Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel.

Eine Billardscene.

Herr Rozat ist wieder mit seinen Freunden zusammengetroffen, sein Lächeln steht wieder auf seinen Lippen und seine Stimme ist süß wie Honig.

»Ihre Frau Gemahlin ist vielleicht böse, daß wir Sie zum Billardspielen mitgenommen haben?« begann Karl.

»Nein, o nein! meine Frau will überdies nie etwas Anderes, als ich; wir sind beständig einig, nie wird ein Wort lauter gesprochen als das andere.«

»Siehst Du, Karl,« belehrt Mongérand, »das schreibt sich daher: Rozat hat mit seiner Frau auf dem rechten Fuße angefangen; er ist nicht wie ein Dummkopf, der nicht auszugehen wagt, aus Furcht, seine Frau möchte eine böse Miene machen. Pfui! ein Mann mag artig gegen seine Frau sein, gut; aber er soll sich nie geniren. Alles kommt darauf an, wie man sich gleich vom Anfang der Ehe zeigt, später geht's ganz von selbst ... und Du hast Rozat und seine Ehehälfte gesehen ... eine Lämmerwirthschaft! man möchte es auf einer Bonbonnière abmalen.«

Man tritt ins Café und geht in den Billardsaal hinein, welcher hinten hinaus liegt und zwei Billards enthält; das eine ist von drei jungen Leuten besetzt; die Neuangekommenen nehmen das andere in Beschlag, und Mongérand bestellt vor allen Dingen Punsch. Rozat wirft einen flüchtigen Blick auf die Journale, sieht nach, was man über ein neues Stück sagt, und ruft aus: »Wieder ein Grundgedanke, den man mir gestohlen ... der sechste! Ha! die Niederträchtigen! sonst können sie nichts thun! – Theilst Du denn Deine Grundgedanken Jedermann mit, daß man sie Dir stiehlt? – Ei! mein lieber Freund, es genügt, ein wenig in Gesellschaft darüber zu schwatzen; wie der Blitz machen sie ein Stück daraus; das wird in Wahrheit entsetzlich! – Warum machst Du nicht selbst das Stück daraus? – Und woher die Zeit nehmen? ich bin so beschäftigt! – Nun, ans Billard, ich will Dir Carambolagen daraus machen. Kellner! Makaronen mit dem Punsch und Biscuit, man muß dem Schlingel da etwas zu thun geben. – Mongérand, ich bitte Dich, schone meinen Sohn, er ist schon sehr lecker. – Wirst Du nicht gar Angst bekommen, wie Deine Frau? Ist er lecker, desto besser, Du warst es auch ganz schrecklich im Collegium, wann Du den Andern ihr Frühstück wegrapstest. Wohlan, meine Herren, zeiget eure Kunst; wir spielen um den Punsch.«

Mongérand ergreift einen Stab, und die Herren bekämpfen einander auf dem Billard. Herr Rozat bemüht sich, aus Eigenliebe, gut zu spielen; Karl, nunmehr fest entschlossen, diesen Tag zum Opfer zu bringen und nicht mehr zu seiner Mutter zu gehen, spielt mit Vergnügen, weil ihm das Billard Freude macht! Mongérand benetzt die Partie mit einigen Gläsern Punsch, gießt auch dem Kleinen davon ein, der schon an seiner zwölften Makarone ißt und den es bereits Mühe kostet, sein Biscuit hinunter zu würgen.

Die jungen Leute auf dem andern Billard sind Handlungscommis; sie trinken gleichfalls Punsch und überlassen sich einer sehr geräuschvollen Heiterkeit. Mehr als einmal blickte Mongérand nach ihnen hinüber und brummte: »Allem Anscheine nach gehören diese Herren zu den Leuten, die sich nur Sonntags belustigen und dabei für die ganze Woche aufladen! man muß ihnen ihr Gelärme verzeihen, wenn ich jedoch ein Journal läse, hätte ich sie schon gebeten, stille zu sein.«

»Wir erheitern uns, sie können dasselbe thun,« sagt Karl. – »Getroffen, zudem bin ich nicht streitsüchtig und liebe den Frieden, darum ärgert's mich auch, wenn ich solches Geschrei höre.«

Seit mehr als einer Stunde sind unsere Collegienfreunde bei ihrem Spiel. Herr Rozat denkt nicht an die Rückkehr zu seiner Frau, er verliert und will das Feld nicht räumen. Der kleine August indeß, welcher dem Punsch und den Kuchen unablässig zuspricht, rief schon mehrmals: »Papa, ich will fortgehen, es ist mir übel!«

Aber der Papa gab dem Sohn keine Antwort und Mongérand sagt zu dem Kleinen: »Reibe Dir den Bauch, mein Dicker, so vergeht's wieder.«

Plötzlich verdoppelt sich der Lärm bei der Partie ihrer Nachbarn; jetzt ist's kein Gelächter mehr, man streitet, man zankt sich.

»Ich hatte zwei Partien gewonnen, mit dieser hier bin ich nun nichts mehr schuldig;« schreit ein kleiner junger Mensch, der nicht viel höher, als das Billard ist, dem aber die Augen ganz aus dem Kopf heraushängen.

»Nein, nein, Du gewannst nur eine: Friedrich hat schlecht markirt. – 's ist nicht wahr, Du bist ein Betrüger. – Du, Du verwirrst allemal die Rechnung, wenn's an's Bezahlen geht. – Ich bin den Punsch nicht schuldig. – Doch, doch!«

Der Streit währte fort, ohne übrigens ernsthafter zu werden; nur der kleinere der jungen Leute war zornig, die beiden andern schienen zu lachen und ihn zu hänseln. Mongérand sagte zu seinen Freunden: »Ihr seht, sie werden nie eins werden, wenn ich mich nicht drein lege; ich muß durchaus vermitteln.«

Damit schreitet Mongérand auf die drei Handlungscommis mit den Worten zu: »Was gibt's da, meine Herren, laßt hören, ich will die Sache in Ordnung bringen.«

»Papa, ich will fortgehen, ich habe jetzt Bauchweh,« rief der kleine Rozat weinend.

»Gut, gut, August, sogleich, Du hättest bei Deiner Mutter bleiben sollen. He, Herr Darville, während Mongérand da unten perorirt, wollen wir beide eine Partie spielen; ich spiele um meinen Verlust. – Gerne.«

Die jungen Leute suchen dem Militär den Grund ihres Streites der nicht sehr ernsthaft ist, zu erklären.

»Ich weiß bestimmt, ich habe drei Partien gewonnen,« sagte der Kleinste, »und Friedrich sagt, es sei nicht wahr.«

»Sagt der Herr zu Ihnen, es sei nicht wahr, so ist dies das Nämliche, als wenn er sagte, Sie hätten gelogen. Folglich beleidigt er Sie, das ist klar; ich meine, Sie dürfen das nicht dulden. – Nein, mein Herr, ich beleidige ihn nicht; er behauptet, ich hätte die Partie falsch markirt. – Ihr Freund glaubt also, Sie wollen ihm unrecht thun, ihn bestehlen, für wen hält er Sie? – Er sagt sogar, ich betrüge ihn. – Sie betrügen ihn! Donnerwetter! einem Menschen sagen, er betrüge! und Sie haben ihm nicht eins ins Gesicht geschlagen? das ist so viel, als wenn er Sie einen Spitzbuben hieße! Sie sind dem Herrn ein Paar Ohrfeigen oder einige Klingenhiebe schuldig. – Aha! verstehst Du, Friedrich, Du hast mich beleidigt. Ich will mich rächen.«

Und das junge Männchen will auf seinen Freund losspringen, es will sich schlagen, schreit und kennt sich nicht mehr; doch gelingt's einem andern Ruhigeren, ihn abzuhalten, indem derselbe bemerkt:

»Willst Du Dein Maul halten, Benard! Schlägt man sich unter Freunden? Höre nicht auf den Herrn! was hat er nöthig, sich in unsere Sachen zu mischen, Dich aufzubringen? Haben wir ihn um Rath gefragt? Er soll uns in Ruhe lassen!«

»Was ist das für ein Ton, junger Milchbart!« rief Mongérand, seinen Schnurrbart zwirbelnd; »glauben Sie, Sie können mit mir reden, wie mit Ihren Hasenfüßen von Kameraden. Was schere ich mich um solche Naseweise!«

Auf das Wort Naseweis laufen die jungen Leute nach Billardstöcken und wollen über den Militär herfallen. Dieser hat seinen Stab in der Hand, schlägt ein Rad damit, wie mit einem Säbel und schreit, während er sich so vertheidigt, fortwährend:

»Ja, ihr seid naseweise Ellenmeßreiter, und ich will euch allen Dreien euer Theil geben.«

»Wir werden Ihnen zeigen, daß man nicht Soldat zu sein braucht, um sich schlagen zu können. Rufen Sie nur Ihre Freunde herbei, wir wollen nicht Drei gegen Einen sein. – Gerne, wir sind auch unserer Drei, und wenn ich nicht allein abkomme, werden meine Freunde die Partie vervollständigen. Herbei Karl, Rozat, es handelt sich darum, Kugeln mit diesen Herren zu wechseln, nur um zu sehen, ob sie zielen können.«

Seit der Handel ernstlicher geworden ist, macht sich Rozat viel mit seinem Sohn zu schaffen; ex nimmt ihn auf den Arm, befühlt ihn, fragt ihn aus und ruft: »Ach, mein Gott! der Junge ist krank ... sehr krank ... eine Indigestion ... wird zu viel Punsch getrunken haben ... er hat seinen Schwindel ... ich muß ihn schnell nach Hause tragen. Armes Kind, was wird seine Mutter sagen?«

Herr Rozat greift eiligst nach seinem Hut und verschwindet mit seinem Knaben in dem Augenblick, wo der Besitzer des Café, durch den Lärm herbeigezogen, in den Billardsaal tritt.

Karl nähert sich Mongérand, fragt, was es gebe, und statt aller Antwort sagt ihm sein Freund: »Wir werden uns morgen früh mit diesen Herren schlagen, das ist abgemacht, ich bestimme die Stunde des Zusammentreffens, hinsichtlich der Waffen habe ich Pistolen gewählt; sorge für nichts, ich habe welche und hole Dich in Deinem Hause ab.«

Mit dieser Erklärung ist Karl nicht sehr zufrieden; er sieht nicht ein, warum er sich mit Leuten schlagen soll, mit denen er kein Wort gewechselt hat. Aber der kleine Commis, welchen die andern Benard nennen, macht einen Höllenlärm; in der Hand hält er vier Queues, läuft besessen um die Billards herum, will sich augenblicklich schlagen, gleichviel mit wem, und inzwischen hat er schon zwei Lampen zerbrochen.

»Meine Herren, ich dulde keine Händel in meinem Hause,« sagt der Herr des Café mit festem Tone; »ihr geht auf der Stelle fort und macht die Sache draußen ab, oder ich lasse die Wache holen und euch arretiren.«

»Sie lassen uns arretiren, Sie!« entgegnet Mongérand, den Wirth von Kopf bis zu Fuß betrachtend. »Ha! das wäre, das möchte ich doch einmal sehen; und seit wann ist's verboten, sich in einem Café zu streiten, wenn's mir gefällig ist, mich mit den Herren zu schießen; was kommt Sie an, daß Sie sich in unsere Angelegenheiten mischen wollen?«

»Ich, ich will mich auf der Stelle schlagen. Ich will mich schlagen, so lang ich im Zorn bin!« schreit der kleine Benard; »ich will den großen Lümmel lehren, mich einen Ellenmeßreiter zu heißen. – Schon gut, Männchen, ich will Dir morgen Dein Theil geben.«

»Und ich will es Dir sogleich geben.«

Hiemit ergreift der junge Mann einen Stuhl und wirft ihn nach Mongérand's Kopf; dieser aber sieht das Möbel auf seine Stirne zufliegen, beugt sich zur Seite und der Stuhl trifft Karl gerade ins Gesicht.

»Warte, Karl, ich räche Dich!« schreit Mongérand: alsbald stiegen Punschnapf und Gläser nach dem Kopf der Commis, welche im Begriff sind, das Schuldige heimzugeben, als die Kellner des Café, von ihrem Herrn herbeigerufen, sich ins Mittel legen und die Kämpen austreiben. Wohl oder übel, sind die jungen Leute auf der Straße: Mongérand folgt ihnen unter dem Ruf: »Einen Augenblick, meine Herren, wartet auf mich ... halt, ich lasse euch nicht aus den Augen ... wir wollen Zeit und Ort auf morgen bestimmen. Komm, Karl, folge mir; alsdann kehren wir wieder um und erklären uns mit dem Herrn Cafétier, der einen gar zu hohen Ton anstimmt.«

Mongérand ist fort; Karl will hinterdrein, noch ganz betäubt von diesem Auftritt und dem Tabouret, welches ihm das Gesicht wund schlug; allein der Herr des Café hält ihn zurück mit den Worten: »Einen Augenblick, mein Herr, wenn's gefällig ist; wenn ich die drei jungen Leute da abziehen ließ, so geschah's, weil ich sie kenne, sie arbeiten in einer Handlung hier in der Nähe, und ich weiß, wo ich sie finden kann, um für ihre Zeche und was sie zerbrochen, mein Geld zu erhalten; Sie aber, mein Herr, kenne ich nicht und ... – Richtig, mein Herr. O! ich will bezahlen. Verzeihung, ich dachte nicht daran; ich war durch diesen Auftritt so überrascht ... – Sie haben da einen entsetzlich streitsüchtigen Freund, dem ich nicht rathe, wieder zu kommen und Lärm zu machen, denn ich dulde es nicht. – Ich versichere Sie, er ist nicht bösartig, vielleicht ist ihm der Punsch in den Kopf gestiegen. – Sie sind im Gesicht verletzt, Herr, wollen Sie Wasser, Verband? – Danke, es ist nichts; einige Quetschungen an der Nase, nur unangenehm, weil man's so sieht.«

Karl bezahlt Punsch, die zerbrochenen Gläser, die Billardkosten und geht aus dem Café in der Meinung, er werde Mongerand auf der Straße finden, sieht aber weder seinen Freund, noch seinen Gegner; er ruft den Namen Mongerand, keine Antwort.

Der junge Mann zögert, geht mit sich zu Rathe, er hat keine große Lust, Mongerand nachzulaufen, um sich den andern Tag zu schlagen.

»Er sagte, er wolle mich in meinem Hause abholen,« spricht Karl bei sich selbst, die Straße entlang gehend. »Meiner Treu, ich will ihn gern davon entbinden. Ueberhaupt, warum sollte ich mich mit den jungen Leuten schlagen? Zwar habe ich einen Stuhl ins Gesicht erhalten, allein nach ihm hatte man geworfen. Teufel von Mongerand, er ist ein guter Kerl, ein alter Kamerad; es freute mich, ihn wieder zu sehen; allein er war immer ein großer Lärmer. Rozat ist fort, er hat den Ausgang nicht abgewartet. Daß ich diesen Tag so zubringen würde, darauf war ich nicht gefaßt; an all dem ist indeß der Omnibus Schuld, oder vielmehr der Regen, denn sonst wäre ich zu Fuße zu meiner Mutter gegangen, hätte bei ihr gespeist, und auf morgen kein Duell.«

Der Gedanke an dieses Duell ist Karl sehr widerlich. Plötzlich kommt ihm ein Einfall, der ihn erleichtert; Mongerand kennt seine Adresse nicht, er hatte sie ihm noch nicht gegeben, wie sollte er ihn also am andern Tage abholen können?

»Meiner Treu! ich werde ihm nicht nachlaufen und sie ihm geben,« spricht er bei sich selbst; »erst halb zehn Uhr ... wenn ich zu meiner Mutter ginge ... ja, man wird mich schmähen; ich sage, es sei mir ein Unfall zugestoßen, ich sei auf dem Wege zu ihr gefallen, und meine Schramme an der Nase mag als Beweis dienen. So sei's! eilen wir in die Straße Verte.«


 << zurück weiter >>