Paul Keller
Drei Brüder suchen das Glück
Paul Keller

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An Bord

Graf Luwowsky ging aufgeregt an Bord hin und her. Die Heiratspläne des Kommerzienrats gefielen ihm durchaus nicht. Wenn er Irene Bruckner heiratete, was sollte er dann mit so einer unmöglichen Schwiegermutter, wie Sabine Sabina? Und wenn, wie der Alte es träumte, Sabine noch Kinder bekam, was sollte er mit solch winzigen Schwägerlein, die das Erbe aufteilten? Ungeheuer lächerlich war das alles, wie der Alte ein lächerlicher Narr war! Zum Teufel! Seine Pläne scheiterten. Jawohl, er wollte Irene Bruckner heiraten. Aber doch nicht aus Liebe! Was hatte er – Pavel Luwowsky – mit Liebe zu tun? Liebe? Das ist ein Schwächezustand für Pennäler, für Landbewohner und mondsüchtige Kälber! Aber doch nicht für moderne Menschen! Nein, ganz brutal gesagt, er wollte eben das viele Geld des Mädels, die Millionen Bruckners! Kommt jetzt der alte Schafskopf auf die Idee, zu heiraten! Weil ihm die einzige Tochter ausgerückt ist oder aus der gräßlichen Täuschung heraus, in seinen Oktobertagen erstehe ein neuer Lenz, weil die Sonne manchmal schien und ein besonders dummer Kirschbaum sich auch täuschte und im Oktober zum zweiten Male blühte.

Ach, wie albern sind die Menschen! Und warum sind sie albern? Immer aus Selbstliebe! Immer darum, weil sie zwar mancherlei beurteilen können, nur niemals sich selber. Es gibt keinen einzigen Menschen auf der Welt, der genau weiß, wer er ist, wie er ist. –

Die Heirat mußte unter allen Umständen verhindert werden!

Luwowsky begegnete Elmar, dem Dichter. »Nun, wie gefällt Ihnen die Reise?« »Wundervoll! Ach, Athen, ach, Athen!« »Was haben Sie von Athen? Ich finde, daß Athen eine sehr nüchterne Stadt ist, gelegen zwischen den öden Hügeln. Ein paar Reminiszenzen aus alter Zeit sind da – aber sonst – pah! Waren Sie schon einmal in Sparta, in Salamis, in Troja?« »Nein!«

»Na, da gehen Sie hin und dann werden Sie wohl von Ihrer Altertümelei bekehrt sein. Im alten gefeierten Sparta werden Sie ein paar schmutzige Hütten finden mit ebenso schmutzigen Einwohnern, die Sie anbetteln. Nee, nee, Wanderer, kommst du nach Sparta, dann wirst du heute nichts anderes verkünden als: ich möchte schleunigst weiter! Reden wir lieber von der Gegenwart. Die Toten haben zu schweigen, der Lebende hat recht! Ich möchte mit Ihnen über Persönliches sprechen, denn Sie sind mir sehr sympathisch. Sind Sie ein Polenfeind?«

Elmar wehrte eifrig ab.

»Sehen Sie, Sie sind ein echter Deutscher. Die Deutschen haben nie etwas gegen fremde Nationen. Sie schmusen mit allen. Das ist, weil sie auf einer ganz besonderen Kulturhöhe stehen. Doch wir kommen nicht auf die Hauptsache. Ich will Ihnen was sagen, Herr Elmar Bruckner: Ihre Gedichte, die Sie hier an Bord in Abschriften kursieren lassen, sind ausgezeichnet.« »Ausgezeichnet, sagen Herr Graf? Meine Gedichte?« »Ausgezeichnet ist zu wenig gesagt. Ihre Gedichte sind genial.« »Genial!« Elmar sank auf einen Stuhl. »Genial, sagt der Herr Graf?« Ein Frost durchschüttelte ihn, dann kam siedende Hitze. »Herr Graf, das vergesse ich Ihnen nicht bis zu meiner Sterbestunde! Genial! Herr Graf, Sie selbst sind genial!« »Danke! Um Ihnen weiter meine tiefe Sympathie zu bezeigen, lieber junger Freund, muß ich Sie um die Erlaubnis bitten, einmal in Ihr Eigenleben einzugreifen. Mich geht die Sache rein gar nichts an, aber ich möchte Sie vor einer schweren Enttäuschung bewahren.«

»Reden Sie, Herr Graf, reden Sie!«

»Nun wohl! – Sie lieben Sabine Sabina!«

»Ja,« hauchte Elmar. »Woher wissen Sie das?«

»Nun, man merkt es. Sie wünschen wahrscheinlich, die göttliche Sabine für sich zu besitzen, sie zu heiraten?«

»Ja! Ja! Ja!«

»Dann, lieber junger Freund, beeilen Sie sich. Ihr Glück in den sichren Hafen zu retten, es ist in Gefahr. Ein anderer lauert auf Ihren Schatz.«

»Wer? Wer?«

Luwowsky zuckte die Achseln.

»Ich bin kein Verräter, kein Spion an Bord, ich bin nur ein ehrlicher Berater und Warner.«

Er nickte Elmar zu und ging davon.

*

Noch in den Nachmittagsstunden desselben Tages sprach Luwowsky mit Richard Bruckner. »Auf ein Wort, Herr Referendar. Hier in den Gefilden der Seligen, im alten erhabenen Griechenland, geht einem das Herz auf, hier wird man weicher, begeisterter, als man oben im harten Norden sonst ist. Lassen Sie mich es geradeaus sagen, Herr Referendar – Sie mögen mich nicht! Ach, ich nehme Ihnen das nicht übel. Sympathie und Antipathie sind gegeben, können nicht erzwungen werden.

Ihre Antipathie gegen mich – zucken Sie nicht die Achseln – rührt von unserem Tennisspielen mit der göttlichen Sabine Sabina her. Gestehen wir es ruhig: wir waren eifersüchtig auf einander. Ich will nicht leugnen, daß Sie damals ein gewisses Recht zu solcher Eifersucht hatten. Denn die unvergleichliche hatte ja auch mein Herz in Bann gezogen. Heute ist es anders. Ich liebe ein deutsches Mädchen; ich bin innerlich von Sabine Sabina frei geworden. Wenn Sie mir die Freiheit geben, ganz ehrlich zu Ihnen zu sprechen, so will ich Ihnen sagen: Sie lieben Sabine Sabina. Es ist Ihr glühender Wunsch, sie zu besitzen, sie als Weib zu haben. Beeilen Sie sich, Herr Referendar. Ich fürchte, noch ehe wir nach Kairo kommen, dürfte es für Sie zu spät sein, wenn Sie nicht rasch zufassen.« »Wer ist der andere – der andere?« sagte Richard heiser.

»Das müssen Sie selbst feststellen, ich jedenfalls bin es nicht!«


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