nun ihrerseits so viel Ruderer als sie brauchten, um die Flotte auch bei Windstille wieder an die Nordküste zu verbringen.

So sehr es Flitmore darum zu tun war, nur möglichst rasch vorwärts zu kommen, so erklärte er doch, die gerade Linie nicht einhalten zu können; denn alles komme darauf an, die richtigen Nilquellen aufzufinden, die sich, wie er nun bestimmt wisse, im Lokingagebirge befänden.

»Aber,« sagte er, »es ist dies ein ausgedehnter Gebirgszug, den wir wochenlang absuchen könnten, wenn wir auf geradem Wege hinstrebten und keine zuverlässigen Anhaltspunkte für die Lage der Quellen besäßen. Es bleibt uns daher nichts übrig, als dem Laufe des Nils zu folgen. Der Umweg ist nicht allzugroß; wir werden dem Moerosumpf oder Itawa entlang gehen müssen und zusehen, ob er, wie es nach meinen Vermutungen sein mühte, mit dem Moerosee in Verbindung steht.

»Dann handelt es sich darum, ob der Moero aus dem Bangweolosee gespeist wird, wie ich behaupte, oder ob sein Hauptzufluß ihm unmittelbar vom Lokingagebirge zuströmt. In letzterem Falle wäre dies der Quellfluß des Nils, im anderen aber wäre der Hauptzufluß des Bangweolo als der Nilursprung anzusprechen.«

So ging es also zunächst dem Itawa zu. Am ersten Abend machten Leusohn und Hendrik, während das Lager geschlagen wurde, noch einen Jagdausflug.

Sie bedauerten beide, die schönen Jagdgefilde am Tanganjika so rasch haben verlassen zu müssen, ehe sie auch nur eine richtige Jagd hatten ausführen können. Doch Flitmore hatte ja gewiß seine gewichtigen Gründe gehabt, so plötzlich aufzubrechen.

Nicht lange waren die Jäger gewandert, so erblickten sie in der Ferne einige Quaggas und eine ganze Zebraherde. Schon öfters hatten sie Zebras von weitem gesehen, nie aber waren sie zu einem Schuß gekommen; gibt es doch kein scheueres und vorsichtigeres Wild als dieses prächtige Tigerpferd.

Es schien äußerst schwierig, in offenem Steppenland die klugen Tiere unbemerkt anzuschleichen; der Wind war wenigstens günstig und wehte den Jägern ins Gesicht; so hoffte Hendrik, bei äußerster Vorsicht zum Schusse gelangen zu können, und ihm klopfte das Herz bei dem Gedanken, sein erstes Zebra heute vielleicht zu erlegen.

Er mahnte den Doktor zu höchster Behutsamkeit und Geräuschlosigkeit; und so wanden sich beide kriechend am Boden hin, jedes Büschel Gras als Deckung benutzend.

Zur Linken trabten Büffel dem Walde zu, schlanke Giraffen weideten am fernen Waldsaum die Blätter der Zweige ab. Aber die Jäger kümmerten sich um kein anderes Wild, als dasjenige, das sie im Auge hatten.

Auf hundert Schritte hatten sie sich angepürscht. Die Herde bot einen prächtigen Anblick: Wildheit und edle Kraft, Gewandtheit und Anmut prägten sich in Gestalt und Bewegungen der schönen Tiere aus, und wenn man die harten Hufe auf dem Boden stampfen hörte und das scharfe Gebiß blinken sah, konnte man es begreifen, daß selbst der freche Leopard sich scheut, ein Zebra anzugreifen, und nur der Löwe sich an die Wildpferde herangetraut.

Mitten unter den Zebras weideten Antilopen verschiedener Arten; denn im Gegensatz zum anderen Wild Afrikas, das in streng gesonderten Rudeln lebt, sieht man häufig Antilopen und Wildpferde in gemischten Herden.

Einige Kudus mit ihren eleganten Schraubenhörnern, Springböcke und feine Zwergantilopen waren da zu schauen, aber besonders eine stattliche schwarze Mähnenantilope stach Leusohn ins Auge.

Noch einige Schritte gelang es den Jägern sich zu nähern; dann aber sahen sie plötzlich den Führerhengst stutzen und scharf sichern. Die Ohren vorgelegt, die Nüstern weit geöffnet, stemmte er die Läufe vorwärts. Jetzt schlug er den Boden mit den starken Hufen, daß es dröhnte, und stieg kerzengerade empor, um weite Umschau zu halten, und hierauf ein warnendes Prusten auszustoßen.

Leusohn und Hendrik wußten, es war keine Zeit zu verlieren, sollte ihnen nicht die lockende Beute auf Nimmerwiedersehen entschwinden; denn die Zebras schnellten wie gefedert empor und trabten unruhig durcheinander.

Hendrik nahm den Führerhengst aufs Korn, Leusohn hatte es auf die schwarze Antilope abgesehen.

Zwei Schüsse krachten gleichzeitig. Die Antilope brach zusammen, das Zebra machte einen mächtigen Satz, galoppierte wie rasend einige Schritte vorwärts, wankte und stürzte in die Knie, zitterte, überschlug sich und stieß mit den Beinen in die Luft.

Die Jäger regten sich nicht, denn die Zebras hatten trotz des Knallens der Schüsse die dringende Gefahr nicht erfaßt; mit gellendem Wiehern umkreisten sie den verendenden Führer in anmutigen Sprüngen, als wollten sie ihn ermuntern, sich aufzuraffen. Und erst als eine zweite Kugel aus Leusohns Gewehr noch eines der Tiere durch den Kopf traf, so daß es lautlos zusammenstürzte, jagten sie wie der Wind davon, mit ihnen Kudus und Zwergantilopen.

Hendrik hatte es nicht übers Herz gebracht, noch einmal zu schießen; denn nachdem er den ersten Jagdeifer gekühlt hatte, dauerten ihn die edlen Tiere.

Dennoch war sein Jägerherz durch den Erfolg seines ersten Schusses so erfreut, daß er nun aufspringend jubelte: »Mein erstes Zebra! Nie ist es mir zuvor geglückt, einer Herde dieser scheuen Tigerpferde so nahe zu kommen, daß ich eines erlegen konnte. Es ist überhaupt eine der seltensten Jagdbeuten, und nur die Giraffe ist noch schwieriger zu erjagen. Wie wird Fräulein Helene sich freuen, die immer begehrte, eines dieser Tiere in der Nähe zu schauen, wenn sie jetzt auch nur den leblosen Körper bewundern kann!«

Damit legte er sein Taschentuch auf das verendete Wild und forderte den Doktor auf, ein Gleiches zu tun.

»Wozu das?« fragte Leusohn verwundert.

»Es wird Nacht und das Lager ist weit; heute können die Tiere nicht mehr fortgeschafft werden. Bis morgen früh aber würden sie eine Beute der Geier, Hyänen und Schakale, wollten wir nicht diese Vorsicht gebrauchen.«

Leusohn lachte hell auf. »Und nun meinen Sie, dieses Raubgesindel wird Respekt haben vor Ihrem Zeuglappen und denken: Aha! Diese Tiere sind anderweitig belegt, es steht uns nicht zu, sie zu verzehren? Nee, mein junger Freund, abergläubisch bin ich nicht.«

»Sie werden ja sehen!« sagte Hendrik. »Aber geben Sie mir Ihr Taschentuch, es wäre schade um Ihr Zebra; die Antilope mag geopfert werden.«

Der Doktor willfahrte kopfschüttelnd dem Jagdgenossen, der das Tuch auf das zweite Zebra breitete.

Dann gingen sie heim in der bereits einbrechenden Dunkelheit.

Am anderen Morgen eilten die beiden Jäger der Karawane voran, deren Weg über den Schauplatz der gestrigen Jagd führte.

Helene und Sannah begleiteten sie auf ihren Reiteseln, begierig, die erlegten Zebras zu schauen. Auch einige Schwarze wurden mitgenommen, um die Jagdbeute gleich an Ort und Stelle zu zerlegen und die Reitstiere mit dem Fleisch zu bepacken.

Von der schwarzen Antilope fand sich kaum mehr als das nackte Gerippe; einige Geier flogen auf, als unsere Freunde sich nahten.

Leusohn ahnte nichts Gutes. Aber weit riß er die Augen auf, als sich die beiden Zebras völlig unversehrt vorfanden.

»Na! Das muß ich sagen, Hendrik,« rief er aus: »Sie sind ja ein gewaltiger Zauberer! Wie ist das nur möglich, daß diese armseligen Tücher die gefräßigen Aasräuber derart in Respekt setzen? Erklären Sie mir, bitte, den großen Zauber des Taschentuchs, wenn Sie dazu imstande sind.«

»Gerne,« lachte der Bure. »Die Tiere scheuen den Menschen, und da ihnen aus den Tüchern die Witterung des Menschen entgegenweht, so wagen sie keine Annäherung.«

»Aha! Jetzt begreife ich,« sagte Leusohn. »Wir kurzsichtigen Gelehrten halten leider alles für Blödsinn und Aberglauben, bis es uns die Augen aussticht und wir nachträglich eine wissenschaftliche Erklärung dafür finden.«

Helene und Sannah bewunderten lebhaft die schön gestreiften Tigerpferde und ihren feinen Gliederbau und bedauerten nur, daß so edles Wild dazu bestimmt sein sollte, sein Fleisch zur Nahrung herzugeben.

Zur Mittagszeit kosteten aber doch auch sie von dem etwas süßlichen, aber wohlschmeckenden Braten.


 << zurück weiter >>