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19. Am Tanganjika.

Wenige Tage später standen unsere Freunde am nördlichen Ende des Tanganjika.

Die Regenzeit hatte wieder begonnen und kleidete alles in ein zartes Grün; Bäume und Sträuche standen in voller Blüte. Überall sprangen die grauen Knospen auf, so daß, wie von einem Zauberstabe berührt, was eben noch grau und öde erschien, auf einmal in frischen Farben leuchtete.

Amina sprach so warm ihre Freude über die Schönheit der Natur aus, daß die Weißen anerkennen mußten, Helenes Versuch, ihren Sinn dafür zu wecken, sei völlig geglückt.

Noch entzückter äußerte sich die kleine Tipekitanga.

Und als nun das Lager am Ufer aufgeschlagen war, gesellten sich Hassan und Hamissi und noch einige Schwarze zu den Weißen, die in stummer Bewunderung am Strande standen, und bewiesen ihre neugewonnenen Fähigkeiten, die Natur zu genießen, durch allerlei Bemerkungen und Ausrufe.

»Wie tief ist die blaue Farbe des Sees, und man sieht kein Ufer im Süden,« rief Hassan aus. »Wahrhaftig, er ist wie das Meer und so donnert auch seine Brandung; es ist gerade wie im Somalilande!«

»Und wie dicht und hoch sein die Bäume und Pflanzen,« bemerkte Hamissi. »Und grün, alles grün, so schön grün und viele Blüten, alle Farben!«

»Siehst du, wie viele Vögel fliegen,« sagte die Zwergprinzessin zu Amina: »Sie singen und zwitschern so froh: sie sind glücklich, daß der Regen alles so schön gemacht hat.«

»Und seht hier die grünen Urundiberge,« rief Kaschwalla und wies nach Osten.

»Und dort die schroffen Felsen,« sagte Juku, nach Westen weisend; ihm imponierte mehr das Wilde und Rauhe. »Das sind die Berge von Uvira, wie eine düstre Mauer stehen sie.«

Ein köstlicher Wind verbreitete, vom See her wehend, Frische und Behagen.

Am Ufer fanden sich viele Muscheln, und Möven strichen über den Seespiegel hin.

Der Tanganjika hat zwar salzhaltiges Wasser, das er seinen salzführenden Zuflüssen verdankt, muß aber doch als Süßwassersee gelten; es erschien daher überraschend, daß Quallen und Medusen an seiner Oberfläche hintrieben, Geschöpfe, die man früher für ausschließliche Meeresbewohner hielt.

Eine Plage barg freilich das liebliche Ufer, den gefürchteten Guineawurm oder Sandfloh, der sich namentlich in die nackten Zehen der Eingeborenen einbohrte und böse Geschwüre hervorrief, wenn es nicht gelang, ihn durch vorsichtiges Nachbohren unverletzt zu entfernen, so daß seine Eier in der Wunde nicht zurückblieben.

Flußpferde schnaubten im Röhricht und auch zahlreiche Krokodile waren zu sehen.

Die Weißen beschlossen, den See auf Booten zu durchschiffen und zunächst nach Udschischi überzufahren.

Der Araberhäuptling, von dem die zahlreichen Boote gemietet werden mußten, verlangte außer einer angemessenen Bezahlung Leusohns Flinte und Flitmores Revolver, die ihm jedoch rund abgeschlagen wurden, worauf er die Boote einfach verweigerte.

»Ich denke,« sagte Flitmore, »wir werden dem Manne seine unverschämte Forderung erfüllen müssen: es ist ja nicht so schlimm, wir besitzen noch Gewehre und Revolver genug im Vorrat.«

Hendrik überbrachte dem Häuptling die beiden Waffen und übergab sie ihm mit den Worten: »Wir wußten nicht, daß ein Araber wie ein Neger bettelt!«

Der Araber war beschämt, antwortete aber stolz: »Nimm die Schießwaffen wieder mit, es war nicht mein Ernst!« und er stellte nun ohne weiteres die Kanus.

Nun schiffte man sich ein und die schwarzen Ruderer stimmten fröhliche Bootgesänge an.

Der Wellengang war jedoch infolge des heftigen Südwindes ein so starker, daß fast sämtliche Schwarze und auch Leusohn von der Seekrankheit ergriffen wurden. Diese ließ erst nach, als abends gelandet wurde. Die Landung war übrigens nur schwer zu bewerkstelligen, da die Brandung am Ufer eine gefahrdrohende Gewalt entwickelte. Krokodile und Flußpferde gab es auch hier in Menge. Die ausgehöhlten Felsenufer boten bequeme Lagerplätze. Schulze bemerkte, daß der Wind gegen Abend abflaute, während er morgens wieder mit erneuter Heftigkeit blies. Er machte daher den Vorschlag, den Tag über hier zu verweilen und die Nacht zur Weiterfahrt zu benutzen. Dieser Vorschlag fand allseitigen Beifall.

In Kawele, dem Hafen von Udschischi, wurde wiederum angelegt, und auf dem Markte dieser Araberstadt allerlei Lebensbedarf eingehandelt.

Leusohn, seinem Grundsatz gemäß, sich an die Eingeborenenkost zu gewöhnen, kaufte sich sogar gedörrte Raupen, denen auch Flitmore mit Behagen zusprach.

Ein Vorrat von Maiskolben, die geröstet der beste Ersatz für Brot sind, wurde ebenfalls mitgenommen.

Die Träger und Askaris aber ließen sich das verführerische Palmenpombe schmecken, so daß mancher am folgenden Tage gar katzenjämmerlich dreinsah und Hassan tiefsinnige Betrachtungen anstellte und ausrief: »O, Bwana Bawessa, wie ist der Mensch so schwach, und wie mächtig sind die verderblichen Triebe des Fleisches über seinen Willen und seine besten Vorsätze!«

Als es Zeit zur Abfahrt war, bestieg Kaschwalla nicht ohne Mühe Schulzes Reitstier, den er halten sollte, bis er eingeschifft würde. Das Festhalten war ihm zu anstrengend und beschwerlich und er fand es bequemer, den Bullen mit seinem Körpergewicht zu belasten.

Das Tier aber mißverstand den Schwarzen und rannte mit Baba Pombe in den See, wo es wacker hinausschwamm, während Kaschwalla Löwenherz in einem Anfall seiner alten Feigherzigkeit schrie und jammerte: »O, Mama! Ich ertrinke, ich ertrinke!«

»Ein Nilpferd ertrinkt nicht, und ebensowenig eine leere Tonne,« meinte Juku, der ihm zu Hilfe ruderte.

»Aber ich bin eine volle Tonne!« erwiderte Kaschwalla, nicht mit Unrecht.

Juku erfaßte den Stier beim Zügel und lotste ihn mitsamt dem Reiter ans Ufer, da er es nicht wagte, den Dicken im Wasser ins Boot aufzunehmen, aus Furcht, zu kentern.


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