Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.

Völlige Zerrüttung.

Den Tag nach einer Orgie steht man noch immer unter dem Einflusse der geistigen Getränke, die man im Uebermaß genossen; der Geist ist gedrückt, das Herz krank, der Körper gelähmt; man kann nichts thun, das heißt, sich keiner Arbeit, welche Aufmerksamkeit und Richtigkeit des Urtheils erfordert, mit Erfolg unterziehen; aber die Ausschweifungen des vorigen Tages wieder von Neuem beginnen, kann man sehr gut: dies thun auch gewöhnlich jene wackern Zechbrüder, welche behaupten, das sei kein gutes Fest, welches nicht sein Nachfest habe.

Seiner Gewohnheit gemäß ging Karl aus, unter dem Vorgeben, die Luft werde ihm gut thun. Auch Leonie hätte Ausgehen, Bewegung nöthig, ihr Zustand erfordert es und ihr Arzt rieth es ihr an; verließe sie jedoch das Haus, so wäre Niemand da, der über irgend etwas Rede stehen könnte; ihr alter Commis ist nicht mehr bei ihnen und sein Nachfolger noch wenig mit den Geschäften vertraut; Leonie bleibt zu Hause, weil ihr Mann nicht da bleiben will.

Karl denkt an die schöne Helene, doch ist er nicht mehr in jenem Zustande der Trunkenheit von gestern, und trotz seines Wunsches, das junge Frauenzimmer wiederzusehen, zaudert er, besinnt sich; es gibt sogar Augenblicke, wo er sich sagt: »Ich würde besser thun, wenn ich nicht zu ihr ginge; denn wenn meine Frau erführe, daß ich solche Bekanntschaften habe! ... ich weiß indeß nicht, wie sie es erfahren sollte ... ich werde es ihr sicherlich nicht sagen! ... Gehen wir einmal zu Mongérand.«

Dieser liegt noch im Bette, als Karl in sein Zimmer tritt; er war ebenfalls unpäßlich und hatte keine Gattin, die seiner pflegte.

»Bist Du unwohl gewesen wie ich?« fragt Karl seinen Freund. – »Ja, ein wenig; o! das ist nichts; mit drei oder vier Cigarren drücken wir's hinunter, und diesen Abend sind wir frisch wie eine Rose. Ei nun! hast Du die Blonde besucht? – Nein, und ich gestehe Dir, daß ich nicht weiß, ob ich hingehen soll; wenn meine Frau entdeckte, daß ich zu ... – Mein Gott! wie dumm bist Du doch mit Deiner Frau, Du dauerst mich, Karl! hat Deine Frau nicht genug mit ihrer Haushaltung, mit ihren Kindern zu schaffen! meinst Du nicht gar, sie amüsire sich, Dir nachschleichen zu lassen? –

O! nein, das sage ich nicht. – Was schwatzest Du dann? Vorausgesetzt, daß ein Mann nur seine beiden Ohren wieder ganz nach Hause bringt, hat man ihn weiter nichts zu fragen; dann immer artige, zuvorkommende Behandlung; so ist eine Frau glücklich wie der Fisch im Wasser. – Ah! diese Helene ist sehr verführerisch. – Uebrigens sage ich Dir ja nicht, Du sollest sie zur Maitresse nehmen; gefällt sie Dir, hast Du eine Laune für sie, so befriedige diese und damit Punktum: aber binde Dich nicht; nur Einfaltspinsel begehen die Dummheit, sich zu binden. – Ja, ich weiß wohl, ich könnte zu ihr gehen, ohne deßhalb ... Aber sieh, ich kenne mich, sehe ich sie wieder, so erhitzt sich mein Blut aufs Neue! Bestimmt, ich thue besser, wenn ich nicht hingehe. – Du mußt mir indeß die Gefälligkeit erweisen, wenigstens einmal hinzugehen, um sie zu bitten, daß sie Heloisen um Rücksendung meines Ringes angeht. Ich mag mit Madame Stephano nichts mehr zu thun haben, ihr Benehmen von gestern ärgert mich; allein ich will meinen Ring! und sie soll ihn mir zurückschicken, oder ich schlage alle Spiegel in ihrem Hause entzwei; das sagst Du der Cousine. – Wohlan, es sei! ich gehe ein Mal Dir zu gefallen, dann aber nicht wieder. – Das ist Deine Sache.«

Helene war eines von den Frauenzimmern, welche Putz- und Vergnügungssucht vom rechten Wege abgeführt hatte; da sie einige Erziehung genossen, war sie nicht lächerlich, wenn sie ihre stolze und höhnische Miene annahm. Ihre Schönheit hatte zahlreiche Verehrer herbeigelockt; einem sehr reichen Fürsten, der sie mit Geschenken überhäufte, war sie nach Rußland gefolgt; bald aber wurde sie Rußlands und des Fürsten satt; mit einem Rest ihres großen Reichthums war sie nach Frankreich zurückgekehrt, lebte auf hohem Fuße, und bis sie denjenigen auserwählt, welcher den russischen Fürsten würdig ersetzen sollte, erlaubte sie sich als schöne Frau einige Launen und Grillen, welche indeß keine weitere Folgerung zuließen.

Die Cousine der Madame Stephano bewohnte ein schönes, im besten Geschmack möblirtes Gemach. In Helenens Wohnung angelangt, ward Karl durch die überall um ihn herrschende Eleganz eingeschüchtert, und sprach bei sich selbst: »Als ich gestern die Eroberung dieser Dame gemacht zu haben wähnte, war ich betrunken. Mongérand spricht von ihr, als wenn man nur kommen dürfte; er irrt sich! ich glaube, zwischen den beiden Cousinen ist eine große Verschiedenheit.«

Karl wird angemeldet und eingeführt; das holde Lächeln, mit dem man ihn empfängt, verleiht ihm wieder etwas Sicherheit. Helene sitzt auf einem Sopha, gibt ihm ein Zeichen, neben ihr Platz zu nehmen, wobei sie sagt: »Ich erwartete Sie.«

»Sie erwarteten mich? – Gewiß! habe ich Ihnen nicht gestern erlaubt, mich zu besuchen? Und wenn ich solches gestatte, pflegt man's zu benützen. – Ich glaub's ... – Gestern werden Sie sehr böse gegen uns gewesen sein? ich wollte auf Sie warten, aber Heloise und der Herr haben mich beinahe mit Gewalt fortgezogen unter der Versicherung, es werde eine Schlägerei geben. – Nein, Alles ging gut vorüber, allein Mongérand ist gegen Madame Stephano aufgebracht. – O! sie werden sich wieder aussöhnen. – Er bittet Sie durch mich, Sie möchten ihr den ihm genommenen Ring wieder abfordern. – Ah! das wäre ... verlangt man je etwas von Damen zurück! Herr Mongérand hat keine Lebensart ... Treten Sie doch näher ... fürchten Sie sich vor mir? – Das denken Sie selbst nicht. – Man möchte es aber beinahe glauben. – Ich erwiedere Mongérand, daß Sie seinen Auftrag nicht übernehmen? – Ja, sagen Sie ihm, daß ... ha! ha! ha! ... sind Sie nur hiehergekommen, um mir von Ihrem Freund und seinem Ring zu sprechen?«

Diese Frage ist von lieblichen Blicken und einem Lachen begleitet, welches die reizendsten Zähne sehen läßt. Karl weiß nicht mehr, wo er ist. Beinahe schlägt er die Augen nieder. Helene lacht noch mehr, so daß er sich am Ende selbst sagt: »Ich glaube, ich stehe wie ein Tölpel hier.«

Um sich ein anderes Ansehen zu geben, fängt er an, Helenens Hand zu ergreifen und zärtlich zu küssen; da die Augen der schönen Frau ihm zu sagen schienen: »Nun, das laß ich mir gefallen!« raubt er bald einen Kuß von ihren Lippen, und dann von ihrem Busen. Allem nach ist die Handlungsweise völlig nach Helenens Geschmack und so endigt sich dieser Besuch erst, wie Karl nichts Weiteres mehr zu rauben findet.

Noch ganz betäubt von seinem Siege, verläßt er Helene; sein Glück setzt ihn in Erstaunen; es drängt ihn, dasselbe mitzutheilen; zu Hause kann er aber eine solche Mittheilung nicht machen, er möchte im Gegentheil die Erinnerung an sein Haus und seine Ehe aus seinem Gedächtniß verbannen! er sucht daher Mongérand auf, welchen er im Café im Gespräch mit mehreren Freunden findet. Karl zieht ihn auf die Seite.

»Du siehst den Glücklichsten der Männer. – Desto besser für Dich. – Ich habe über Helene triumphirt. – Das hättest Du mit vielen Andern gemein. – Ach, mein Freund, sie ist reizend, anbetungswürdig! – Bist Du doch wunderlich, und um mir das zu sagen, nimmst Du mich auf die Seite ... Meine Herren, Karl hat so eben eine Eroberung gemacht und ist darob ganz verwundert.«

Mongérand tritt wieder zu seinen Freunden, Karl folgt ihm mit den Worten: »So schweig doch! – Warum schweigen? sollte man nicht meinen, Du kommst von der Jungfrau von Orleans! Und mein Ring? – Kurz, es ist unnöthig, daß Jedermann um mein Abenteuer weiß. – Ah! er ist einzig; er glaubt, er habe ein seltenes Abenteuer gehabt. Und mein Ring, Donnerwetter? – Sie übernimmt es nicht, ihn zurückzufordern. – Gut, gut, so fordere ich ihn selbst zurück! wenn ich Heloise treffe, dann wollen wir etwas ernsthaft mit einander reden. – Ich führe sie diesen Abend ins Theater. – Heloise? – Ei nein, Helene! sie wünscht in die Oper zu gehen und hat mich gebeten, sie hinzuführen. – Ah so! einen Augenblick ... Du fliegst ... Du fliegst wie eine Elster; hoffentlich führst Du sie wenigstens in eine geschlossene vergitterte Loge, wenn's Dir möglich ist, damit Du Dich nicht allen Blicken mit ihr aussetzest. Vergiß nicht, daß Du verheirathet bist! ... belustige Dich, habe Maitressen! ... das ist gut, allein bewahre die Rücksichten und gute Behandlung gegen Deine Gattin, sonst werde ich böse mit Dir. – Sei ruhig, ich gehe viel lieber in eine vergitterte Loge! – Hm, Schurke! Du wirst höchst liederlich; ich werde auf Dich Acht geben müssen, denn sonst würdest Du Dich zu Grunde richten.«

Karl speiste mit seinen Freunden, und Abends trifft er wieder mit seiner schönen Helene zusammen, die er ins Theater führt. Da jedoch Alles ein Ende nimmt und Karl noch nicht gewohnt ist, außer dem Hause zu schlafen, geht er um zwei Uhr Morgens heim, noch ganz außer sich über seine Eroberung. Der Anblick seiner schlafenden Gattin, der Wiege seiner Tochter, wirft einigen Schatten auf die wollüstigen Bilder des Tages. Noch eilfertiger als gestern entkleidet er sich und sucht im Schlafe Vergessenheit und Täuschungen.

Leonie ahnt nicht, daß ihr Gatte eine Maitresse habe, indeß bemerkt sie, daß er sich von ihr entfernt, sie auf jede Weise vernachlässigt, was er bisher nicht that; aber sie will keine Klage führen, denn seit ihre Schwiegermutter dem Sohne Vorstellungen machte, bewies dieser seiner Frau weniger Liebe.

Karl ist keiner von den Menschen, welche eine Schwäche durch geheimnißvollen Schleier entschuldigen. Zwar möchte er nicht, daß man ihn mit Helene träfe, will sie aber zu einem Traiteur, ins Schauspiel, auf das Land geführt sein, so wagt er keine abschlägige Antwort. Ohne sie gerade zu unterhalten, macht er ihr doch häufig Geschenke; für Helene, welche an die Gaben eines russischen Fürsten gewöhnt ist, sind dies nur Kleinigkeiten; er muß seine Kasse angreifen oder borgen. Karl fühlt, daß er Dummheiten begeht, aber er geht immer den gleichen Weg fort. Ist er zu Hause, so verursacht ihm der Anblick seiner Frau und Tochter ein gewisses Mißbehagen.

»Du küssest mich nicht mehr, wenn Du ausgehst,« sagt Leonie zu ihm. – »Du nimmst mich nicht mehr in Deine Arme, Papa!« die kleine Laura.

»Ah! ... ich bin so sehr von meinen Geschäften eingenommen. – Liebst Du uns nicht mehr, mein Freund?« fragt Leonie. – »Doch ... o! ich liebe euch immer ... allein man erwartet mich und ich habe keine Zeit, mich aufzuhalten.«

In der Eile gibt er Frau und Tochter einen Kuß und geht, um sich über sein Verfahren zu betäuben. Unglücklicher Weise gelingt ihm dies nur zu schnell; kaum ist er weg, so vergißt er sein Hauswesen und denkt nur noch an seine Zerstreuung, entweder mit seinen Freunden oder seiner Maitresse, und den folgenden Tag fängt er aufs Neue an, um sich aufs Neue zu übertäuben.

Leonien erlaubt ihre Gesundheit das Arbeiten am Schreibpult nicht mehr; entsetzt über die Zerrüttung ihrer Angelegenheiten, hat sie nicht einmal mehr die Kraft dazu. So kommt das Ziel ihrer Schwangerschaft heran und sie schenkt einem Knaben das Leben; dies würde sie mit höchster Freude erfüllen, wenn ihr Mann gegenwärtig wäre, um die Freude mit ihr zu theilen. Aber am Tage von Leoniens Niederkunft ist Karl vom frühen Morgen an abwesend, vergebens sucht man ihn überall; eine Fremde empfängt ihren Sohn und gibt ihm den ersten Kuß.

Die arme Leonie hofft, das Glück, einen Sohn zu haben, werde den Gatten vernünftiger machen; jeden Augenblick erkundigt sie sich, ob er nicht zurückgekommen sei. Der Tag vergeht, ohne daß Karl nach Hause kommt; erst nach Mitternacht trifft er ein, bleich und matt von seinen Ausschweifungen. Ganz erstaunt bleibt er stehen, als ihm eine Wärterin ein neugeborenes Kind reicht.

»Ein Knabe ist's, mein Freund,« ruft Leonie aus, welche ihren Gatten heimkommen hörte. – »Ah! ein Knabe! ... Wie, Du bist entbunden? – Ja, im Laufe des Tages ... O! ich litt sehr, und Du warst nicht da! – Hätte ich's gewußt, so ... – Ja, ich will gerne glauben, daß wenn Du es gewußt hättest, Du wenigstens nach Hause gekommen wärest ... Aber so küsse doch Deinen Sohn, freut Dich's nicht, daß Du einen Sohn hast?«

»O! freilich, es freut mich sehr!« Karl nimmt das Kind, betrachtet es genau und küßt es. Da vergißt die arme Mutter die Leiden des Tages.

»Ein prächtiges Kind!« sagt die Wärterin. – »Ja, ich finde es auch sehr schön ... Und die Amme? – Man hat ihr geschrieben, morgen wird sie hier sein. Ein Knabe, ein Knabe! ach! welche Freude; ich bin sicher, Karl, er wird Dir gleichen! – Er wird mir gleichen? sagst Du ...«

Karl schlägt die Augen nieder, er schämt sich beinahe. Schnell gibt er das Kind der Wärterin zurück und spricht zu seiner Frau: »Du mußt der Ruhe sehr bedürfen. – O ja! aber ich konnte nicht einschlafen, ehe ich Dich Deinen Sohn küssen sah. – Jetzt schlafe, ruhe aus; Du wirst lange das Bett hüten müssen ... Dir abwarten ... O! vor sechs Wochen lasse ich Dich nicht wieder an Deinen Schreibtisch. – Ach! ... und unsere Angelegenheiten sind sehr verwickelt. Ich kann mich nicht mehr daraus finden. – Sei ruhig, ich bringe Alles in Ordnung, denke nur an Deine Gesundheit.«

Karl läßt seine Frau allein und begibt sich in das für ihn eingeräumte Zimmer. Die Betrachtungen, die er hier anstellt, sind nicht mehr so heiter; endlich legt er sich zu Bette, während er bei sich selbst spricht: »O! wenn ich mich einmal an die Arbeit mache ... wird's schon gut gehen ...«

Den andern Tag versucht er zu arbeiten, aber sein durch Ausschweifungen erschlaffter Geist ist nicht zu den Berechnungen geschickt, die er machen sollte. Sein Commis kommt zu ihm und sägt: »Mein Herr, für das Ende des Monats haben Sie viel zu bezahlen und auf keine eingehenden Gelder zu hoffen.«

»Gut!« versetzte Karl ärgerlich, die vor ihm liegenden Bücher von sich schleudernd. »Das Alles macht mich ganz wirre im Kopf. Ich suche meine Freunde auf ... bringen Sie die Bücher in Ordnung ... das ist Ihr Geschäft.«

Während der ersten Tage nach der Geburt seines Sohnes speist Karl zu Hause und kommt nicht so spät heim; aber die Amme hat das Kind fortgenommen, seine Frau, wiewohl noch schwach, ist nicht krank; da fängt er sein gewohntes Leben wieder an, ohne auf die wiederholten Bemerkungen seines Commis zu hören: »Herr das Ende des Monats! denken Sie an das Ende des Monats!«

Karl denkt nur an eine Partie, von der ihm Helene gesprochen. Seine schöne Maitresse, plötzlich vom Landleben bezaubert, hat ein Häuschen im Thale von Montmorency gemiethet; sie fordert von ihm, er solle zwei Tage mit ihr dort zubringen.

»Mich zwei Tage von Hause entfernen, ist unmöglich!« sagt Karl. – »Unmöglich!« versetzt Helene lächerlich; »gleich großen Männern, kenne ich dieses Wort nicht. – Aber in meinem Hause ... – Werden Sie tausend Vorwände finden ... Geschäfte ... eine Geldeintreibung, was weiß ich? – Aber ... – Wie, Sie thun, was Ihre Freunde wollen und mir widerstehen Sie? – Weil ... – Genug! ich will es! ... Morgen reisen wir ab. Ich erwarte Sie um zwei Uhr; oder sehe Sie nie wieder.«

Den andern Tag dreht sich Karl im Zimmer seiner Frau hin und her. Er weiß nicht, auf welche Art er ihr seine zweitägige Abwesenheit beibringen soll. Leonie, die seine Verlegenheit bemerkt, leitet selbst das Gespräch ein: »Du scheinst unruhig ... verlegen, mein Freund ... gibt's etwas Neues? – Nein ... das heißt ... Du weißt, daß wir Gelder bedürfen. – Ich bin mit unsern Geschäften nicht mehr auf dem Laufenden, doch weiß ich, daß sie schlecht gehen. – Es bietet mir Jemand Vorschüsse an ... diese Person ist auf ... dem Lande und hat mir für heute ein Stelldichein gegeben, mir sogar das Versprechen abgenommen, daß ich den Tag mit ihr zubringe ... – Ah! Herr Mongérand ist gewiß von der Partie? – Nein; o! ich schwöre Dir, es ist nicht so. – Weit von hier? – Ja, acht Stunden ungefähr, in der Gegend von Meaux. – Das ist beinahe eine Reise ... Du hast mich nie so lange verlassen ... Aber Du wirst Morgen wieder kommen? – Ich hoffe ... – Wie, Du bist dessen nicht gewiß? – Man könnte mich aufhalten wollen ... doch nein, nein, ich komme morgen wieder.«

»Geh also,« sagte Leonie traurig, ihrem Gatten die Hand reichend, »geh, da es in unserem Interesse ist. Ich glaube Dir, Karl, Du wirst mich nicht täuschen wollen, nicht wahr?«

»O! welcher Gedanke! ... Leb wohl, liebe Freundin, gehe nicht an die Luft, Du mußt Deiner gut pflegen.«

»Adieu, Papa,« ruft die kleine Laura, ihrem Vater die kleinen Arme entgegenstreckend. – »Adieu, Töchterchen, adieu! – Du denkst an uns und bringst mir etwas mit, nicht wahr? – Ja, ich verspreche Dir's.«

Damit machte sich Karl schnell davon, wie jene Kinder, welche einen tollen Streich begehen und fürchten, der Lehrer möchte es gewahr werden. Einmal außer dem Hause, denkt Karl nur noch an das Vergnügen, welches er während der zwei Tage mit Helene auf dem Land genießen wird. Diese lächelt ihm zu, als sie ihn kommen sieht, streckt ihm die Hand entgegen mit den Worten: »Nun, das ist schön! Sie sind ein herrlicher Mann.«

Man reist ab. Noch ist man nicht lange in dem kleinen Hause, wo die schöne Frau die Landluft einathmen will, als noch mehrere galante Damen mit ihren Cavalieren eintreffen, welchen Helene auf ihrem Landhause Stelldichein gab, denn sie will hier nicht mit Karl allein leben; Helene ist nicht sentimental.

Der erste Tag vergeht mit Spazierengehen, Esels- und Pferdsritten, Tollheiten aller Art; am zweiten besucht man die merkwürdigsten Ansichten der Gegend und speist im Freien zu Mittag; am dritten will Karl nach Paris zurückkehren, aber es ist heute das Fest von Montmorency, man tanzt, und Helene verlangt, daß ihr Geliebter noch einen Tag bleibt, um sie auf den Ball zu führen. Karl kann's nicht abschlagen; unter diesen Vergnügungen findet er kaum Zeit zu einer flüchtigen Erinnerung an Paris und die, welche er dort gelassen.

Die Stunde des Balls erscheint; Helene ist bezaubernd durch Putz und Reize; beinahe stolz reicht ihr Karl den Arm. Der Ball ist stark besucht und viele junge Elegants von Paris sind gekommen, sich hier zu zeigen. Man lorgnettirt, bewundert Helenen: Karl ist ihr Tänzer, seine Augen strahlen vor Freude. Aber während eines Contretanzes ist er im Stande, das Gespräch zweier junger Leute zu hören, welche hinter ihm ihren Standpunkt genommen haben.

»Der Ball ist hübsch. – Ja, es hat schöne Frauenzimmer da. – Ich bin seit gestern hier. – Ich kam erst diesen Abend. – Welche Neuigkeiten aus Paris? – Nichts Interessantes ... Ach! das Haus Darville hat seine Zahlungen eingestellt. – Darville ... kenne es nicht. Was war es? – Ein Commissionshaus, früher sehr gut, seit einiger Zeit aber nahm es ab. Gestern hatten wir siebentausend Franken zu erheben ... nichts ... man zahlt nicht mehr ... und wir waren nicht die Einzigen ... – Ah! Teufel, das ist unangenehm ... Komm doch hieher ... da ist ein hübsches Landmädchen.«

Die jungen Leute entfernen sich. Karl steht unbeweglich, niedergedonnert, er wagt weder sich umzuwenden, noch die Augen aufzuschlagen.

»Nun, nun, mein Freund, an was denken Sie denn?« schreckte ihn Helene aus seiner Betäubung auf. »Chassiren, croissiren Sie, es ist an uns ... – Ach! Verzeihung ... Ich ... – Vorwärts doch ... jetzt en avant deux

»Im Ganzen,« spricht Karl bei sich, »ist's vielleicht gar nicht wahr ... überdies werde ich bei meiner Rückkunft Alles in Ordnung bringen ...«

Und Leoniens Gatte fährt fort, mit seiner Maitresse zu tanzen.


 << zurück weiter >>