Klabund
Roman eines jungen Mannes
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XV

Wie schön war Lili, wenn man mit ihr im Café saß und stundenlang ihr Profil betrachten durfte, das von einer braunen tropischen Lebendigkeit war. Palmen, in denen Affen schaukelten, und sich mit Kokosnüssen bewarfen – in denen Papageien schillerten und fliegende Hunde krächzend schwirrten – blühten in ihren dunklen Augen auf. Draußen durch die Glasscheiben winkte der Frühling mit grauen Ästen, die der Wind gegen die Scheiben schlagen ließ.

An was sollte man glauben, wenn nicht an Lilis bronzenes Gesicht?

Eines Tages, als sie durch die Anlagen gingen, erzählte ihm Lili, während sie den Schwänen Semmelbrocken zuwarf, daß sie seit einigen Wochen heftig an Rücken- und Seitenstechen, an Kopfschmerzen und Schwindelanfällen zu leiden habe und sich immer erbrechen müsse. Sie habe ihn nicht ängstigen wollen und deshalb bis jetzt geschwiegen. Sie halte es für Rheumatismus.

Josua sagte, sie möchte doch lieber einmal einen Arzt konsultieren. Es wäre auf alle Fälle besser. Dabei starrte er auf ihren Gürtel.

Sie erschrak.

Ihr wurde plötzlich übel. Ihr schwindelte. Sie hätte erbrechen mögen.

Sie setzten sich auf eine Bank.

»Es gibt ja allerlei Mittel,« sagte Josua, »weiße Pulver, verschiedene Teearten. Aber ich verstehe mich nicht darauf. Wenn du Wert darauf legst, will ich mich bei einem befreundeten Apotheker danach erkundigen.«

Sie hörte nicht zu.

Mechanisch zählte sie die Schwäne. Die Wolken. Die Menschen, die vorüberkamen.

Sie strich sich die Kleider über den Schoß zurecht. Sie zuckte zurück. Sie hatte ihren Schoß berührt! Wie sie sich ekelte! Ich kriege ein Kind ...

Sie spukte auf den Rasen.

Von dem Kerl, der neben mir sitzt. Den ich liebe, ich weiß nicht, warum. Der mir nicht einmal die Treue bewahrt.

Sie mußte aufstehen. Sie konnte ihn nicht mehr ertragen (und ich habe ihn so oft getragen: auf meinem Leibe, jetzt muß ich ihn auch noch in meinem Leibe tragen).

Er war ihr widerwärtig.

Mit leisen Schritten, ohne zu grüßen, ging sie von dannen.


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