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Siebenzehntes Kapitel.

Was sie befürchtete.

Leoniens Hoffnung wird abermals getäuscht; sie schmeichelte sich, Mongérand werde es nicht mehr wagen, vor ihren Gatten zu treten, nachdem er ihn beinahe völlig zu Grunde gerichtet; doch eines Morgens tritt der Collegienfreund mit eben so heiterer, eben so unbefangener Miene in ihre kleine Wohnung, als vor der Geschichte mit den Wechselbriefen. Um wo möglich ihren Kummer über diesen Besuch zu verbergen, schlägt die junge Frau die Augen nieder.

»Hier bin ich, meine Kinder, habt mich lange nicht gesehen; was kann man machen? Geschäfte ... Ah! sapperlott! ich kann nicht mehr ... bin schnell heraufgekommen ... Eure neue Wohnung war beinahe nicht aufzufinden. Ei! nun, es ist hübsch hier! recht hübsch! Ihr seid noch sehr gut logirt!«

Leonie lächelt bitter und antwortet nichts. Karl murmelt: »Nur ein wenig hoch oben! – Ah! es gibt noch höhere Wohnungen als diese! ... und dann ist die Luft hier oben gesünder als weiter unten; besser für eure Kinder ... und die Aussicht ... Ah! die verdammt prächtige Aussicht! die Hügel St. Chaumont und den Père-Lachaise sieht man, als wäre man dort, äußerst angenehm. Und mit den Geschäften, Karl, geht's da wieder ein wenig? – Nein, ich weiß gar nicht, zu was ich mich entschließen soll. – Ach! mein Freund, das erfordert Vorsicht ... Ich, ich bin mit meinen Weinen in die Patsche gekommen ... Du weißt auch etwas davon! doch sei ruhig, ich ersetze Dir Alles wieder! ... nie lag es in meiner Absicht, Dich in Schaden zu bringen, daran zweifelst Du hoffentlich nicht? – Nein, oh! ich weiß wohl, sowie Du wieder etwas hast ... – Sollst Du zuerst bezahlt werden! Hör einmal, ich habe Rozat besucht ... ein Hundsfott, er weigerte sich, für mich gut zu stehen, dafür behandelte ich ihn auch wie er's verdiente; zudem hatte ich immer noch seine Flucht mit den Damen auf dem Herzen, an jenem Tage, wo wir zusammen speisten ...«

»Welche Damen? ... mit wem habt Ihr denn gespeist?« rief Leonie aus, indem sie Karl scharf anblickte. Dieser tritt Mongérand auf den Fuß und stottert: »Aber nein ... ich war nicht dabei ...«

»Ha, so, willst Du aufhören, mir auf den Fuß zu treten ... Ha! ha! ... ist der Karl doch wunderbar; weil seine Frau da ist, soll ich nicht von dem Essen mit unsern Schönen sprechen! Ei mein Gott! ... Deine Frau weiß wohl, daß sich die Männer belustigen müssen! ... daß der Gesetzteste nie auch einer nur leichten Anlockung widersteht, daß wir alle lustige Gesellen sind. Nicht wahr, Madame Darville, Sie wissen wohl, daß Ihr Gemahl nicht besser ist als die Andern? ... Allein mit dem Alter vergeht das Alles, man bekommt Rheumatismen, Gicht, Schmerzen ... dann kehrt man wieder um zu seiner Frau, welche uns mit Flanell reibt, wahrend wir in die Glut des Kamins spucken ... und damit ist Jedermann zufrieden.«

Leonie wandte den Kopf ab und hielt ein Tuch vor die Augen; sie scheint gar nicht zufrieden mit der Zukunft, welche Mongérand ihr verheißt. Karl, welcher bemerkt, daß seine Frau nicht in der besten Stimmung ist, steht auf, indem er zu seinem Freunde sagt: »Wollen wir einen Gang machen? ... – Das wollte ich Dir so eben vorschlagen! Ueberdies bedarf ich Deiner heute ... Ich muß Dich um einen Dienst bitten.

»Einen Dienst?« fragt Leonie, Mongérand besorgt anblickend.

»O! erschrecken Sie nicht, schöne Dame, es handelt sich nur um eine Lustpartie, und Karl wird mir einen Dienst leisten, wenn er dabei ist ... S'ist Dir recht, Karl, nicht wahr? – Gewiß!«

Traurig blickt Leonie nach ihrem Gatten, der schnell nach seinem Hute greift und sich zum Fortgehen anschickt. Wie er seine Frau küssen will, raunt ihm diese ins Ohr: »Ich zittere jedesmal, wenn ich Dich mit diesem Menschen gehen sehe ... er ist so zänkisch ... schon mehrmals hat er Dich in böse Händel verwickelt und Du gehst abermals mit ihm! ... Warum bleibst Du nicht lieber bei uns? ... Deine kleine Laura singt Dir ein Lied, das ich sie gelehrt ... Dein Sohn reitet auf Deinem Knie.«

»Meine liebe Freundin, ich habe noch Zeit genug, Laura singen zu hören und Felix auf meinen Knieen reiten zu lassen. Ich mag's Mongérand nicht abschlagen ... es würde ihn böse machen ... Bald bin ich wieder hier.«

Karl will sich entfernen, Leonie ruft ihn zurück mit den Worten: »Du gehst, ohne Deine Kinder zu küssen?«

Karl küßt seine Kinder, während Mongérand eine Galoppade pfeift; endlich geht er mit seinem Freunde fort, welcher auf der Treppe zu ihm sagt: Hast Du nicht vergessen, auch die Katze zu küssen? – Ach! Mongérand! ... wie unartig, was Du da sagst! – D'rum stehst Du vor Deiner Frau wie so ein rechter Tropf, daß Du mich wirklich dauerst. Doch lassen wir das! ... zum Teufel mit den Mühseligkeiten des Ehelebens, wir wollen nur an unser Vergnügen denken! ... – Gerne, denn seit einigen Tagen langweile ich mich entsetzlich. – Ich glaub's, wenn Du bei dem Strickzeug Deiner Frau bleibst ... – Was willst Du denn heute mit mir machen? – Nun höre, um was es sich handelt: da ich, nachdem mir Rozat seine Bürgschaft verweigert hatte, von dem kleinen Schlingel von Boursinet keinen Wein mehr erhalten konnte, war ich beinahe ganz auf dem Sand und in großer Verlegenheit ... ich mochte inzwischen nicht noch mehr von Dir entlehnen ... als mir die leidenschaftlichste, überspannteste, verliebteste Frau, welche je in den Mauern von Paris war ... und es gibt doch hier gewiß sehr zärtliche, davon kann ich auch reden ... in den Wurf, oder besser gesagt, in die Arme fiel ... – Kurz, diese Dame? – Zuerst magst du wissen ... doch ich kann Dir das Alles nicht erzählen, ohne eine Erfrischung zu mir zunehmen ... Komm ... hier herein ... – Hier ... das ist ein Weinschank. – Richtig! wo der weiße Wein vortrefflich ist. – Aber eine Kneipe ... – Kneipe! Weinschank! ... was macht das? ... wenn nur der weiße Wein hier gut ist! Wer stolz ist, mein Freund, kommt oft in Gefahr, schlecht zu speisen! – Aber ... – Ach! sieh, geh doch hinein! ...«

Mongérand schiebt Karln vorwärts in die Weinschenke, wo er mit einer gewissen Aengstlichkeit um sich blickt. Mongérand hingegen scheint ein häufiger Gast des Hauses, flugs geht er eine Treppe hinan, welche in einen Salon des Entresol führt, wo meist mit Wein befleckte Tücher über die Tische gebreitet sind; Mongérand setzt sich: »Du siehst, es ist hübsch hier? ... – Aber ... es riecht teufelmäßig nach Wein? – Soll es nach Gewürznelken riechen? Du bist kein großer Philosoph! ... Kellner, weißen! ... vom Nämlichen, wo ich gewöhnlich habe ... doch darf er besser sein! ...«

Sobald der Kellner aufgetragen und die Herren getrunken haben, fährt Mongérand in seiner Erzählung fort: »Ich sagte Dir also, ich hätte die Eroberung einer Frau gemacht, welche zärtlich ist wie ein Huhn und verliebt wie eine Kätzin! im Theater aux Funambules sah ich sie zum erstenmal ... – Du gehst in die Funambles, Du? ... – Warum nicht? das sind meine Galerien! ... Ich bin mit mehreren der dortigen Künstler bekannt ... Kurz, meine Eroberung hatte ein Ungeheuer von einem Mann bei sich, so dick und fett wie der Elephant auf dem Bastilleplatz. Du begreifst, daß mich das gar nicht hinderte, mit Aug' und Hand zu spielen, wenn sich Gelegenheit bot; ich folgte der Dame und ihrem ungeheuren Cavalier ... Du weißt, ich bin kein Geselle, der die Dinge in die Länge zieht; als der Cavalier von seiner Schönen heraus war, warf ich Steine nach den Fenstern, um meine Gegenwart bemerklich zu machen ... Anfangs irrte ich mich im Fenster, was den Nachbar, dessen Scheiben ich einwarf, sehr übler Laune machte ... gilt mir übrigens gleich! doch, Kleiner, ich will mich kurz fassen; ich hatte gefallen, Bekanntschaft war bald gemacht und ich erfuhr, daß meine Prinzessin von dem dicken Herrn, welcher eine Zuckerraffinerie und Thaler besitzt, daß man mit der Schaufel darin wühlen kann, unterhalten werde. In der Glut ihrer Leidenschaft wollte mir die Schöne ihren dicken Liebhaber opfern; Du weißt jedoch, ich bin nicht romantisch; ich sagte zu ihr: gemach, mit Deinem dicken Zuckermann hast Du die raffinirtesten Genüsse des Lebens! ich könnte Dir nicht einmal ein Glas Zuckerwasser bieten. Behalte Deinen Zuckerhutmann für das Notwendige und mich für das Angenehme! ... Hieß das nicht als galanter Mann gehandelt? he ... – Aber ich sehe noch nicht ein, in wiefern das mich angeht! ... Hat Deine Schöne auch eine Base, wie Madame Stephano?«

»Nein! ... o! sie hatte nie Verwandte! ... dazu ist sie zu wohl erzogen. Laß mich also zu Ende kommen. Zu meinen Besuchen bei Themire ... der Name meiner Ueberspannten ... wählte ich die Augenblicke, wo der Zuckermann nicht kommen soll; ich begegnete indeß dem Dicken mehr als einmal auf der Treppe, und obwohl ich ihm Platz machte, blickte er mich doch voll Ingrimm an ... er hatte mich als den schönen Liebhaber von den Funambules her erkannt. Ich erfuhr durch Themire, daß er Argwohn hegt; kurz, er ist eifersüchtig auf mich, so daß Themire nicht mehr mit mir auszugehen und mir auf dem Spaziergang den Arm zu geben wagt; und doch ist dies unangenehm, denn ihr Zuckersieder läßt ihr viel freie Zeit, und ich finde, daß man nicht immer in einem Zimmer bleiben kann, weil die heißeste Liebe am Ende doch gar zu sehr nach der Stube röche.«

Mongérand hat aufgehört zu sprechen und trinkt; noch immer sieht Karl ihn fragend an.

»Was Donnerwetter, Karl, Du verstehst noch nicht, was ich von Dir will? ... – Nein, noch nicht! ... – Du sollst mit uns gehen, Du sollst Themiren auf unsern ländlichen und andern Spaziergängen den Arm geben ... sollst mit uns speisen! ... Themire bezahlt immer, das geht Dich nichts an; da wir einander gar nicht gleich sehen, so wird, wenn man sie auf diese Weise trifft und es dem Zuckermann steckt, die von ihrem Cavalier gemachte Schilderung seinen Verdacht nicht erregen ... – Aber ... – Still! laß mich ausreden: Du kannst Dir einbilden, daß sie von Dir sprechen wird ... Du bist ihr Bruder, den sie erwartet! ... der von seinen Reisen zurückkommt und seine Schwester spazieren führt, das ist ganz einfach! – Du sagst so eben, sie habe keine Verwandte! ... – Hat man keine, so macht man sich welche! ... das ist viel bequemer! ... – Aber ... – Nun, dabei bleibt's: Du bist Themirens Bruder und reichst ihr den Arm! ... ich, ich bin Dein Freund; sieht man mich bei euch, so hat mich der Zufall mit euch zusammengeführt. – Wenn aber! ... – Du nimmst an! ... dabei bleibt's! Du bist immer ein guter Kerl, und jetzt laß uns Themiren aufsuchen, welche im rothen Schwan in Groß-Caillou Fische zu essen wünscht!«

Obgleich Karl nichts weniger als zufrieden mit seiner Rolle, als Themirens Bruder, ist, so willigt er doch ein, nach seiner alten angenommenen Gewohnheit, für seine Freunde zu thun, auch was ihm keine Freude macht. Man geht aus der Schenke. Mongérand führt ihn dem Boulevard St. Antoine zu: »Themire wohnt in der Straße St. Antoine, allein sie soll uns auf dem Boulevard Bourdon erwarten; ein andermal holst Du sie in ihrem Hause ab, das ist besser, und erspart ihr die Mühe, auf der Lauer zu stehen.«

Die Herren kommen auf dem Boulevard Bourdon an; vor der Straße de la Cerisaire ging eine große und wohlbeleibte Frau von sechsunddreißig bis vierzig Jahren, anspruchsvoll gekleidet, auf und ab; an ihrem linken Arm hängt ein Shawl und ihre Haube ist mit Blumen, Bändern und Spitzen überladen; ihr Kleid schlägt sie so in die Höhe, daß sie noch mehr als die Waden zeigt.

»Das ist Themire!« ruft Mongérand aus. »Arme Kleine! ... stets pünktlich auf ihrem Posten, wie ein preußischer Soldat ... nie ließ sie nur eine Sekunde auf sich warten ...«

»Wie! ... diese Person da ist Deine Geliebte? – Ei! warum denn nicht? ... meinst Du, ich fürchte mich vor einer großen Frau? ... – Nein ... sondern ... – Ah! ich errathe! Du findest Dich etwas klein, um ihren Bruder vorzustellen! ... das sieht man jedoch alle Tage! ... es gibt viele Kinder, die größer sind, als ihr Vater! Reden wir sie an! ...«

Im Augenblick, wo die beiden Freunde bei der Dicken anlangen, zieht diese eine tüchtige Prise Tabak heraus und bringt voll Anmuth ihren Zeigefinger unter eine Nase, die im Stande ist, eine Unze zu fassen. Auge, Mund und sämmtliche stark ausgedrückte Züge stehen in vollkommenem Einklang mit ihrer Natur.

»Hier, sind wir, Kleine,« sagt Mongérand, »und ich stelle Dir Deinen Bruder vor! ...«

Fräulein Themire verbeugt sich anmuthig vor Karl und antwortet mit zimperlicher Stimme: »Der Herr will also gefälligst ...? der Herr weiß also ...? Sie haben also dem Herrn erzählt ...? – Ei freilich! Sapperlott! ... Braucht es wohl viele Umstände, um einem Freund zu sagen: Du machst den Bruder meiner Geliebten, damit wir den Feind täuschen? ... – Ah! wie verschlagen er ist! ... Ach! schweigen Sie! ... Verschlagener!« versetzt Themire zimperlich, indem Sie ein weißes Sacktuch voll Tabak aus ihrem Beutel zieht. –

»Nun, Karl, gib Deiner Schwester den Arm, und dann auf den Weg nach dem rothen Schwan, mit aller uns möglichen Anmuth.«

Karl, der bis jetzt nur Bücklinge machte, bietet der dicken Mamsell den Arm; abermals lächelnd nimmt diese ihn an und man setzt sich in Marsch; Mongérand läuft neben Karl her und läßt das Gespräch nie ins Stocken gerathen; Themire spricht wenig, sie begnügt sich damit, bei jedem Fluche ihres Geliebten auszurufen: Ach, der Verschlagene! und jeden Augenblick den Kopf vorzustrecken, um ihn besser zu sehen, was ihre Nase ziemlich häufig in Berührung mit dem Gesichte ihres Cavaliers bringt, obgleich dieser bei jeder avancirenden Kopfbewegung seiner vorgeblichen Schwester eine rückgängige macht.

Man kommt nach Gros-Caillou. Karl mit gerädertem Arm, weil sich Themire im Gehen ganz dem ihres Führers überläßt; die Wohlgerüche aus der dampfenden Küche geben ihm jedoch seine Fröhlichkeit wieder, welche er unterwegs verloren hatte. Mongérand will in einem Salon speisen; er findet es lustiger, als in einem Kabinet. Themire ist sanft, wie ein Lamm; sie thut, was ihr Geliebter will. Dieser bestellt das Essen und sorgt, daß es an nichts fehle. Karl, wohl einsehend, daß jetzt der angenehmste Theil seiner Rolle zu erfüllen sei, thut es Themiren gleich; sie ißt und trinkt wie ein Wolf, und unterbricht sich nur auf einen Augenblick in diesen interessanten Verrichtungen, um Mongérand zärtlich anzublicken und zu sagen: »Wie gut dieser Verschlagene ein Mahl bestellt! ... ah! wie er zu leben versteht!«

»Ha! Donnerwetter! freilich verstehe ich zu leben; geh, Kleine, es fehlt mir nur eine Million jährlicher Einkünfte, um alle meine Annehmlichkeiten zu entfalten! Karl, laß uns auf die Gesundheit Deiner Schwester trinken ... Bist Du zufrieden mit Deinem Bruder? er ist ein guter Kerl, mein Zögling ... Er ist hübsch!«

Themire verneigt sich zierlich; während sie zum drittenmal von der Tafel abwesend ist, sagt Mongérand zu Karl: »Wie findest Du sie? ... – Ein hübsches Weib! ... – Ich glaube beim Teufel wohl! – Doch wäre mir das Gesicht der Madame Stephano lieber. – O sei still! diese wiegt allein zehn wie Heloise auf und ist das beste weibliche Geschöpf von der Welt! für mich würde sie sogar Schlechtigkeiten begehen! Und wenn Du sie singen hörtest ... das laß ich mir gefallen! das ist keine Vogelorgel, wie Aschenbrödel ... sondern eine Donnerstimme ... prächtig! ... Ich will sie bitten, zu singen. – Nicht nöthig. – Doch, weil ich will, daß Du den Unterschied zwischen ihrem Singen und ihrem Sprechen hörest. – Aber in einem Salon ... es sind Leute hier. – Das kümmert mich sehr wenig. Wer nicht zufrieden ist, wird's uns sagen ... wir sind die Leute, um zu antworten ... – Das ist richtig.«

Themire kommt zurück. Beim Nachtisch bittet Mongérand, zu singen. Themire ziert sich, blickt auf die Tische und murmelt: »Ich wage es nicht.«

»Du sollst es wagen, weil ich's verlange,« entgegnet Mongérand; »ja, noch mehr, ich ermächtige Dich, in Deinem vollen Glanze aufzutreten. Diese Leute da sind überglücklich, wenn sie Dich hören; sie werden Dir danken und Dich um Wiederholung bitten; thun sie's nicht, so sind es Dummköpfe.«

Themire widerstrebt nicht länger, sondern stimmt an: » Ha! welche Lust, Soldat zu sein.« Mit einer Miene der Bewunderung hört Mongérand zu und läßt seine Blicke im Salon umherlaufen, um zu sehen, ob man gleichfalls entzückt sei.

Bei den ersten Tönen Themirens erhob männiglich im Salon die Augen voll Erstaunen. Anfangs glaubte man, mit einigen Stellen des Stücks wegzukommen; allein die Sängerin fährt fort, und ihre Stimme ist so gewaltig, daß man nicht einmal mehr das Rasseln der Teller hört. Zwei junge, an der Hinterwand des Saales sitzende Leute erlauben sich einiges Gelächter. Mongérand wendet sich nach ihrer Seite, indem er mit Stentorstimme ruft: »Still doch da unten! ... hören Sie nicht, daß man singt?«

»Das möchte ziemlich schwer zu überhören sein!« murmelt ein alter Herr im Rücken Mongérand's; sogleich beugt sich der letztere gegen diesen: »Was haben Sie gesagt? –Ich sagte, mein Herr ... diese Herren sollten wohl hören, daß Madame singt ... – Ah, sehr gut! und es muß ihnen angenehm die Ohren kitzeln, nicht wahr? – Ja, mein Herr ... sehr angenehm.«

Der alte Herr ruft indeß eiligst den Kellner, fragt, wie viel er schuldig sei, und geht fort, während Themire aus voller Kehle wiederholt: »Ha! welche Lust ... ha! welche Lust ...« Mehrere andere Personen ahmen dem alten Herrn nach. Mongérand sieht die an ihm Vorüberkommenden von der Seite an. Dann klatscht er aus Leibeskräften und stößt Karl an, worauf dieser ein Gleiches thut.

»Ei! nun, bist Du entzückt?« sagte Mongérand zu seinem Freund, als Themire geendigt hatte. – »Ich bin ganz außer mir! ... – Das glaube ich ... sie hat eine Stimme, die wohl ihren Mann betäubt ... Eine andere Melodie, Schätzchen, so lang Du noch im Zuge bist. – Ach! ich weiß nicht, ob ich soll ... – Nur zu ...Kleine ... mein Lieblingslied: In der Kasern' erwart' ich Dich! zudem bildet das die Fortsetzung von: Ha! welche Lust! Soldat zu sein! – Ach, der Abgefeimte! ich muß ihm singen, was er will! ... Aber Du wirst alsdann Champagner kommen lassen. – So viel Dir beliebt ... einen ganzen Korb voll, wenn Du's verlangst ... Kellner, Champagner! und sorgen Sie, daß man dort unten still ist. – Aber, mein Herr, ich kann die Personen hier nicht am Sprechen hindern. – Doch! wenn Madame singt, muß man still sein oder ich werde die Leute zum Schweigen bringen!«

Ohne eine weitere Einwendung zu wagen, entfernt sich der Kellner. Themire beginnt ihr zweites Stück. Noch hat sie nicht bis zur Hälfte gesungen, als Niemand mehr im Salon ist, als die beiden jungen Leute; alle übrigen Gäste haben die Flucht ergriffen, diese aber halten bestens Stand; bei ihrem Kaffee sitzend, werfen sie einander bedeutungsvolle Blicke zu, verstecken ihr Gesicht hinter dem Taschentuch, und halten sich bei jeder Roulade Themirens den Bauch. Mongérand bemerkte die Pantomimen dieser beiden Herrn und schien sehr ärgerlich darüber; während eines Trillers der Sängerin tönt ein schlecht verhaltenes Lachen aus dem Hintergrund des Salons hervor.

Mongérand steht auf und geht gerade auf den Tisch zu, an dem die Lacher sitzen, von welchen der Aelteste noch keine zwanzig Jahre zählt.

»Was nöthigt Ihnen ein so unanständiges Gelächter ab, während Madame singt?« fragt Mongérand, den beiden jungen Leuten starr ins Gesicht sehend. Der Eine von ihnen geräth in Verwirrung und schägt die Augen nieder, sein Gefährte, entschlossener, entgegnet mit stolzem Blick auf den Frager:

»Mein Herr, ich glaube, das Lachen steht Jedem frei, besonders wenn man so vergnügt ist, wie wir. – Ihr seid vergnügt? – Das will ich meinen: mein Freund sagt, nicht um hundert Franken würde er den heutigen Abend hergeben, und ich, ich wollte in die italienische Oper und Madame Malibran singen hören, habe aber darauf verzichtet, um der hier befindlichen Dame zu lauschen ... – Bah! wahrhaftig ... aus Vergnügen lachen Sie also? – Fragen Sie nur meinen Freund. – Nun gut alsdann ... Ihr seid gute Jungen und werdet ein Glas Champagner mit uns trinken. – Sehr gerne.«

Die jungen Leute waren Schreiber bei einem Anwalt, und stets bereit, jede Gelegenheit zur Belustigung zu ergreifen; sie zogen den Champagner einem Duell vor, und der listige Ordner dieser Angelegenheit folgt nebst seinem Kameraden voll Freude dem barschen Mongérand, welcher sie Themiren mit den Worten vorstellt: »Da, Schätzchen, sind zwei junge Gesangfreunde; sie wollten ins Theater gehen, zogen aber vor, hier zu bleiben und Dich anzuhören ... Wir lassen noch etwas Champagner herausbringen und Du singst uns dann die große Arie des Kalifen: »Von jedem Land, Euch zu gefallen.« Das ist ihr Meisterstück, meine Herren, und das will genug sagen.«

Themire macht den jungen Leuten eine liebenswürdige Verbeugung. Karl'n ist dieser Ausgang der Sache gar nicht unlieb; er sah bereits einen Auftritt in der Weise des in der Weinlese von Burgund kommen. Der Champagner erscheint, die beiden Schreiber sprechen den Gläsern wacker zu, so daß Mongérand kaum Zeit hat, die Pfropfe springen zu lassen. Themire singt ihre Arie vom Kalifen; die Herren klatschen stürmischen Beifall. Endlich, nachdem in der Schnelligkeit vier Flaschen Champagner geleert worden sind, verläßt die Gesellschaft den rothen Schwan. Die beiden jungen Schreiber entfernen sich mit erneuerten Versicherungen ihrer Bewunderung, und Themire hängt sich an Karls und Mongérands Arm, welche sie in eine Miethkutsche bugsiren, und so fährt die Gesellschaft zur Straße Antoine zurück.

Dieser Partie folgen bald mehrere andere; Karl schlägt keine aus. Mehrmals begegnete ihm auf dem Wege mit Themiren zu einem Stelldichein, das ihnen Mongérand gegeben, ein dicker Herr, welcher ihn aufmerksam betrachtete. »Das ist mein Raffineur!« sagte Themire dann ganz leise: »Seien Sie nur ganz unbefangen, er hält sie für meinen Bruder. Karl erwiderte nichts, die Blicke dieses Menschen erscheinen ihm nicht wohlwollend. Nun gibt er sich das Versprechen, nicht mehr Themirens Bruder zu spielen; doch schon den andern Tag nimmt er eine neue Partie an. Indeß er nur an sein Vergnügen denkt, unbekümmert um die Zukunft, arbeitet und wacht seine Frau bei ihren Kindern, und wenn sie ihn fragt, was er so häufig mit Mongérand zu thun habe, antwortet er: »Wir gehen spazieren und philosophiren. Es thut mir zu wehe, wenn ich Dich arbeiten sehe, deßhalb gehe ich aus.«

Als er eines Tages mit der dicken Themire wiederum den Weg nach den elysäischen Feldern einschlug, wo sie mit Mongérand zusammentreffen sollten, erblickt Karl auf den Boulevards den Herrn, welchen Themire ihren Zuckermann nennt. Er geht auf sie zu und sagt, ohne Karl nur zu begrüßen, zu der Dame: »Wohin gehen Sie? – Ein wenig spazieren mit meinem Bruder, den Sie hier sehen. – Ja, ja, ich weiß ... Sie haben mir's oft genug gesagt ... gut.«

Damit entfernte sich der Herr ohne Weiteres, während der vorgebliche Bruder seinen Hut abnahm. »Ihr Raffineur ist nicht sehr artig,« sagte Karl. – »O! der ist ein Original! kehren Sie sich nicht an seine närrischen Einfälle! Ach Gott! wenn Mongérand wollte! ... eine Hütte genügte mir! ... dann wäre ich den wunderlichen Anfällen dieses plumpen Bären nicht mehr ausgesetzt! – Ja, allein ich glaube, Mongérand ist kein Freund von Hütten! – Sie glauben! ... wie Schade! ... ich war geboren, Schafe zu hüten, ich ... unmöglich könnte ich aber ohne einen Schäfer leben.«

Man trifft mit Mongérand zusammen: Karl theilt ihm das Zugestoßene mit, was ihm jedoch gar keine Aufmerksamkeit zu verdienen scheint; er denkt nur an ein gutes Mahl; dies beschäftigt ihn stets am meisten bei seinen Ausflügen mit der Geliebten, welche in der That sehr schlecht ankäme, wenn sie ihm eine Hütte anböte.

Man verfügte sich zu einem gut renommirten Tratteur. Man speist mit andern Gesellschaften in einem kleinen Saal und sitzt noch beim Nachtisch, als zwei neue Gäste in den Saal treten; es ist der Raffineur mit einem großen Bengel von gleicher Dicke.

Als Themire ihren Zuckermann erkannte, schob sie ihr Eingemachtes in die Nase statt in den Mund; Karl erblaßte; Mongérand, der gerade sein Glas in der Hand hatte, trank ruhig und sagte: »Gut, wir werden bald sehen, was diese Herren wollen!«

Man schwebt nicht lange in Ungewißheit: der dicke Herr tritt auf die Tafel zu, an welcher seine Schöne sitzt. Er blickt sie, sowie Mongérand, mit wüthenden Augen an und ruft aus: »Auf diese Weise also geht man mit seinem Bruder spazieren?«

»Nun? und weiter?« fragt Mongérand.

»Wir sind auch spazieren gegangen,« stottert Themire, »und als hierauf mein Bruder seinen Freund traf, lud er ihn ein, mit uns zu speisen.«

»Das ist wahr!« bestätigte Karl. – »Das ist wahr!« fuhr der Raffineur fort, Karl'n näher tretend, »das ist wahr, daß Sie gelogen haben ... – Mein Herr ... – Sie sind nicht Themirens Bruder ... das sind Flausen ... – Mein Herr ... – Sie sind mit dem andern Schurken da einverstanden, mich zu hintergehen ... aber sehen Sie, da haben Sie Ihr Theil.«

Noch sind die Worte nicht völlig ausgesprochen, als schon eine derbe Ohrfeige auf Karls Wange sitzt. Ehe dieser Zeit hatte, wieder zu sich zu kommen, war Mongérand mit einem Satz über den Tisch hinüber und packte den Raffineur an der Gurgel, wüthend stürzt Karl auf das andere Individuum und zerschlägt ihm eine Schüssel auf der Nase. Das Alles ging so schnell, daß die nebenan Speisenden noch nicht die Zeit gehabt hatten, ihre Plätze zu verlassen. Themire schreit, heult, brüllt; die Kellner laufen herbei. Alles steht auf. Endlich gelingt es, die Kämpfenden auseinander zu bringen. »Laßt uns hinausgehen, meine Herren,« sagt Mongérand; »solche Beleidigungen macht man nicht auf diese Weise ab. Es ist unnöthig, weitere Teller zu zerschlagen. Da müssen wir Blei haben. – Das will ich gerade,« entgegnet der Zuckersieder. »Allein ich wollte die Unterhandlung gerne einleiten.«

Die vier Männer gehen zusammen aus dem Zimmer. Themire bleibt bei Tische. Sie weint, jammert, stößt mit dem Kopf an die Wand und thut ihr Möglichstes, um in Ohnmacht zu sinken. Nach fünf Minuten kommen Karl und Mongérand zurück, der letztere eben so lustig, wie vor dem Streit, der erstere weit ernsthafter.

»Ach, da sind sie!« ruft Themire und wirft sich in Mongérands Arme, welcher, zum Glück für ihn, an die Mauer gelehnt war.

»Gut, gut! die Sache ist abgemacht. – Abgemacht schon? – Beim Henker! wir werden uns diesen Abend nicht schlagen; man sieht ja nichts mehr; auf morgen also ... um sechs Uhr! das Rendezvous ist bestimmt, und Niemand hat Lust, dabei zu fehlen; nicht wahr, Karl? – Nein, gewiß nicht! – Wie, ihr schlagt euch morgen? – Ja, Schätzchen, und ich glaube, wir wollen deßhalb ein feine Flasche weiter trinken! nicht, daß wir Wein brauchten, um uns Muth zu machen, sondern weil der Herr uns ärgerte, und den Aerger muß man verschlucken!«

Man setzt sich wieder zu Tische; doch nur Mongérand ist heiter. Umsonst will Karl ein Lachen affektiren; jeden Augenblick verfällt er wieder in düsteres Sinnen; und Themire, welche einige Stunden vorher nur eine Hütte und einen Schäfer wünschte, gibt jetzt zu erkennen, daß ihr ein Bruch mit dem Raffineur sehr unangenehm wäre.

»Hellauf, meine Kinder!« sagt Mongérand, »erheitert euch doch! Daß wir morgen eine kleine Partie mit jenem Herrn haben, darf uns heute Abend nicht geniren! Es thut mir nur leid, daß Karl in die Geschichte verwickelt ist! allein er hat eine Ohrfeige erhalten und muß seinem Mann den Garaus machen! Morgen früh um drei Viertel auf sechs Uhr bin ich vor Deiner Thüre, Karl! ist's nöthig, daß ich hinaufkomme? – Nein, o! hüte Dich davor wohl! ich werde nicht auf mich warten lassen! – Bin's überzeugt, denn dieses geht über den Spaß! Ich nehme Pistolen mit. Du brauchst Dich nicht darum zu kümmern. Was mich ärgert, ist, daß Du Dich zuerst gegen das dicke Thier, das Dich beohrfeigte, schlagen mußt, so daß, wenn Du ihn sogleich tödtest, wie ich hoffe, ich nicht mehr das Vergnügen haben kann, mit ihm abzurechnen!«

»Wie! ihr wollt meinen Zuckerfabrikanten tödten?« rief Themire besorgt. – »Ja, theure Themire! mit Deiner gütigen Erlaubniß! – Aber ... doch! ... wenn ihr ihn umbringt ... kann er mich ja nicht mehr unterhalten und ... – Thut mir leid! das wird ihn lehren, ein andermal weniger brutal zu sein. – Aber ich möchte lieber ... – In dieser Sache gibt es kein Aber! – So hören Sie doch, Mongérand; Sie würden mir großen Schaden thun und ... – Ah! Donnerwetter! nun ist's genug! schweigen wir augenblicklich und seien wir liebenswürdig! oder ich würde glauben, Sie hätten Ihren Zuckermamn geliebt!«

Themire schweigt, schmollt jedoch. Endlich denkt man ans Aufbrechen, und zum erstenmale sieht Themire, während ihr Liebhaber zahlt, nach dem Betrag und brummt zwischen den Zähnen: »Wie dumm, so viel Geld auf einmal zu verzehren!«

Karl beeilt sich, seine Gesellschaft zu verlassen, um allein zu sein; wie er sich von Mongérand und seiner Schönen entfernt, ruft ihm der ehemalige Husar noch nach: »Auf morgen!«

»Ja, auf morgen!« wiederholt sich Karl, langsam den Weg nach seiner Wohnung einschlagend: »Morgen soll ich mich schlagen! und für wen? für eine Frau, die ich verachte, denn weil ich mich für ihren Bruder ausgab, empfing ich diese ... Ach! ich dachte oft, es werde ein schlechtes Ende nehmen! ... Wenn Leonie darum wüßte! ... Erst wenn sie eingeschlafen ist, will ich nach Hause gehen! wenn sie mich sieht! ... meine Verwirrung, meine Verlegenheit würden ihr vielleicht Argwohn einflößen! ... Und würde ich getödtet in diesem Zweikampf! ... Ha, denken wir nicht an all das Zeug! seien wir Mann, wie Mongérand sagt!«

Bis gegen Mitternacht geht Karl umher, versuchend die trüben Betrachtungen zu verscheuchen, welche haufenweise auf ihn einstürmen. Endlich kehrt er nach Hause: seinen Schlüssel hat er bei sich. Leonie und ihre Kinder, deren Bettchen neben dem ihrigen stehen, schlafen. Karl betrachtet seine Kinder eine Weile; es scheint ihm, als liebe er sie in diesem Augenblicke weit mehr; so ist es immer, was man zu verlieren fürchtet, liebt man viel inniger; von Denen kann man sich beinahe nicht mehr losreißen, die man zum letztenmal in seine Arme zu schließen fürchtet. Laura's schöne Züge haben schon das Sanfte der Züge ihrer Mutter; das freundliche Gesicht seines Felix scheint selbst im Schlafe noch zu lächeln.

»Wie hübsch sie sind!« spricht Karl, in ihren Anblick versunken, bei sich selbst. »Und morgen werde ich mich schlagen! ... sie vielleicht ihres Vaters berauben! Desjenigen, der über ihre Kindheit wachen, sie lieben sollte! Ha! ich bin ein Taugenichts! ein Wicht! ich verabscheue, hasse mich selbst! ich begehe nichts als Thorheiten!«

Karl machte allerlei Geberden, indem er ins Feuer gerieth; Leonie dreht sich in ihrem Bett, da hält er inne, aus Furcht, sie zu erwecken; eiligst legt er sich nieder, in der Hoffnung, der Schlaf werde seine Sinne ruhiger machen; doch vergebens sucht er einzuschlafen; er zählt jede Stunde der Nacht. Nicht Furcht vor dem Zweikampfe am andern Tage ist's, was ihn wach erhält; es fehlt ihm nicht an Muth, sondern das Leidwesen, in eine Sache verwickelt zu sein, wo ihm selbst der Sieg keine Ehre machen kann. Der Tag ist erschienen. Um fünf Uhr steht Karl auf; ganz sachte küßt er seine Frau; es kostet ihn Mühe, von ihr zu scheiden, indeß er will fort sein, ehe sie erwacht. Er ist angekleidet, im Begriff zu gehen! ... noch einmal kehrt er sich um zu seinen Kindern, auch sie möchte er küssen, er sagt sich, vielleicht sei es zum letztenmal. Schon hat er seine Lippen auf die rosenrothen Wangen seines Felix gedrückt, nun thut er ein Gleiches bei Laura ... diese aber schlägt die Augen auf und stammelt: Du bist's, Papachen? Du bist da! ... ach! Du trägst mich in Dein Bett, nicht wahr?«

»Stille! Stille! mein Töchterchen!« sagt Karl, ihr durch Zeichen bedeutend, daß sie sich nicht rühren solle; »bleib' liegen! ... schlaf! ... schlaf noch mehr, liebe Laura! es ist noch sehr frühe! ... – Aber warum bist Du denn schon angekleidet, Papa? – Ich ... ich muß ausgehen! ... Mach aber kein Geräusch! Du darfst Deine Mutter nicht aufwecken! ... – Gut! ich will wieder einschlafen! ... bring aber mir und lieb Brüderchen ein Brödchen zum Frühstück mit! ... Du weißt wohl, von den Brödchen, die so gut sind! ... willst Du, Papa? – Ja! ... ja! ... Adieu, liebes Kind! ... schlaf ... ich bitte Dich!«

Noch einmal küßt Karl seine Tochter und entfernt sich dann eiligst. Es war Zeit, er fühlte seinen Muth schwinden. Endlich ist er in der Straße; hier sieht er Mongérand, seine Pfeife rauchend, mit großen Schritten auf- und abgehen; sein Anblick ermuthigt ihn wieder, er nimmt ihn schnell am Arm.

»Pest ... Du bist früh! Die Stunde ist noch nicht da ... allein ich kam immerhin, denn ich dachte, ich könne meine Pfeife eben so gut auf der Straße, als in meinem Hause rauchen. – Laß uns gehen; wo ist das Rendezvous ? – Auf den Hügeln von Saint-Chaumont ... O! gehen wir nicht so schnell, wir haben noch Zeit ... Meine Pistolen habe ich in der Tasche ...und gute! ... Ah! laß Dir erzählen ... wie ich Dich gestern verließ, hatte ich noch eine Scene mit Themiren! ... jetzt ist's ihr leid um ihren Raffineur! ... Wie sauber! ... o! die Launischen! ... Kurz, wir sind entzweit für immer ... darüber lache ich! ... Und Du? ... nun denn! ... Du hörst mich nicht! ... – Doch! ich höre Dich wohl!«

Auf dem ganzen Wege spricht Mongérand fort: Karl gibt nur einsilbige Antworten: er beeilt sich sehr, und alle Augenblicke ruft Mongérand aus : »Donnerwetter! ... geh doch nicht so schnell l ... wenn die Herren vor uns da sind, sollen sie warten!«

Endlich langt man auf dem zur Ausfechtung des Streites gewählten Orte an; Karls Beleidiger ist mit seinem gestrigen Begleiter schon auf dem Platze.

»Vielleicht sind wir etwas spät,« sagt Mongérand, »allein ich habe keine Uhr und dachte, wir hätten noch Zeit vor uns ... Vorwärts, Karl, Du machst mit dem Herrn den Anfang ... Hast Du kein Glück, so werde ich Dich rächen; denn da ich der Liebhaber der verführerischen Themire war, so geht mich's meiner Meinung nach auch ein wenig an!

Der dicke Mann erwidert nichts; er begnügt sich, seinem Sekundanten seine Pistolen zu übergeben; man ladet, zählt die Schritte ab.

»Hier, Karl,« sagt Mongérand, seinem Freund eine Pistole reichend, an Dir ist der erste Schuß ... gedenke an meine Lektionen!«

Hastig greift Karl nach der Waffe; wie wenn es ihn beständig drängte, ein Ende zu machen, zielt er und drückt alsbald ab, trifft aber seinen Gegner nicht. Nun zielt dieser, zielt ziemlich lange und bald liegt Karl in seinem Blute.


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