Klabund
Roman eines jungen Mannes
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XIV

Als Lili Josua am frühen Morgen verließ, begegnete ihr am Korridor Maruschka, die gerade den Kaffee bringen wollte. Lili hielt sie an. Ihre Lippen zitterten.

»Wissen Sie, ob er noch eine andere liebt?«

Maruschka blickte verwundert die schöne elegante Erscheinung an, die wie eine Vision im dämmernden Korridor vor ihr aufgetaucht war.

»Nein, meine Dame. Ich bin das neue Dienstmädchen. Ich bin erst vorgestern aus Posen gekommen.«

Lili schloß einen Moment die Augen.

»Es ist gut. Aber Sie werden mir sagen, wenn er eine andere liebt. Und wir werden gute Freundinnen sein. Ich heiße Lili.«

Maruschka war selig, daß eine so vornehme Dame sie ihrer Freundschaft für würdig hielt.

»Ja, meine Dame, wenn es an mir liegt.«

Lili drehte sich noch einmal um.

»Kommen sie her, Maruschka,« sie traten hinter das Glasfenster der Tür, »Sie sind hübsch Maruschka.«

Maruschka lächelte verträumt. Welch eine weltstädtische Dame!

»Und voll. Das lieben die Männer. Sie werden ihn in Versuchung bringen.«

Lili stöhnte.

»Ich will seine Liebe prüfen. Werden Sie es tun?«

Maruschka war gebannt von der fremden Dame, die ihre Freundin sein wollte.

»Und nenne mich einfach Lili!«

Da hätte Maruschka fast vor Freude geweint.

»Ja, ich will's tun, meine Dame.«

Maruschka träumte den ganzen Tag von ihrer schönen, vornehmen Freundin Lili. Als sie am Abend auf ihr Zimmer gehen wollte und bei Josua vorbeikam, stellte der gerade seine Schuhe heraus.

»Ah, Maruschka! Kommen Sie doch herein! Leisten Sie mir ein bißchen Gesellschaft.«

Maruschka zögerte nicht. Nun ist die Stunde da, ihn zu prüfen, dachte sie.

 

Als sie ihn verlassen wollte, hielt er sie noch einen Augenblick zurück:

»Höre, Maruschka, daß du der Dame, die mich manchmal hier besucht, nichts sagst!«

»Doch, Herr, doch.«

Josua wurde ärgerlich: »Du bist verrückt.«

Er griff hintern Schrank:

»Hier, sieh diese Reitpeitsche. Wirst du ihr etwas erzählen?«

Sie sah ihm fest ins Auge:

»Ja!!«

Da lag ihr ein blutroter Striemen über Stirn, Nase und Wange quer im Gesicht.

Sie aber fühlte nur: er ist ihr treulos, meiner Freundin Lili. Er liebt sie nicht mehr ...


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