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21. Unglück über Unglück.

Voller Sorge schifften sich unsere Freunde am anderen Tage ein, um mit ihren mangelhaften Ruderstangen das Ufer entlang zu fahren.

Ihre einzige Hoffnung war, die deutsche Saline Gottorp am Mlagarassi, dem größten östlichen Zufluß des Tanganjika zu erreichen, und dort sich mit neuen Rudern versehen zu können.

Doch war zu befürchten, daß die Feinde sie nicht unbehelligt ziehen lassen würden, nachdem sie den Verlust der geraubten Kanus entdeckt haben würden.

In der Tat, kaum war mit großer Anstrengung die Flußmündung überwunden, so zeigte sich die Küste von Eingeborenen besetzt, die mit wildem Geschrei das Erscheinen der Boote begrüßten.

Diese entfernten sich rasch vom Ufer, das heißt, so rasch es eben mit den unbeholfenen Rudern gelang.

Ein Hagel von Steinen wurde ihnen nachgesandt, teils mit der Hand geworfen, teils mittelst Schleudern mit großer Wucht geschnellt.

Zahlreiche Boote wurden von den Wurfgeschossen getroffen und bei der schlechten Beschaffenheit ihres morschen Holzes wurde ein Dutzend von ihnen leck. Dazu waren einige Leute verwundet, davon einige recht schwer.

Glücklicherweise kam man bald außer Bereich der Würfe und auch die Speere und Pfeile, die nun flogen, fielen wirkungslos ins Wasser.

»Geht und sterbt im Njansa!« riefen die Wilden den Abfahrenden höhnisch nach, und es war alle Aussicht vorhanden, daß sie recht behielten; zumal zu allem Unglück auch die Lebensmittel ausgegangen waren; denn was vorgestern erhandelt wurde, hatte der zahlreichen Mannschaft nur auf einen Tag gereicht.

In der Ferne zeigte sich eine Insel; das war das Ziel, dem die Boote nun zunächst zustrebten, obgleich niemand wissen konnte, ob nicht neue Gefahren dort auf die Flüchtigen lauerten.

So sehr waren alle damit beschäftigt, so rasch als möglich voranzukommen, und faßten das ferne Ziel ins Auge, daß sie nicht bemerkten, wie eines der Boote zurückblieb.

In diesem Nachzügler befanden sich Lord Flitmore mit seinem Diener, sowie Schulze, ferner der Araber Achmed und zwei Somalis.

Das Boot füllte sich so rasch mit Wasser, daß alles Ausschöpfen nichts helfen wollte; es war verloren.

Die Wilden hatten kaum den zurückbleibenden Nachen bemerkt, als sie zwei Kanus bemannten, um die Insassen gefangen zu nehmen.

FIitmore lud seine Flinte mit Entenschrot.

»Lord, lassen Sie das Schießen sein!« bat der Professor: »Es hat keinen Zweck. Wir reizen nur unnötig die Wilden. Unser Boot geht unter, – was bleibt uns dann übrig, als ans Ufer zu schwimmen? So oder so fallen wir den Feinden in die Hände; wozu also unnützes Blutvergießen?«

»Professor,« erwiderte der Lord gelassen, »die Sache wird ernst, und wir müssen den Feinden zeigen, daß wir eine furchtbare Macht besitzen. Wir werden allerdings in ihre Gefangenschaft geraten, aber ich glaube, es wird dann nur unser Vorteil sein, wenn wir ihnen zuvor etwas Respekt eingeflößt haben.«

Damit drückte er ab.

Die Wirkung war eine schreckliche: sämtliche Insassen des vordersten Kanus waren verwundet und wälzten sich mit lautem Gebrüll auf dem Boden ihres Fahrzeugs.

Die Feinde ließen sich jedoch nicht abschrecken; sie bemannten weitere Boote und umzingelten unsre Freunde.

Flitmore gab nun keinen Schuß mehr auf die Übermacht ab; auch er verabscheute zwecklosen Mord, selbst in der Notwehr, er hatte es nur eben für zweckmäßig gehalten, den Wilden zu zeigen, was die Weißen könnten, wenn sie wollten; nun sollten die Schwarzen sehen, daß ihre furchtbaren Gegner sich freiwillig jeder ferneren Gegenwehr enthielten.

Es wäre ja nicht undenkbar gewesen, daß einige weitere Schrotladungen dem Angriff ein Ziel gesetzt hätten; da aber das Boot sank und die Landung in Feindesland nicht zu vermeiden war, so wäre damit nichts Wesentliches erreicht gewesen.

So ließen sich denn die Bedrängten wehrlos ins Schlepptau nehmen und ans Ufer ziehen.

Dort sprangen Flitmore und Johann mit den beiden Somalis ans Land, wo sie sofort von heulenden Wilden umzingelt wurden.

Achmed aber folgte Schulzes Beispiel und blieb mit der Seelenruhe des Arabers im Boote sitzen, während dieses am Ufer emporgezogen wurde.

Da saßen sie denn buchstäblich auf dem Trockenen, umdrängt von Hunderten brüllender Feinde. Mancher Speer wurde bedrohlich gegen sie geschwungen, mancher Pfeil auf sie angelegt; doch mochte ihr unerschütterlicher Gleichmut und ihre kalte Miene die Schwarzen einschüchtern, kurz, sie zögerten noch, ihre Mordwaffen zu entsenden.

Vielleicht auch wollten sie sich den Genuß verlängern, die Wehrlosen in ihrer Gewalt zu haben.

Es ist überhaupt eine Eigentümlichkeit der Wilden, daß sie ihren Feinden lange drohen, ehe sie mit dem Angriff Ernst machen, und dieses Zögern gibt oft allein ihren bedrängten Opfern die Möglichkeit, noch einen Weg zur Rettung zu finden. Ganz ähnlich verhalten sich ja auch die Indianer Nordamerikas ihren Gefangenen gegenüber.


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