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Elftes Kapitel.

Zwei Freunde.

Onkel Formerey, der sich zuweilen nach Paris begeben sollte, um seine Nichte und ihren Mann zu besuchen, konnte sein Vorhaben nicht ausführen; das Zipperlein verhinderte die Reise; es bannte den alten Negocianten in seine Stube, in seinen Armstuhl, wo es ihn langweilt, daß er nur selten Briefe von seiner Nichte und nie ein Wort von Karl empfängt, allein er denkt, dieser habe, ganz seinen Geschäften lebend, keine Zeit zum Schreiben; damit entschuldigt ihn der Greis. Von Leoniens Bruder erhielt Herr Formerey Nachrichten; der junge Mann hat das Mitgenommene gut verwerthet, aber den ganzen Ertrag in schlechten Spekulationen verloren; nunmehr verließ er Amerika, um sich nach Indien zu begeben, und Herr Formerey endigt den Brief, worin er Leonien Meldung davon macht mit den Worten: »Dein Bruder Adrian will nirgends gut thun: wer bald dies, bald jenes treibt, wird nicht reich: dieser Junge da wird nie ein guter Kaufmann werden.«

»Armer Adrian!« spricht Leonie bei sich selbst, »wäre er hier, hätte ich doch wenigstens Jemand, dem ich meinen Kummer anvertrauen könnte. Auch Karls Freund wäre er, nicht wie die, welche sich diesen Namen beilegen und ihn von seinem Hauswesen entfernen, ihn täglich in seinen Geschäften stören ... Daß diese Leute seine Freunde sind, kann ich nicht glauben, so verstehe ich die Freundschaft nicht. Allein mein Bruder ist in weiter Ferne; vielleicht sehe ich ihn nie wieder! ... und Karl vernachlässigt seine Geschäfte völlig ... unsere Verpflichtungen werden immer größer; ich zittere, wenn ich in unser Kassenbuch blicke. Ist er bei mir, so verspricht er, sich mit dem Allem zu beschäftigen; aber einmal außer dem Hause, läßt er sich durch den Einen oder den Andern hinreißen ... Wenn ich seiner Mutter meine Besorgnisse mittheilte? Sie würde mit ihrem Sohn sprechen! Karl vielleicht auf sie mehr hören, als auf mich? ... Mich aber über meinen Mann beklagen! ... o! nein ... er liebt mich immer, und so lange er mich liebt, will ich keine Klage führen.«

Was Leonie vorausgesehen, ist eingetroffen: Mongérands Zurückkunft macht Karl noch unordentlicher. Setzt er sich zufällig vor sein Schreibpult und will zu arbeiten versuchen, gleich kommt der lange Schreier, um ihn abzuholen; lärmend, fluchend und eine Cigarre rauchend tritt er ein, klopft Karl auf die Schulter und spricht: »Was Teufel machst Du denn diesen Morgen? ... man erwartet uns da unten; es gibt frische Austern. Du weißt, Germon hat gestern mit mir verloren.«

»Mein Mann hat viel zu arbeiten, mein Herr,« sagt Leonie, mit einem Blick auf Karl, damit er bleibe.

»O! seien Sie ruhig, Madame, er soll bald zurück sein, ein Dutzend Austern essen und ein Glas Chablis trinken! ... ist schnell abgethan! ... und Karl ist dann nur um so frischer für sein Geschäft ... Nun, Donnerwetter! komm doch ... wir sind lauter gute Kerls ... allein man hat geschworen, daß man nicht ohne Dich frühstücke.«

Mit dem Versprechen baldigen Wiederkommens folgt Karl seinem Freund; auf der Straße spricht Mongérand: »Ist's so, brauchst Du die Erlaubniß Deiner Frau zum Ausgehen? O! das wär' einmal gar zu drollig! – Nein, nein, ich wollte arbeiten; doch gewiß, es steht mir frei, zu thun, was mir beliebt. – Nun, das laß ich mir gefallen, sonst würde ich Dir sagen: wirf eiligst das Joch ab, tritt Alles unter die Füße! die Weiber sind, wie wir sie machen, siehst Du! ein Mann, der sich unter den Pantoffel gibt, ist ein Dummkopf. Ich liebe die Frauen, achte sie, bin zuvorkommend gegen dieselben, und werde Dir nie schlechten Rath geben; aber Mohrenwetter! sei Mann! zeige Dich! laß Dich nicht regieren; läßt Du's einmal geschehen, bist Du verloren! – Ich wiederhole Dir, meine Frau ist sanft wie ein Lamm; ich fange mit ihr an, was ich will. – Gut, dann liebe sie, sei artig, freundlich gegen sie, aber laß Dich nicht regieren; sei Herr in Deinem Hause und Du wirst glücklich sein!«

Mongérands Rathschlägen wird geneigteres Ohr geliehen, als Leoniens sanften Ermahnungen. Warum? Mongérand wiederholt Karln das im Café vor seinen Freunden; jeder der Herren will deutlicher zu verstehen geben, daß er Herr in seinem Hause sei; wer seiner Frau nachzugeben, sie um Rath zu fragen schiene, würde zum Gespötte werden; und diese Herren schlagen einen elenden Gemeinplatz, einen schlechten Witz eines ihrer Vergnügensgefährten höher an, als die Bitten und Thränen ihrer Frauen! Armselige Männer das, welche ihr Leben lang schreien, sie seien Herren in ihrem Haus, und zum Beweis nur Dummheiten machen!

Die Zeit vergeht, ohne daß Karl gesetzter wird, Leonie wiederholt unaufhörlich, er werde sein Handlungshaus zu Grunde richten, ihre Lage werde bedenklich, und wenn er sich nicht ordentlicher benehme, werden sie ihre Verpflichtungen nicht mehr ehrenvoll erfüllen können.

»Ich will arbeiten wie ein Neger!« sagt dann Karl, seine Frau küssend; »sei ganz unbesorgt, ich habe prächtige Geschäfte vor; Du glaubst, ich gehe nur des Vergnügens wegen aus? O! ich denke auch an's Geldverdienen. Vanflouck will mich mit einem Ausländer zusammenführen, welcher große Einkäufe zu machen hat. Ich sage Dir, es wird besser gehen, und ich gebe Dir einen schönen Kaschemir, den ich für Dich ins Auge gefaßt habe.«

»Ich verlange keinen Kaschemir von Dir, mein Freund, aber wir haben eine Tochter, denk' an sie, wenn Du nicht an mich denkst. – Ich werde an uns Alle denken; ich habe für diesen Morgen ein herrliches Geschäft, eine Zusammenkunft mit einem Makler. – Geh also hin und versäume es nicht!«

Karl geht mit dem Entschluß, seine Geschäfte zu besorgen. Nur aus Gewohnheit und um einen Blick auf die Journale zu werfen, tritt er ins Café; dort trifft er Mongérand beim Frühstück: »Setz Dich hieher,« ruft dieser ihm zu: »da vor mich hin ... Kellner, noch ein Couvert! – Nein, ich habe ein Stelldichein diesen Morgen. – Um welche Zeit? – Um zwölf Uhr. – Kaum ist's elf Uhr, hast wohl noch Zeit ...«

Karl nimmt Mongérand gegenüber Platz; darauf erscheinen zwei andere Freunde, dann ein dritter; das Frühstück zieht sich in die Länge; es schlägt ein Uhr, Karl erinnert sich an sein Stelldichein und geht. Noch hat er keine hundert Schritte gemacht, als ihm Vanflouck in den Weg rennt; der dicke Holländer bemächtigt sich seines Armes und sagt: »Freut mich, daß ich Sie sehe, denn ich gehe nicht mehr in Ihr Haus, um nicht auf Ihren Teufelsfreund zu stoßen, habe jedoch viel mit Ihnen zu sprechen. – Man erwartet mich um zwölf Uhr. – So erwartet man Sie nicht mehr, da es ein Uhr ist! – Verzeihen Sie mir. Nun! wohin gehen Sie denn? – Rue d'Antin. – Ich gehe mit, wir schwatzen unterwegs; zuerst trinken wir irgendwo ein Glas Bittern! – Aber! ... – Ah! Sie sind ein guter Kerl? ... ja oder nein? – Ich denke, ja. – Dann werden Sie mein Glas Bittern annehmen.«

Man tritt ins Café, Vanflouck setzt sich hier nie für kurze Zeit. Der Bittere ist nur das Vorspiel für andere Liqueure. Karl möchte fort, aber Vanflouck schwatzt immerwährend; sieht er Karl nach der Uhr blicken, sagt er zu ihm: »Wir gehen!« steht aber nicht auf.

Um zwei Uhr endlich gelingt es Karl, sich zu der Person zu begeben, die ihn erwartet hatte, aber ausgegangen war, als sie ihn nicht kommen sah.

Leonie hat ihre Tochter wieder zu sich genommen; die kleine Laura fängt zu sprechen an; Karl küßt sie oft mit voller Zärtlichkeit; er liebt sein Kind; die süßesten Gefühle der Natur sind in seinem Herzen keineswegs erstickt, dies hält auch die junge Mutter aufrecht und läßt sie auf eine geordnetere Lebensweise ihres Mannes hoffen. Seit sie ihre Tochter bei sich hat, wird ihr die Zeit nicht mehr lang, und obgleich die kleine Laura mit ihrer Mutter noch nicht plaudern kann, zieht diese doch ihre Gesellschaft jeder andern vor, und an der Wiege ihres Kindes sitzend, wartet sie geduldiger auf ihren Mann.

Die Rozat besuchen fortwährend Karls Hause; doch nur selten ist der Freund mit den Honigpartien bei den von Mongérand vorgeschlagenen Wirthshauspartien.

»Rozat ist ein Lauwasserhahn!« sagt Mongérand, wenn der lange Blondkopf einen Gang ins Café ausschlägt, »er hat nie heißer in den Hundstagen! ... er fürchtet, sich krank zu machen ... aus der Ordnung zu kommen, wenn er mit uns geht! ... da laß ich mir Karl gefallen! das ist ein Mann! auch hat ihn Jeder gern! ... man reißt sich um seine Gesellschaft! ...«

Herr Rozat hat keine Lust, mit Mongérand zu gehen, weil er weiß, daß bei ihm die Lustpartien nur selten ohne einen Streit ablaufen; und da er Leoniens Kummer über die verschwenderische Lebensweise ihres Mannes bemerkte, affektirt er vor der jungen Frau eine Gesetztheit, welche seinem Herzen ferne liegt.

»Diese Herren mögen umherschwärmen,« sagt Rozat, wenn er mit seiner Gattin und Leonie zurückbleibt; »mich verführt's nicht; ich weiß nicht, welches Vergnügen man daran finden kann, seinen Abend in den Café's zuzubringen! man ist so gut in seinem Hauswesen! ich hing stets mit Liebe an Haus und Herd! ...«

»Ach, Madame!« spricht Leonie dann wohl zu Frau Rozat, »wie glücklich sind Sie, einen Gatten zu besitzen, der nicht gerne ausgeht!«

»O ja!« murmelt die Angeredete bitter lächelnd, vor sich hin, »ich bin sehr glücklich! es möchte einem Angst und bange machen! ...«

Herr Rozat bringt indeß seine Frau nicht jedesmal mit; in Karls Haus namentlich geht er lieber allein; er ist der Abwesenheit seines Freundes beinahe sicher, und ein Tête-é-tête mit Leonien däucht dem großen Blondkopf etwas besonders Angenehmes; er bemüht sich alsdann, die verführerischsten Mienen zu machen, die süßeste Stimme anzunehmen und die liebenswürdigsten Dinge zu sagen. Bei Leonien sind aber alle Bemühungen, alle Verführungskünste verloren; sie bemerkt solche nicht oder stellt sich wenigstens so. Das wundert nun Herrn Rozat, welcher sich für sehr verführerisch hält und nicht glaubt, daß ihm irgend eine Frau widerstehen könne, bedeutend.

Als er eines Abends wieder einen Besuch bei Karl abstattet, findet er, wie gewöhnlich, Leonie ohne andere Gesellschaft, als ihr Töchterchen in der Wiege. Die junge Mutter scheint düsterer als sonst, ihre Augen sind rothgeweint und noch feucht; Rozat hält den Augenblick zum Anerbieten seiner Tröstungen für günstig.

»Karl ist ausgegangen?« fragt er mit gleichgültiger Miene. – »Ja, mein Herr. – O! ich bildete mir wohl ein, daß ich ihn nicht fände, und bin seinetwegen auch nicht gekommen. Er ist aber sehr selten zu Hause? – Ach ja! – Wahrhaftig, ich begreife sein Benehmen nicht! ... eine junge, schöne liebenswürdige Frau zu haben, welche alle Vorzüge in sich vereint, und sie so allein zu lassen! verlassen! o! das ist schlecht, sehr schlecht! An Ihrer Stelle, Madame, würde ich mich an einem Manne rächen, welcher die Reize und den Schatz, den er besitzt, nicht zu würdigen versteht.«

»Mich rächen?« versetzt Leonie naiv, »und wie denn? ...«

Rozat rückt seinen Stuhl naher: eine solche Frage, meint er, sei eine Aufforderung zu einer Erklärung, man ermuthige ihn zum Sprechen. Er lächelt, seufzt, blickt zuerst Leoniens Fuß an, hierauf ihre Hand, dann ihre Kniee: er verdreht die Augen, als wolle er in Ohnmacht fallen, und endlich murmelt er: »Sie fragen, wie? – Ja freilich, mein Herr; denn ich habe gar nicht verstanden, was Sie mir eigentlich sagen wollten.«

»Sie haben nicht verstanden? ... die Damen verstehen sich indeß auf Anspielungen! – Es scheint, mein Verstand ist weniger durchdringend, als der der übrigen. – O! er ist's im Gegentheil vollkommen; wie Alles, was sich in Ihrer Person vereinigt. Sie sind ein Zusammenfluß aller Reize. – Aber Sie geben mir keine Antwort auf meine Frage, mein Herr! – Doch, ich komme gerade darauf, wenn ich Ihnen sage, daß, wer Ihre Reize nicht zu schätzen weiß, unwürdig ist, sie zu besitzen, daß Sie nicht geschaffen sind, in beständiger Abgeschiedenheit zu leben ... daß es noch andere Männer gibt, welche Sie anzubeten, ihnen zu huldigen wissen ... daß ich um ein zärtliches Geständniß von Ihren Lippen mein Leben hingäbe ... daß ich die verzehrende Flamme, welche Sie in mir anfachten, nicht länger bergen kann ... daß ...«

»Was wagen Sie mir zu sagen? Herr!« ruft Leonie aufstehend und sich von Rozat entfernend. »An die Gattin Ihres Freundes erlauben Sie sich solche Reden? – Ei, und warum denn nicht? Wenn mein Freund seine Gattin vernachlässigt, so kommt es, glaube ich, eher mir, als Andern zu, ihr die verdienten Huldigungen darzubringen ...«

»Ah! mein Herr! ... und Sie geben sich für Karls Freund aus! ... – Aber Sie sind ein Kind! Sie betrachten die Dinge nicht aus dem rechten Gesichtspunkt; erstlich ist die Liebe, welche Sie mir einflößen, unendlich viel stärker, als meine Freundschaft für ihn, und dann, welchen Schaden brächte es ihm wohl? Bei mir haben Sie nicht die geringste Schwatzhaftigkeit zu befürchten; ich würde Sie anbeten ... würde Sie ...«

»Ha! zu viel, mein Herr! ich weiß nicht, was Sie kühn genug zu solchen Reden machen konnte? Hoffentlich werden sie jedoch zum letztenmal an mich gerichtet! sonst, mein Herr, müßte ich meinen Gatten von Ihren Gefühlen für mich in Kenntniß setzen; und wiewohl Sie es von Seiten eines Freundes ganz natürlich finden, glaube ich doch nicht, daß er es ebenso aufnehmen würde ...«

Herr Rozat steht wie vom Donner gerührt, er hoffte, seine Erklärung und das Spiel seiner Augen würden eine ganz andere Wirkung hervorbringen. Er weiß nicht mehr, was er sagen soll; nach einer Weile stottert er hervor: »Möglich, Madame, daß mich mein Gefühl für Sie zu weit führte, doch werden Sie nicht so bösartig sein ...«

»Nein, mein Herr, wenn Sie, wie ich hoffe, nie wieder auf diesen Gegenstand zurückkommen, werde ich Ihre Reden von diesem Abend aus meinem Gedächtniß zu verwischen wissen; ich verspreche, nicht im Mindesten mehr daran zu denken.«

Rozat schweigt auf's Neue; Leonie hat keine Lust, das Schweigen zu brechen; Karls Freund ergreift seinen Hut und verabschiedet sich, mit Mühe durch ein Lächeln den in ihm tobenden Zorn und Aerger verbergend. Leonie grüßt ihn höflich und sagt ihm dann, da eine Frau ihre Rache immer durch einen boshaften Zug beschließen muß: »Wollen Sie gefälligst Ihrer Frau Gemahlin viel Liebes und Gutes von mir ausrichten und sie in meinem Namen küssen.«

»Werde nicht ermangeln, Madame,« antwortet Rozat mit erstickter Stimme, wobei er wegen seiner Eilfertigkeit im Fortgehen mit dem Kopf an die Thüre rennt.

»Und diesen Menschen hält Karl für seinen Freund!« spricht Leonie bei sich selbst; »ach! ich fürchte sehr, die Mehrzahl Derer, mit denen er sein Leben hinbringt, sind nicht mehr werth, als dieser Rozat! ... Und um in der Gesellschaft solcher Leute zu sein, um ihren Beifall zu erlangen, vernachlässigt Karl sein Hauswesen, seinen Handel. Tugend, wahres Glück haben demnach nicht viele Reize. O, meine Laura! soll auf diese Weise die glänzende Zukunft sich verwirklichen, in welcher Dein Vater Dich wiegt?«

Am andern Tage nach Rozats Liebeserklärung empfängt Leonie die Nachricht von der Nichtbezahlung zweier abgegebener Wechsel, welche man zur Wiedereinlösung vorweisen werde. An diesem Tage noch sollen die achttausend Franken bezahlt werden; aber seit langer Zeit hat Karls Kasse für solche unvorhergesehene Zufälle keine Hülfsgelder mehr. Leonie läuft eiligst zu ihrem Manne, welcher gerade einige Saiten über seine Violine spannt, sie zeigt ihm den eben erhaltenen Brief mit dem Ausrufe: »Wie machen wir's? eine solche Summe haben wir nicht! doch müssen diese beiden Tratten eingelöst werden, ehe wir von den Ausstellern bezahlt sind.«

»Teufel!« spricht Karl, »haben wir diese achttausend Franken nicht in der Kasse? – Brauchen könnten wir's wohl! ... Wenn Du häufiger in unsere Bücher schautest, würdest Du unsere Lage besser kennen. – Wahrlich, ich kann nicht immer an die Bücher festgebannt sein! ... Eine schlechte Quintsaite das ... hat Knoten, ich wette, sie bricht. – Bedenke, lieber Freund, daß man heute noch wegen der Einlösung kommen wird! – Ich verstehe wohl ... heute ... schau! ... krach ... was hatte ich Dir gesagt? ... schlechte Quinte, taugt nichts! – Ich kann Deine Gleichgültigkeit nicht begreifen, Karl, es handelt sich hier um die Ehre Deiner Unterschrift und Du hörst mich nicht. – Bitte um Vergebung, liebe Freundin, ich höre und verstehe Dich, aber ich sehe die Nothwendigkeit nicht ein, warum man augenblicklich unruhig, untröstlich sein soll! ... Ei, mein Gott, diese achttausend Franken will ich schon auftreiben! Habe ich nicht Freunde? ich stehe mit Jedermann gut! ... Ich lasse die Violine, denn ich sehe, daß Dich's ärgert; will mich ankleiden und auf den Weg machen. Ich wette, die uns nöthige Summe ist bald gefunden; wir geben sie zudem ungesäumt wieder zurück. – Ich fürchte sehr, Karl, Du möchtest über die Gesinnungen der Leute, welche sich Deine Freunde nennen, in großem Irrthum sein! – Bah! die Menschen sind nicht so schlecht, als man glaubt. Und meinst Du, ich könne auf meine Schulkameraden nicht zählen? Richtig, gestern früh begegnete ich Rozat, wie er Geld auf der Staatskasse erhoben hatte; er ist bei Kasse, ich gehe zu ihm.«

»Nein, Karl, nein, ich bitte Dich herzlich,« rief Leonie, ihren Mann am Arm zurückhaltend; »wende Dich nicht an Herrn Rozat ... es wäre mir ärgerlich ... würde mir Kummer machen. – Warum denn? – Weil ich überzeugt bin, daß er Dir's abschlüge. – O! Du hast immer eine schlechte Meinung von den Personen, die ich liebe; ich bin sicher, Rozat schlägt mir's nicht ab! – Wäre es aber nicht besser, wenn Du Dich an Deine Mutter wendetest, statt bei Freunden zu borgen? ... sie würde uns nicht abweisen.«

»Da werde ich mich wohl hüten und der Mutter meine Verlegenheit erzählen! das trüge mir Strafpredigten, Moral ein! es schiene, als wisse man sich nicht zu benehmen. Ueberdies hat meine Mutter diese Summe wahrscheinlich gar nicht; sie gab mir, was mir von meinem Vater aus gebührte und behielt nur so viel, um anständig zu leben, aber nicht, um sich noch Ersparnisse zu machen. Es bleibt dabei, ich gehe zu Rozat.«

Leonie hält ihren Gatten noch immer beim Arm; sie kann den Gedanken nicht ertragen, daß er denjenigen um einen Dienst anspricht, der am vorigen Abend seine Frau verführen wollte; sie weiß nicht, wie sie diesen Schritt verhindern soll, denn sie möchte das versprochene Schweigen nicht brechen. »Laß mich doch fortgehen, Leonie! – Ach! es würde mir wahrhaftig Kummer machen, wenn Du bei diesen Leuten da borgtest; vielleicht ist's kleinlich von meiner Seite! allein sie halten uns für reich, für wohlhabend wenigstens, und Du willst sie von dem Gegentheil belehren? – Kann man im Handel nicht in die Klemme kommen? – Freilich; allein ich kenne Madame Rozat, sie wird sagen: Herr Darville würde besser daran thun, wenn er seiner Frau keine so schönen Ohrringe kaufte und so viel in Reserve behielte, daß er seine Wechsel remboursiren kann! – Ah! Du glaubst, sie würde so sprechen?«

Diese Bemerkung bringt Karl zum Nachdenken, er scheint zu zaudern; in diesem Augenblicke tritt Mongérand in das Gemach.

»Nun, nun! was gibt's denn diesen Morgen? ich finde euch Beide etwas düster. Madame ist noch ernster als gewöhnlich, und Du selbst, Karl, siehst etwas ärgerlich aus ... hat's Ehehändel gegeben?«

»O nein! mein Herr,« versetzte Leonie, »wir haben nie Händel. – Nun, das läßt sich hören! Donnerwetter! denn ich liebe den Frieden bei meinen Freunden, wie überall. – Sieh, Mongérand, ich will Dir sagen, was uns ein wenig quält; wir haben heute noch achttausend Franken zu zahlen und diese Summe fehlt uns. – Gut, hast Du keine Freunde? – Doch ... das sagte ich auch zu meiner Frau, und als Du kamst, wollte ich gerade zu Rozat gehen, der soll mir's borgen ... – Zu Rozat? der möchte einen närrischen Borger abgeben! Ehe ich geerbt hatte, wollte er mir nie hundert Franken leihen, unter dem Vorwand, das Heimgeben würde mich in Verlegenheit bringen; so wie ich aber einmal Geld hatte, o! da bot er mir seine Börse an! Ei und warum wendetest Du Dich nicht lieber an mich, als an Rozat? ... ich bin, glaube ich, zum mindesten eben so gut Dein Freund, als er ... – Aber Mongérand, ich wußte nicht, ob ... – Ob ich bei Kasse sei ... O! ich habe noch nicht Alles durchgebracht! so viel ich weiß, habe ich noch acht bis neuntausend Franken. Ist nichts mehr vorhanden, so will ich wieder ans Geldverdienen denken. Laß hören, wie viel brauchst Du? achttausend Franken? – Ja. – Warte zwanzig Minuten, ich nehme ein Cabriolet ... an der Ecke sage ich, man solle uns Austern aufmachen ... sogleich bin ich dann zurück.«

Noch ehe man ihm antworten konnte, war Mongérand weg, und noch sind die zwanzig Minuten nicht verflossen, als er mit dem Geld wieder erscheint und es mit den Worten auf den Schreibtisch legt: »Da hast Du, was Du brauchst, jetzt bist Du ruhig, komm, laß uns frühstücken!«

»Diesen Dienst werd' ich Dir nie vergessen, Freund,« entgegnet Karl, seinem Kameraden die Hand drückend. – »Geh doch! ist's nicht ganz natürlich? Komm, frühstücken! – Aber mein Mann hat Ihnen keinen Schein gegeben,« bemerkt Leonie ... »Warten Sie! das ist gleich geschehen ... – Einen Schein! ... für wen halten Sie mich? ... seid ihr Betrüger, eins oder das Andere? Nein, nein, nie einen Schein unter Freunden, das ist unnöthig! ... Vorwärts, Karl.«

Karl küßt seine Frau und raunt ihr ins Ohr: »Glaubst Du jetzt, daß dieser mein Freund ist?«

Seine Frau erwidert nichts, allein seufzend spricht sie bei sich selbst: »Ach! vielleicht ist's ein Unglück, daß wir ihm Verbindlichkeiten schuldig sind! ...«


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