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Vierzehntes Kapitel.

Wohnungsveränderung.

Helena bleibt auf dem Lande, wo sie sich sehr gefällt. Den Tag nach dem Ball von Montmorency kehrte Karl allein nach Paris zurück; drei Tage, nachdem er Leonie verlassen hatte, und seinem Versprechen gemäß innerhalb vierundzwanzig Stunden zurück sein sollte. In der Nähe seiner Wohnung angelangt, fällt es ihm erst ein, daß seine Frau in Unruhe sein konnte; er macht sich auf einigen Zank gefaßt, doch spricht er bei sich selbst: »Ich gebe ihr keine Antwort ... dann ist sie schnell wieder besänftigt. Leonie ist nicht bösartig ... Wenn sie nur nicht weiß, daß wir am Ende des Monats nicht bezahlten ... dieses verfluchte Ende des Monats! vorgestern war's ... es war mir völlig aus dem Sinn gekommen! ...«

In seinem Hause findet Karl Alles düster und still; sein Commis ist nicht auf dem Comptoir, der Laden geschlossen. Seine Frau befindet sich mit dem Töchterchen allein; Leonie vergießt Thränen; mit ihrer Hand unterstützt sie das sinkende Haupt, und die Röthe, das Anschwellen ihrer Augen verkündigen, daß ihre Zähren schon lange fließen.

Die kleine Laura, auf einem Tabouret zu Leoniens Füßen sitzend, überläßt sich ihren gewohnten Spielen nicht; man möchte sagen, sie theile schon den Schmerz ihrer Mutter; unverwandt hängen ihre Augen an derselben und scheinen mit Inbrunst um ein Lächeln zu flehen.

Bei diesem Anblick fühlt sich Karl gerührt; Reue steigt in ihm auf; betroffen bleibt er vor Frau und Kind stehen. Leonie hat ihn gesehen und fährt fort zu weinen, doch geht kein Wort des Vorwurfs, kein Laut der Klage über ihre Lippen. Dieses Schweigen macht mehr Eindruck auf Karl, als eine Scene und Ausbrüche des Zorns und Unmuths; er bricht das Schweigen zuerst:

»Warum denn so weinen, Leonie? ich war länger abwesend, als ich gesagt hatte, das ist wahr ... allein man ist nicht immer Herr seiner selbst ... Es scheint mir, daß ich keine Erlaubniß nöthig haben werde, um einige Tage auf dem Lande zuzubringen?«

»Nein, es steht Ihnen frei, Ihre Frau, Ihr Kind zu verlassen ... ich weiß, daß ich nicht mehr die Macht habe, Sie zu Hause zu halten ... durften Sie aber auch die Ehre Ihres Namens ... dieses Hauses, das mein Oheim Ihnen übergeben, zu Grunde richten ... durften Sie es Ihrem Vergnügen opfern? ... Ist dies die Erbschaft, welche Sie Ihren Kindern hinterlassen wollen? Und Ihr Sohn! ... der arme Kleine! Meine Thränen bezeichneten seine Geburt! eine Fremde empfing ihn in ihren Armen! ... Sein Vater harrte nicht ungeduldig seines ersten Lauts! ... und heute kümmert er sich wenig um den Namen, den er ihm lassen wird!«

»Ach, Leonie! höre auf, ich bitte Dich! das Alles ist höchst langweilig! Sieh, Laura, da habe ich Dir Pfefferkuchen und Gerstenzucker mitgebracht. Sie nehmen immer Alles auf's Schlimmste ... man hat am Ende des Monats die vorgewiesenen Billete nicht bezahlt ... allein man wird sie bezahlen.«

»Bringen Sie Geld? ...«

Karl kratzt sich hinter dem Ohr und geht im Zimmer auf und ab, wobei er stottert: »Geld ... nein ... ich bringe keins ... Ah! da Laura, nimm noch diesen Lebkuchen, ich habe ihn vergessen ... Allein ich werde Geld bekommen, ich werde schon finden, man hat mir welches versprochen ... überdies sind meine Freunde da, und Sie haben gesehen, daß ich auf sie zählen kann.«

»Wissen Sie aber auch, wie viel wir jetzt im Ganzen schuldig sind? – Meiner Treu, nein, ich weiß es nicht genau. – Ich weiß es; denn seit gestern bin ich nicht von unsern Büchern weggekommen; ich habe Alles zusammengestellt, Alles berechnet ... – Da hattest Du Unrecht! ... ich empfahl Dir, Deiner zu pflegen ... nicht zu arbeiten ... Du wirst Dich noch krank machen ... Was Teufels! Deine Gesundheit vor Allem! so will ich's ... – Ach! nur Seelenruhe würde mir diese geben! ... Nun, so wisse denn! wir schulden achtundsechzigtausend Franken! – So viel? – Ja ... denn es kamen eine Menge Leute, von welchen Sie seit drei Monaten borgten und dafür Scheine ausstellten ... Was haben Sie denn mit all' diesem Geld angefangen, mein Freund? ... – Ich weiß nicht ... allem Anschein nach hatte ich's nöthig. – Karl, antworten Sie mir aufrichtig: Sie wissen, ich bin nachsichtig! ... spielen Sie gegenwärtig? ... – Ob ich spiele? ... ja, Billard ... auch zuweilen Ecarté ... aber nie um große Summen. – Sie gehen also nicht in Spielhäuser? – Nein ... o, pfui! ... das würde mir keine Freude machen! – Kurz, wir schulden diese Summe ... Vordem wären wir, wenn wir sie bezahlt .. hätten, noch wohlhabend geblieben; jetzt haben wir nichts mehr, wenn es geschieht ... Und doch müssen wir bezahlen, Karl, wir müssen! um Ihrem Sohne keinen entehrten Namen zu hinterlassen! – Ich werde bezahlen ... das ist auch meine Absicht ... und dann sei ruhig, ich werde Geschäfte machen ... bessere ... auf unsern Handel verstand ich mich nicht ganz recht ... in einem andern Zweig werde ich jedoch glücklicher sein. Ich gehe, meine Freunde aufzusuchen und ...«

Karl schickt sich zum Weggehen an, als seine Mutter erscheint, er erräth an dem Ausdruck ihrer Züge, daß Madame Darville von dem verwirrten Stand seiner Angelegenheiten unterrichtet ist.

»Bleiben Sie, mein Herr, ich muß mit Ihnen sprechen ... in Gegenwart Ihrer Frau,« begann die Mutter, indem sie sich auf einen Stuhl niederließ. »Entsetzliches hab' ich vernommen ... wie! Sie haben Ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllt, haben Bankerot gemacht? das war man so geschäftig, mir mitzutheilen; denn es gibt immer Leute, die es drängt, uns das Herz zu durchbohren! Ist es wahr, Karl, haben Sie wirklich Ihr Haus zu Grunde gerichtet? – Meine Mutter, ich gestehe, ich habe Schulden ... aber ich werde sie bezahlen ... ich hoffe, Alles zu bezahlen ... – Sie hoffen ... so hat man mich also nicht getäuscht! ... Armer Herr Formerey! was wird aus ihm werden, wenn er diese Nachricht erhält! ... Und welches Loos bereiten Sie Ihrer Frau, Ihren Kindern? Leonie ... so sanft ... so gesetzt ... ha! Ihr Betragen ist schändlich, mein Sohn! ... eine so hübsche Frau verlassen, und öffentlich mit einer Maitresse gehen! ... ja, öffentlich; denn ich, ich habe Sie mit einer großen Blondine ins Theater gehen sehen ...«

»Großer Gott,« rief Leonie, welche mit sichtbarer Herzensbeklemmung die letzten Worte der Madame Darville hörte. »Eine Maitresse ... ein anderes Weib ... er liebt mich nicht mehr ... ach, Madame! Sie hätten es mir doch nicht sagen sollen! ...«

Leonie stößt einen tiefen Seufzer aus, ihre Augen schließen sich, sie verliert das Bewußtsein. Karl trägt sie auf ihr Bett, während er zu seiner Mutter sagt:

»In welchen Zustand versetzen Sie sie! ... macht es Ihnen Freude, sie so zu sehen? – Wie ... sie kannte Ihre Untreue nicht ... unglückliche Leonie! ... ach! hätte ich das gewußt! ... allein in der Regel bemerken es die Frauen nur zu gut, wenn ihre Männer sie betrügen! Geben Sie ihr schnell etwas aus jenem Fläschchen ... arme Frau! ... doch es wird nicht von Bedeutung sein ... man stirbt nicht daran! ... und das ist noch ein Glück ... Sorgen Sie für dieselbe ... wachen Sie über sie ... Suchen Sie Verzeihung zu erlangen ... sie wird Ihnen vergeben ... sie ist so gut ... sie kommt wieder zu sich ... darum lasse ich Sie allein ... in diesem Augenblicke wäre meine Gegenwart zu viel ... Doch hier, mein Sohn, nehmen Sie dieses ... es wird Ihnen aus der Verlegenheit helfen. Ich habe meine Renten verkauft, hier sind zwei Dritttheile des Ertrags ... das Uebrige werde ich für eine jährliche Leibrente abtreten, damit ich noch zu leben habe. Zwar haben Sie alsdann bei meinem Tode nichts mehr zu erben, aber Sie bewahren jetzt Ihre Ehre und das ist mehr werth, als Geld und Gut ... dieser Summe habe ich noch einige Ersparnisse beigefügt: da nehmen Sie diese Brieftasche; sie enthält dreiunddreißigtausend Franken. – Ach! meine Mutter! wie sehr bin ich gerührt ... – Schon gut ... sorgen Sie für Ihre Frau ... für Ihr Hauswesen ... werden Sie vernünftig; dies ist die beste Art, mir zu danken.«

Madame Darville verläßt, nachdem sie noch ihre Enkelin geküßt, das Zimmer. Karl springt seiner Frau bei. Weinend ruft Laura ihrer Mutter und bittet sie, die Augen wieder aufzuschlagen. Leonie kommt endlich zu sich, aber nur um neue Thränen zu vergießen, und um den Blicken ihres Gatten nicht zu begegnen, wendet sie den Kopf ab. Für solche Auftritte wenig geschaffen, schlägt Karl seinen gewohnten Ausweg ein, er geht fort, nachdem er seiner Tochter noch zugeflüstert: »Sage Deiner Mutter, ich werde bald wieder heimkommen.«

Er sucht Mongérand auf, welchen er auf dem Boulevard trifft; wie der ehemalige Husar Karl'n erblickt, stößt er einige Rufe der Verwunderung aus und beginnt alsdann: »Wo, Teufel, kommst Du her? Seit drei Tagen hat man Dich nicht gesehen. – Ich bin mit Helena auf dem Lande gewesen. – Pest, welch' großartige Lebensweise! – Während ich mich belustigte, gingen die Geschäfte hier schlecht! ... ich habe zu bezahlen ... viel ... meine Mutter hat mir wohl etwas gegeben, das reicht aber nicht aus. Kannst Du mir Geld leihen? – Nein, mein Freund, ich bin beinahe auf dem Trockenen. Sieh, ich dachte, ich wollte Mäkler werden; he, was sagst Du dazu? – Ich sage, daß ich in Kurzem gleichfalls etwas beginnen muß. Teufel! ich muß Geld haben. Und meine Frau erfährt so eben, daß ich mit Helena gewesen bin! nun gibt's nichts als Thränen, Seufzer! ich weiß nicht, wohin ich mich verkriechen soll. Ich gestehe, ich sehe sie nicht gerne betrübt. – Deine Frau ist kindisch genug, zu weinen, weil Du Maitressen hast? Ha! das wäre stark! ich hielt sie für vernünftiger! sie hat sich also noch nicht auf die Höhe des Jahrhunderts geschwungen? Aber sei ruhig! es wird schon kommen, sie wird sich daran gewöhnen; in einiger Zeit greift sie's nicht im mindesten mehr an. Die Hauptsache wäre jetzt, Dir Geld aufzutreiben ... Donnerwetter! wenn ich welches hätte! ... – O! ich weiß wohl! ... – Laß uns einen Gang ins Café machen ... zu den Freunden ... vielleicht findest Du, was Du brauchst.«

Die Freunde im Café, immer bei der Hand, um Billard zu spielen oder zu frühstücken, sind nicht liebenswürdig, wenn man Geld von ihnen borgen will. Diese Herren haben wohl welches zu ihrem Vergnügen, nie aber um Andere zu verbinden. Der dicke Vanflouck, der sich gerade im Café befindet und verstanden hat, welchen Dienst Karl von seinen Freunden verlangt, schluckt seinen Bittern verkehrt hinab, um schneller damit fertig zu werden, und verläßt das Café, sich stellend, als bemerke er Darville nicht.

»Da geht der Menschenfresser durch!« sagt Mongérand, wie er Vanflouck verschwinden sieht. »Ich weiß nicht, hast Du oder ich ihm Furcht gemacht, nie aber sah ich ihn eine Tafel so flink verlassen. – O! er hätte mich nicht verbinden können; er klagt beständig über die Geschäfte. – Eine pfiffige, von vielen Leuten in Anwendung gebrachte Manier, damit man sie um nichts angeht. – Ei, aber ich vergaß ... o! der ist im Stand, mir zu dienen, und wird sich nicht weigern, zu diesem will ich gehen. –

Zu wem denn? – Zu Rozat. – Rozat! seit er Aschenbrödel entführt, habe ich ihn nicht ein einziges Mal getroffen; ich glaube, er versteckt sich, wenn er mich sieht; gleichviel, ist er gefällig gegen Dich, so verzeihe ich ihm den uns gespielten Streich gerne.«

Karl begibt sich auf der Stelle zu Rozat; der schöne Blondkopf ist zu Hause; eingehüllt in seinen persischen Schlafrock; er spricht mit ziemlich aufgeregter Stimme zu seiner Frau; bei Karls Ankunft schweigt man jedoch.

»Guten Tag, lieber Freund ... ach! der gute Darville; ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen; er ist, glaube ich, dicker geworden. Celine findest Du nicht, daß Herr Darville dicker geworden ist!«

Celine wirft auf Karl einen Seitenblick und erwidert trocken: »Ich finde den Herrn im Gegentheil magerer.«

»Magerer, ah! zum Beispiel, meine Liebe, Du scherzest! nein, gewiß, er ist nicht magerer.« »Daran liegt wenig, ob ich dicker oder magerer bin,« sagt Karl, »davon ist jetzt nicht die Rede; mein lieber Rozat, ich komme, Sie um einen Dienst zu bitten ... – Einen Dienst! o! sprechen Sie, mein Freund, ich gehöre ganz Ihnen; von was handelt es sich? – Mir Geld zu leihen, und zwar so viel als möglich, denn ich habe große Zahlungen zu machen.«

Rozat wird weiß bis in die Nasenspitze, sein Gesicht verlängert sich, er zieht sein Kinn hinter die Halsbinde zurück und hustet mehrmals, während seine Frau auf Karl Augen macht, welche sagen zu wollen scheinen: »Sie müssen sehr kühn sein, um Geld bei uns zu entlehnen! sie wundert sich, daß ihr Mann noch nicht eine förmliche abschlägige Antwort ertheilt habe; allein Rozat will Karl schonen, besonders in Gegenwart seiner Frau; er fürchtet, sein Collegienfreund möchte von Madame Stephano sprechen; nachdem er noch mehrere Male gehustet, steht er plötzlich auf und sagt zu Karl: »Kommen wir in mein Kabinet, dort können wir besser von Geschäften sprechen, hier ist es zu geräuschvoll.«

»Zu geräuschvoll!« versetzt Madame Rozat mit spöttischer Miene. »O, eine saubere Ausrede, das! ... August ist in der Schule! Allem Anschein nach haben Sie Geheimnisse mit dem Herrn ... mir ist's ganz gleich!«

Rozat thut nicht, als ob er seine Frau verstünde. Karl folgt ihm in sein Kabinet. Dort angelangt, schließt der erstere die Thüre, schiebt den Riegel vor, macht das Fenster zu, endlich geht er nun auf Karl zu, drückt ihm heftig die Hand, indem er mit dumpfer Stimme murmelt: »Mein Freund, es ist mir sehr lieb, daß wir allein sind; vor meiner Frau konnte ich Ihnen keine Antwort geben ... so wissen Sie denn, ich habe Tollheiten gemacht für Heloise ... Sie wissen ja ... Madame Stephano, welche so gut singt: Und darum nennt man ... – Ja, ja, ich weiß! Zum Henker, Helena's Base. – Richtig, Helena's, in die Sie verliebt waren. Sie ... – Und die mich seit jener Zeit anbetet ... – Wahrhaftig ... Kurz, mein Freund, ich ließ mich zu Geschenken, zu Festlichkeiten hinreißen. Mit einem Wort, in diesem Augenblicke stecke ich tief in Schulden, und weit entfernt, Ihnen leihen zu können, muß ich für mich selbst Geld auftreiben. Glauben Sie mir, es ist mir äußerst leid, es Ihnen abschlagen zu müssen. – Ei, mein Lieber! da Sie's nicht vermögen, bin ich Ihnen keineswegs böse, und wenn ich welches hätte, würde ich's Ihnen sogleich anbieten. – Der gute Darville ... Ihre Angelegenheiten sind also in Unordnung? – Ein wenig. – Ich glaube, Sie haben auch eine sehr kokette Frau! – Ach nein. – O! doch, sie ist kokett, sie muß diamantne Ohrgehänge, Kaschemirs haben. – Das heißt, ich gebe ihr das Alles. – Es gibt Frauen, welche ihre Männer an so unklugen Ausgaben zu hindern wissen ... aber die Ihrige, im Gegentheil ... – Rozat, ich bin ein guter Kerl, ein sehr guter Kerl, aber ich kann es nicht leiden, daß man schlecht von meiner Frau spricht, weil sie es nicht verdient. – Mein Freund, das ist nichts Schlechtes, ich mache Ihnen nur bemerklich ... – Gut, jetzt ist's genug. Ich kann Schwachheiten, dummes, sogar einfältiges Zeug treiben, aber im Grund meines Herzens fühle ich mein Unrecht. Unglücklicherweise bin ich nie stark genug, es wieder gut zu machen ... vielleicht kommt das noch; übrigens liebe ich meine Frau, liebe meine Kinder, und wer schlecht von ihnen spricht, hat es mit mir zu thun. – Mein Gott, Sie gerathen in Zorn, haben mich unrecht verstanden. – Sie können mir den Dienst nicht leisten, desto schlimmer; auf Wiedersehen, Rozat! – Auf das Vergnügen des Wiedersehens, mein Freund! Hier, schlagen Sie diese Seitentreppe ein, da begegnen Sie meiner Frau nicht, und zudem ist's näher.«

Ohne etwas zu der von seiner Mutter erhaltenen Summe hinzufügen zu können und in Furcht vor weiteren Thränen seiner Frau, kommt Karl nach Hause. Er findet sie düster, schweigsam, doch sich bemühend, das Weinen zu unterdrücken; er theilt ihr mit, welche vergebliche Schritte er gethan, um Geld aufzutreiben und händigt ihr die Brieftasche seiner Mutter ein. Zu andern Zeiten hatte sich Leonie durch den Versuch ihres Gatten bei Rozat erniedrigt gefühlt; jetzt hört sie ruhig seine Erzählung an, ohne darüber angegriffen zu erscheinen; ein anderer, schneidenderer Kummer erfüllt ihr Herz. Es ist das Vorrecht großer Schmerzen, daß sie zu andern keine Stelle mehr übrig lassen; ein in seinen zartesten Neigungen gebrochenes Gemüth erträgt mit großer Ruhe, mit einer Art von Gleichgültigkeit alle übrigen Leiden, welche das Schicksal ihm zuschickt.

Leonie rafft ihre ganze Kraft zusammen, um aus der Lage, worin ihr Gatte sie gebracht, herauszukommen. Durch ihre Sorgfalt werden die Gläubiger berufen, die Schulden bezahlt; freilich müßte man die größten Opfer bringen. Glücklich noch, daß sie ihrem Manne einen Namen ohne Makel bewahrt, erträgt sie muthig ihren Unfall. Bei Onkel Formerey war dies nicht ebenso; als der alte Negociant vernahm, der Gemahl seiner Nichte habe die Zahlungen eingestellt, bekam er einen so heftigen Anfall der Gicht, daß er in wenigen Stunden unterlag.

Während Leonie den Brief mit der Nachricht von des Oheims Tode erhielt, empfing Karl ein zierliches Billet von Helena; die schöne Blondine meldete ihm darin, daß sie so eben einen würdigen Nachfolger für ihren russischen Fürsten gefunden habe, und bedeutete ihm, daß sie nun das Vergnügen seiner Besuche entbehren müsse.

»Da begehe man Thorheiten um solcher Weiber willen!« sprach Karl bei sich selbst, »indem er das Billet in seiner Hand zerknitterte; genau genommen, war sie eine Kokette, und es ist mir nicht unlieb, sie los geworden zu sein!«

Karl bemüht sich nun, sich seiner Frau wieder zu nähern und seine Fehler bei ihr in Vergessenheit zu bringen. Mit Sanftmuth nimmt Leonie die Liebkosungen ihres Gatten hin und sagt, ihm die Hand reichend: ich habe Dir vergeben; vergib mir auch Deinerseits, wenn ich noch traurig bin, meinen Kummer noch nicht bewältigen kann! Ich weiß wohl, daß ich eine Thörin bin, daß eine Frau nicht hoffen darf, ihr Gatte werde ihr beständig treu bleiben; allein ich hatte es geträumt! und das Erwachen fällt mir schwer.«

Man verließ die bisherige Wohnung, welche mit dem verlorenen Laden zusammenhing. Onkel Formerey hinterließ so ein dreißigtausend Franken, wovon Leonien die Hälfte zufiel; hiemit, und den Trümmern früheren Besitztums kann man schon einige Zeit hindurch die Begebenheiten abwarten. Karl will eine schöne Wohnung für fünfzehnhundert Franken miethen, Leonie brachte es dahin, daß man eine bescheidenere und minder theure nahm; beim Einziehen rief Karl aus: »So wohnen wir denn also hier bis auf bessere Zeiten, aber ich schmeichle mir, wir werden diese Gemächer bald mit eleganteren vertauschen.


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