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2. Verstärkung.

Weiter ging's nun durch eine mit hohen Bäumen bestandene Gegend, wo viele Graupapageien sich fanden; dann wieder am Seestrand hin durch Bananenpflanzungen und Gras über Karumbe nach Rumande; endlich durch Bananenhaine über den Fluß Taleha, der in der herrschenden Trockenzeit durchwatet werden konnte, bis Iwemerre, wo das Ufer verlassen wurde, um die Landzunge abzuschneiden, die hier in den See vorspringt; von da aus wurde die Anhöhe von Katarenge überschritten, auf welcher man das Südufer des Sees übersehen konnte. Dann folgte ein Papyrussumpf und das Dorf Kiruve, das von Wakondjo vom Stamme der Walenge bewohnt wird.

Große Bananenwälder tauchten nun auf, meist Musa Sapientium mit schwarz-violetten Stämmen, aber auch Musa Paradisiaca mit hellbräunlichem Stamm und auffallend großen Früchten.

Nachdem der sechs Meter breite Bach Ruende durchquert war, zeigte sich links eine von zahlreichen Fischerbooten belebte Bucht.

Bald darauf war der Magingirifluß zu durchwaten, dem eine große Grasebene folgte, durch die man zum Dorfe Muhagura gelangte.

Nun ging's durch eine Ebene am Südende des Albert-Edward-Sees, die aus einer schwärzlichen Ablagerung bestand voller Schalen von Wasserschnecken und Süßwassermollusken.

»Merken Sie sich diese Beobachtung,« sagte Flitmore zu Schulze und Leusohn. »Wir haben hier den Beweis, daß der Wasserstand des Muta-Nsige in früheren Zeiten ein viel höherer war und daß der See sich weithin nach Süden erstreckte; wir wandeln auf früherem Seegrund. So hat man überall die Bemerkung gemacht, daß alle innerafrikanischen Seen, wenn sie auch zeitweilig steigen, doch dauernd zurückgegangen sind.«

»Hier ist das allerdings eine augenfällige Tatsache,« bestätigte der Professor.

Man übersah von diesem Punkt aus den ganzen See, dem die Wanyoro verschiedene Namen gaben: Nyansa, Mwuta-Nsige, Lweru oder Dweru, während ihn die Wakondjo einfach Ngesi, das heißt »See« nannten.

Im Norden leuchtete das Schneehaupt des Runsoro herüber, hier »Ru-Ndjurru,« das heißt »Besitzer des Regens«, genannt.

Im Süden ragten sechs Bergkegel der Virunga-Vulkankette auf, die trotz ihrer Entfernung eine gewaltige Größe zeigten.

Unsere Freunde wandten sich nun nach Osten, dem großen Dorfe Vitschumbi zu, dessen Hütten am Seestrand zum Teil im Wasser standen, ein neues Anzeichen dafür, daß der in früheren Zeiten so viel tiefer gesunkene Seespiegel sich gegenwärtig in raschem Steigen befand.

Vitschumbi betreibt einen lebhaften Salzhandel und ist zu beiden Seiten eines etwa fünfhundert Meter breiten Seearmes gelegen. Es hat etwa zweitausend Einwohner von dunkler, schokoladebrauner Farbe, die verschiedenen Stämmen angehören. Sie treiben keinerlei Ackerbau und nur ein wenig Ziegenzucht, sie leben vom Fischfang und vom Salzhandel. Das Salz holen sie mit ihrer großen Flotte von Booten aus Katwe am Kiosee, indem sie das Westufer entlang bis zum Nordende des Albert-Edward-Sees fahren.

Vitschumbi liegt in der flachen, baumlosen Grasebene, durch die der Rutschurru, von Süden kommend, dem See zufließt.

Nachdem unsre Freunde nun seit mehreren Tagen keinen eigentlichen Rasttag mehr gehalten hatten, wurde beschlossen, den folgenden Tag hier auszuruhen, wie Flitmore vorschlug.

Alle waren begierig darauf, wie der Lord sein Versprechen halten werde, ihnen hier aus der Not zu helfen; denn mit den geringen Mitteln, die noch vorhanden waren, und den wenigen Trägern war an einen Weitermarsch nicht zu denken.

Der Abend näherte sich bereits, als man Vitschumbi erreichte; darum wurde das Lager angesichts des stattlichen Ortes aufgeschlagen, ohne daß man ihn für heute betrat.

Überraschend war hier der ungeheure Reichtum an Vögeln, die das Wasser und die Lüfte belebten oder am Strand im Röhricht sich tummelten. Reiher und Silberreiher, Pelikane und Marabus, wilde Enten und Wildgänse stapften oder schwammen umher und unbeschreiblich war das Gewimmel der Sumpf- und Wasserhühner, die leichtfüßig von Blatt zu Blatt hüpften oder aus den dünnen Gräsern des Wassers dahineilten. Weiße und graue Möwen flogen in Scharen durch die Luft und hoch oben kreisten die Adler, namentlich See- und Fischadler. Auch Falken, Raben, Krähen und Schwalben ließen sich blicken.

Am sumpfigen Gestade konnte man Schnepfen und Schildkröten sehen; kurz, es mangelte nicht an Geflügel und Leckerbissen zum Abendimbiß. Doch das war unsern Freunden nicht die Hauptsache: das schöne Bild, das die bunten und lebhaften Geschöpfe boten, gewährte ihnen einen edleren Genuß.

Als Schulze abends noch einen Gang durchs Lager machte, sah er Flitmore mit seinem Diener John vor seinem Zelte sitzen und ein Kapitel aus der englischen Bibel lesen. Hierauf sprach der Lord noch ein kurzes Gebet und Rieger sagte das englische Vaterunser und den Segen her.

»Sie haben wohl eine Andacht gehalten?« fragte der Professor, der andächtig stehen geblieben war.

»Das tun wir beide jeden Abend,« erwiderte Flitmore. »Ich halte es für besonders notwendig, in den heidnischen Wildnissen sein Christentum nicht zu vergessen.«

»Da haben Sie recht,« meinte Schulze beschämt. »Aber dürften wir Andern nicht an diesen Andachten teilnehmen?«

»Selbstverständlich!« sagte der Engländer. »Wer dazu Lust hat, ist willkommen.«

Seither versammelten sich stets alle Weißen um Lord Flitmore, wenn er seine täglichen Abendandachten hielt. Auch Sonntags, wo für gewöhnlich geruht wurde, wenn keine Notlage einen Marsch gebot, leitete der Engländer die Gottesdienste, wobei gemeinsame Choräle in deutscher Sprache gesungen wurden. Hassan, Hamissi, Amina und Tipekitanga waren dabei immer zugegen, meist aber versammelten sich auch die übrigen Schwarzen zur Feier und der Lord, manchmal auch Hendrik, hielten ihnen dann eine kurze Ansprache auf Kisuaheli, in der sie diesen Heiden und Mohammedanern das Evangelium nahe brachten.

Am nächsten Morgen in aller Frühe, als das ganze Lager noch im Schlafe lag, weckte Lord Flitmore seinen Diener und sandte ihn mit einem Auftrag nach dem entferntesten östlichen Teil von Vitschumbi.

Allmählich erwachte das Lager, die Schwarzen regten sich zuerst.

Auf einmal wurde es überall laut, eine große Unruhe machte sich bemerkbar.

»Jambo! Jambo!« hörte man's rufen.

Schulze und Leusohn kleideten sich hastig an.

Was hatten diese Rufe zu bedeuten? Schlimmes keinenfalls, denn »Jambo« heißt »Willkommen!«

Aber wer mochte da nahen und einen solchen Willkommgruß entbieten? Es konnte nicht anders sein, als daß es Küstenleute waren. Sollte eine europäische Reisegesellschaft hier angelangt, in diese entfernten Gebiete vorgedrungen sein?

Ein Ereignis war offenbar eingetroffen, aber welches? Nie hatten Schulze und Leusohn eine ähnliche Neugier empfunden und sich rascher in die Kleider geworfen, um sie zu befriedigen.

»Jambo, Jambo!« scholl es aus dem Lager zurück, wie es von außen herein tönte.

Eben traten die beiden Neugierigen aus dem Zelt, als Hamissi ihnen hüpfend und lachend entgegensprang.

»O, Bwana Dakta, o, Bwana Bawessa!« rief er aus. »Kaschwalla gekommen sein, alter Freund von Hamissi.«

»Wie kommt er her?« fragte der Professor. »Und wegen diesem Kaschwalla herrscht eine solche Aufregung? Wer ist denn überhaupt dieser Kaschwalla?«

»O, Bwana Bawessa nicht kennen Kaschwalla? Alle Leute in Sansibar, alle Suaheli, alle Kinder kennen Kaschwalla. Nie gehört haben von Kaschwalla, Bwana? Kaschwalla, das dicke Nilpferd, das dickste Neger von Afrika!« und er lachte, daß sein ganzer Leib wackelte.

»Aber nun sage doch, was ficht diesen Kaschwalla an, hierher zu kommen? Es müssen doch mehr Leute gekommen sein, den Rufen nach, die wir hörten.«

»O, tausend Träger und fünfhundert Askaris gekommen sein, alle zu uns.«

Schulze wußte, wie die Neger übertreiben, nicht aus Lügenhaftigkeit, sondern aus naiver Überschätzung alles überraschend Kommenden. Aber, daß eine große Karawane angekommen war, konnte nicht mehr zweifelhaft sein. Er schob daher den Suaheli beiseite, der den Eingang des Zeltes versperrte, und schritt zwischen den Zelten Hendriks, Flitmores und der Mädchen hindurch vor das Lager hinaus; Leusohn ging ihm zur Seite.

Hier bot sich ihnen ein überraschender Anblick. Ungefähr hundert Träger mit ebensoviel Lasten, die sie abgelegt und aufgestapelt hatten, schwärmten umher und etwa dreißig Askaris.

Hendrik, Helene und Sannah standen bereits da und staunten auch über den unerwarteten Anblick.

In diesem Augenblick trat Lord Flitmore vor, gefolgt von zwei Arabern im weißen Burnus.

»Ich gestatte mir, meine Herren,« sagte der Engländer, »Ihnen hier Abu Ibrahim vorzustellen, den Leiter der Karawane und Achmed, den Aufseher über die Askaris, einen tüchtigen Soldaten, den ich Ihnen besonders empfehle.«

Die Weißen verbeugten sich, ohne daß ihnen die Sache irgendwie klarer wurde. Wer war dieser Abu Ibrahim? Was wollte er hier? Wie kam Flitmore zu seiner Bekanntschaft?

Sie konnten sich nichts Anderes denken, als daß dieser Ibrahim eine Karawane ins Innere führte, um sich Elfenbein zu beschaffen, vielleicht auch Sklaven; – denn einen andern Anlaß kannten die Araber doch nicht, um Zentralafrika aufzusuchen.

Aber was wollte der Mensch denn bei ihnen?

Abu Ibrahim jedoch, ein Greis mit langwallendem Bart, verbeugte sich würdig vor Schulze und redete ihn folgendermaßen an: »Abu Arba, Herr der großen Expedition, ich übergebe dir hiemit die Karawane. Sie ist vollzählig bis auf einen Askari, der unterwegs gefallen ist, ein Opfer seines Muts im Kampf mit den Wilden, und bis auf zwei Träger, die davonliefen. Es sind noch dreiundneunzig Träger und neunundzwanzig Askaris, außer Achmed, ihrem Obersten. Die Löhne bezahlte ich bis hierher aus nach meiner Anweisung, von jetzt ab mußt du die Leute ausbezahlen. Die Hälfte meines Guthabens einschließlich der ausgelegten Löhnungen wurde mir im voraus bezahlt, die andere Hälfte erhielt ich soeben. Ich habe meine Pflicht erfüllt und werde wieder umkehren. Hast du noch Befehle für mich?«

Der Professor war wie aus den Wolken gefallen!

»Das ist ein Mißverständnis,« sagte er verwirrt: »Ich bin nicht der Abu Arba, den du meinst.«

Flitmore lächelte, der Araber aber sprach ruhig: »Verzeihe, daß ich deinen Namen, den dir die Europäer geben, nicht recht auszusprechen vermag: ›Kulz‹ ist schwer für unsre Zunge. Ich nannte dich Abu Arba, weil du vier Augen hast, zwei natürliche und zwei, die du darüber aufsetzt und wieder abnehmen kannst.«

Nun wußte Schulze wohl, daß die Araber die Europäer nach irgendwelchen auffälligen Kennzeichen zu nennen pflegen. Auch verstand er genügend Arabisch, um zu wissen, »Abu Arba« heißt soviel wie »Vater der vier«, nämlich »der vier Augen«. Wurde ihm nun klar, daß Ibrahim mit seinem »Abu Arba« ihn meinte, so blieb ihm doch alles übrige ein Rätsel.

Lord Flitmore ließ ihn jedoch nicht länger im unklaren.

»Ich bin es,« begann er, »der Abu Ismael an Sie gewiesen hat als den Herrn des Unternehmens. Ich versprach Ihnen ja, Ihnen in Vitschumbi aus aller Not zu helfen.

»Ich hatte nämlich die Absicht, meine Träger und Askaris vom Kongo wieder heimzusenden, wenn ich bis hierher gekommen wäre und von hier ab Leute von der Ostküste zu nehmen, nach der ich nach Vollendung meiner Forschungsreise mich wenden wollte. Ich sah voraus, daß mich Leute vom Westen nicht so lange begleiten würden und nicht zur Ostküste mitgehen möchten.

»Aus diesem Grunde fuhr ich zunächst nach Sansibar und beauftragte den mir von früher als durchaus zuverlässig bekannten Ibrahim, eine wohlausgerüstete Karawane hierher zu bringen. Als Zeitpunkt seiner Ankunft hatte ich die letztvergangene Woche bestimmt; einen Monat sollte er hier auf mich warten. Nun ließen mich ja meine Kongoleute weit früher im Stich; die Suaheliträger, die wir jetzt haben, sind wohl zuverlässiger, besonders da Ibrahim seine Leute kennt und die besten auswählte. Die Askaris sind sämtlich Somalis. Der Geldpunkt ist bereits erledigt.«

»Ich wünsche Ihnen Glück, Lord,« sagte Schulze: »Sie haben sehr weise gehandelt und sind nun schön heraus. Aber warum machten Sie sich den Scherz, Abu Ibrahim irre zu führen und mich als den Herrn dieser Karawane zu bezeichnen?«

»Verzeihen Sie, das ist kein Scherz. Sie waren bisher Haupt der Expedition, Sie bleiben es selbstverständlich auch ferner, und es wird mich freuen, als Mitglied derselben unter Ihrer Oberleitung zu stehen. Ich stelle Ihnen hiemit diese ganze Karawane zur Verfügung.«

»Aber davon kann keine Rede sein, Lord,« widersprach Schulze. »Wir sind Ihnen dankbar, wenn Sie uns den Anschluß an Ihre Karawane gestatten, aber selbstverständlich sind Sie, der Sie die Leute angeworben und die Lasten bezahlt haben, der Leiter des Ganzen.«

»Nein, Professor!« erklärte Flitmore bestimmt: »Sie wissen, wie es mir gegangen ist. Ich tauge nicht dazu, eine solche Bande zu leiten. Es ist mir viel wohler, wenn ich mich um niemand zu kümmern und für niemand zu sorgen habe, als für mich und meinen Diener Johann. Ich habe das Vertrauen zu Ihnen, daß Sie mir die Last abnehmen, die mir unbequem ist.«

»Wenn Sie so reden,« beschloß der Professor, »dann kann ich freilich nichts tun, als mit Dank annehmen. Möchte meine Leitung, die ich jedoch nur als stellvertretend betrachte und bereit bin, Ihnen jederzeit wieder abzutreten, so bald Sie es wünschen, zu Ihrer Zufriedenheit und zum Heil des Unternehmens gedeihen!«

Nun lernten die Weißen auch den berühmten Kaschwalla kennen, den die Araber wegen seiner Gewandtheit im Biervertilgen »Abu Merissa« getauft hatten, was die Suaheli in »Baba Pombe« übersetzten; beide Ausdrücke bedeuten »Vater des Biers«.

Dieser afrikanische Falstaff war allerdings nicht mehr zu vergessen, wenn man ihn einmal gesehen hatte. Sein Leib glich einem gefüllten Bierschlauch, der beständig wackelte und schwabbelte. Der fette Kopf schien unmittelbar darauf gesetzt, ohne Hals. Es war ein Wunder, wie die kurzen, allerdings auch umfangreichen Beine diese Tonne zu tragen vermochten.

Kaschwalla war die Gutmütigkeit selbst und ertrug die Spöttereien, mit denen er von allen Seiten geneckt zu werden pflegte, mit dem sich stets gleichbleibenden heiteren Grinsen, das seinem unförmlichen Gesicht etwas Gewinnendes verlieh.

Auch an Feigheit und Großsprecherei war er ganz Falstaff. Allein, wenn er eine gewisse Menge getrunken hatte, erfüllte ihn plötzlich ein Löwenmut und er vermochte es, durch zündende Reden alle andern zu kühnen Taten mit fortzureißen, so daß er sich hernach nicht genug über sich selbst wundern konnte.

Dazu war er durchaus ehrlich, – eine seltene und unschätzbare Tugend für einen Neger, – und besaß einen solchen Witz und Humor, daß ihm der Spott der andern wohl gleichgültig sein durfte; denn zuletzt hatte er immer die Lacher auf seiner Seite.

Unter den Trägern fiel besonders einer auf, abgesehen natürlich von Kaschwalla, der den Askari spielte und keine Lasten trug; dieser eine war ein untersetzter junger Neger von gewaltiger Körperkraft, Juku genannt.

Er hatte ein pockennarbiges Gesicht, mit kühn und unternehmungslustig blitzenden Augen. Er war denn auch voll Mut und Ausdauer, und nichts war ihm zu viel. Wenn es darauf ankam, trug er zwei Lasten auf dem Kopf und eine dritte auf dem Rücken. Man nannte ihn allgemein »den starken Juku«. Er hatte unsre Freunde schon auf dem Marsch zu den Zwergen begleitet.

Ferner zeichnete sich ein Träger durch seinen besonders schönen und hohen Wuchs aus; dies war ein Sulu, der sich den englischen Namen »Parker« beigelegt hatte. Er besaß alle guten Eigenschaften der Sulus: große Körperstärke und Gewandtheit, unbedingte Zuverlässigkeit, einen Löwenmut und doch einen kindlich harmlosen Charakter voll gewinnender Liebenswürdigkeit. Schulze gesellte ihn wegen seiner Tüchtigkeit den Askaris zu, während der starke Juku je nach Bedarf als Träger oder Askari diente.

Wer zum erstenmal nach Afrika kommt, meint wohl, alle Neger sähen einander gleich; bald aber lernt er die verschiedenen Gesichtszüge unterscheiden, die nicht weniger, sondern eher mehr ausgeprägt sind, als bei den Europäern, und er erkennt aus Hundert den Einzelnen auf den ersten Blick.

Unter den Trägern befand sich auch einer, den man den »Strohwitwer« hieß. Er hatte sich erst unterwegs der Karawane angeschlossen, indem er seiner gewalttätigen Gattin entlaufen war. Er war überglücklich, sie los zu sein, und versicherte, er werde niemals durchbrennen und wenn alle andern davonliefen, denn er fürchte nichts so sehr wie die Heimkehr zu seinem verehrten Weibe.

Die meisten Träger hatten ihre Frauen und Kinder mitgenommen, auch hatten sich ihnen unterwegs noch zahlreiche Frauen und Mädchen angeschlossen, wie es meist der Fall ist. Man nahm diese Mitläufer gerne mit, denn sie waren von großem Nutzen: nicht nur liefen sie ohne zu murren schwerer bepackt als die meisten Träger, sondern sie waren es auch, die im Lager unermüdlich Mehl stampften und so für die Ernährung der Leute wesentliche Dienste leisteten.

Die einzelnen Lasten hatten ziemlich genau das Gewicht von dreißig Kilo. Mehr darf man den Trägern nur ausnahmsweise zumuten. Die Weiber aber trugen noch allerlei Lebensmittel und Kochgeschirr und oft noch ein Kind auf dem Rücken. Die größeren Kinder liefen tapfer mit; nur ausnahmsweise trug der Vater ein ermüdetes Kind die letzte Strecke des Marsches.

In Vitschumbi bekamen unsre Freunde einige Wakondjoweiber zu Gesicht, die merkwürdige, kunstvolle Tätowierungen hauptsächlich auf dem Rücken aufwiesen.

»Wissen Sie, wie diese Ziernarben zustande kommen, Fräulein Helene?« fragte Schulze die Schwester des Doktors.

»Nein!« erwiderte diese: »Gewöhnliches Brennen oder Ätzen kann es nicht sein, da die Narben förmliche Wülste bilden bis zu zwei Zentimeter Höhe.«

»Das gewünschte Muster,« erklärte der Professor, »wird mit einem Messer in die Haut geritzt, dann wird Schmutz und Ruß nebst allerlei Pflanzensäften in die Wunden gerieben, so daß eine künstliche Entzündung entsteht und die Einkerbungen zu fabelhafter Dicke anschwellen. Großartig, was?«

»Nein! Ich danke!« rief Helene entsetzt: »Die armen Frauen und Mädchen müssen ja fabelhafte Schmerzen ausstehen bei diesem grausamen Verfahren!«

»Wollen sie nicht anders!« meinte Schulze: »Ja, die liebe Eitelkeit! Wenn es gilt, sich schön zu machen, erduldet die Negerin ebensogern die abscheulichsten Qualen, wie die Europäerin, die sich schnürt oder allerlei Verschönerungsoperationen über sich ergehen läßt.«


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