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XX

Etwa eine Woche vor der Verhaftung des Advokaten Blasius Tunkl ging eines hellen, schönen Nachmittags die junge Kozina in den Garten hinter dem Wirtschaftsgebäude, um sich nach der gesprenkelten Bruthenne, die ihre Küchlein gerne auf das nahe dicht bestandene Kornfeld zu führen pflegte, umzusehen. Die kleine, der Mutter nachzappelnde Hanalka begann sich sofort mit den Blüten im Grase zu beschäftigen. Als die junge Hauswirtin so nach der Bruthenne Umschau hielt, fiel ihr Blick unwillkürlich nach der Richtung, wo die Stadt lag, und glitt sofort auf die von dort in das Dorf führende Strasse.

In diesem Augenblicke hätte die gesprenkelte Bruthenne ihre Küchlein knapp unter den Füssen der Bäuerin in die dichteste Kornsaat führen können. Hančí dachte an etwas anderes als an sie. Selbst die Hanalka vergass sie.

Sie blickte auf den aus der Stadt in ihre stille Gemeinde führenden Weg hin und bei diesem Anblick regte sich die Sehnsucht in ihr. Auf diesem Wege wird Jan heimkehren! Wenn er so jetzt eben kommen und dort zwischen den Getreidefeldern auftauchen würde. Und dies wäre möglich. Eine Woche ist schon verflossen, die zweite ist auch bald schon um, und er hat selbst gesagt, er werde binnen vierzehn Tagen heimkehren. O, wenn er doch käme, wenn er doch schon hier wäre! Wie traurig und öde ist es hier ohne ihn! Alles vermisst ihn, sie, die Kinder und die Wirtschaft. – Ob er wohl kommen wird? Sowohl die Mutter, als auch alle erfahrenen Nachbarn und alte Bauern versichern ihr, man könne ihn dort nicht zurückhalten.

So stand Hančí da, in Gedanken versunken, fortwährend nur vor sich blickend und nur an den Mann denkend, ohne die Stimmen und den irgendwo vor dem Bauerngrunde entstandenen Lärm zu beachten – bis die Magd ganz ausser sich und atemlos ihr nachgelaufen kam und ihr zurief, sie möge nachsehen gehen. Schon beim Eintritte in den Bauernhof bemerkten sie durch das offene Tor einzelne zum Dorfe eilende Personen. Andere liefen zusammen und besprachen etwas laut. Bevor noch Hančí fragen konnte, was vorgefallen sei, trat auch die alte Kozina aus ihrem Ausgedinge heraus und gleichzeitig stürzte ein junger Bursche durch das Tor, abgehetzt, schweissbedeckt und atemlos. Sie erkannten ihn. Es war der Hirt vom Bauerngrunde des Onkels Hrubý aus Trasinau. Sobald er der Wirtin ansichtig wurde, begann er schon in abgerissenen Sätzen, so gut er eben nach dem wilden Lauf konnte, zu erzählen, dass heute gerade nach der Mittagsstunde die Herren aus Kauth angekommen seien.

Inzwischen waren die Nachbarn in Kozinas Wirtschaftshof eingedrungen, um zu erfahren, was vorgefallen sei.

Wie der Bursche weiter erzählte, waren es der Kauther Verwalter und der Burggraf, die mit Gewehren und sonstigen Waffen versehenen Jäger und die Heger gewesen; sie hätten bei ihnen die Tür, da dieselbe geschlossen war, gesprengt und alles oberst zu unterst gekehrt und auf das genaueste durchsucht.

»Und was wollten sie?«

»Ich weiss nicht – irgendwelche Schriften aus Wien –«

»Und haben sie etwas gefunden?«

»Etwas sollen sie mitgenommen haben –«

»Und wohin sind sie gegangen?«

»Ich weiss nicht – aber die Bäuerin hat mich geschickt, dass sie vielleicht auch zu euch kommen werden –«

»Sie sind schon hier,« rief ein Bursche aus der Mitte der beim Tore versammelten Menge.

»Ich hab' sie gesehen – zwei waren beritten –«

»Und wo sind sie?«

»Beim Syka.«

»Die Diebe!« rief die alte Bäuerin.

»Mutter, da kommen sie sicher auch zu uns!« rief Hančí erschreckt aus.

»Sie sollen nur kommen! Schriften! Sieh' – sicherlich diese Briefe –« schrie die alte Chodin. »Und wie sie pfiffig sind! Sie kommen jetzt, wenn die Männer nicht zu Hause sind – Und dieser Kos, der Jan fast erschlagen hätte – Liebe Leutchen, nur Mut und habt keine Angst! Da könnte man jeden Augenblick über uns kommen und wir hätten nie Ruhe. Lasst sie's verkosten. Männer, wehrt euch und nehmt uns in Schutz.«.

Da rief einer von den Männern:

»Ihr Trasinauer! Hierher! Daher!« und er winkte heftig der eilig vorüberziehenden Gruppe von Männern zu. Sie blieben stehen; die Männer und Weiber, die sich in Kozinas Wirtschaftshofe versammelt hatten, gingen ihnen entgegen und dadurch sammelte sich draussen ein zahlreicher Haufen an.

»Wo sind diese Diebe?« riefen die Trasinauer. Man sah es an ihren geröteten Wangen und flammenden Blicken, dass sie vor Wut zittern. Sie begannen das zu erzählen, was im Grunde bereits Hrubys Hirt mitgeteilt hatte. Dass nämlich der Verwalter Kos mit seiner Begleitung bei Hruby die Tür erbrochen und so lange herumgestöbert habe, bis sie die Briefe, um die es sich ihnen gehandelt hatte, gefunden.

»Die Bäuerin hat gesagt, es wären etwa sechs Briefe gewesen und zwar vom Prokurator aus Wien, von diesem Just, und auch von unseren Leuten, als sie in Wien waren.«

»Unsere Leute sind in Prag vor dem Gerichte,« rief ein anderer gereizt, »und Lomikar braucht diese Briefe – aber als Waffe gegen die Unserigen – verstanden? Darum holen wir uns sie!«

»Beim Syka –« rief jemand; gleichzeitig erhob sich aber ein Geschrei:

»Matthias! Matthias! Přibek!«

Der lange Chode tauchte in der Tat zwischen den Gebäuden auf und näherte sich langen ernsten Schrittes der bei Kozinas Wirtschaftsgrund fast am Dorfausgange versammelten Volksmenge.

»Hast du schon gehört?« riefen ihm die Einheimischen und Trasinauer zu.

»Jawohl – sie haben euch die Briefe genommen und jetzt sind sie bei Syka. Was wollt ihr?«

»Die Schriften zurück – wir lassen sie ihnen nicht!« schrien die Männer.

Das ernste finstere Antlitz Přibeks durchblitzte ein Strahl der Zufriedenheit.

»Jawohl – nun ich hab' mir's auch gedacht. Hier werden sie kommen. Weiber und Kinder fort!« rief er gebieterisch. »Und ihr, Männer, rasch Čakane und Prügel her.«

Die einheimischen Männer und Bauernsöhne, die nur so aus den Gebäuden herausgeeilt waren, leisteten seiner Aufforderung sofort Folge und eilten um die Waffe, mit der sie im Augenblicke zurückkehrten. Die Trasinauer waren alle mit der Čakane bewaffnet.

Hančí eilte mit Hanálka in den Hof und suchte den kleinen Paul, um ihn in ihrer Nähe zu haben. Die alte Kozina blieb im Tore stehen.

Der Verwalter Koš, der bei Syka ebenfalls – jedoch mit geringerem Erfolge als in Trasinau – nach den Briefen von Štraus, Just und der ersten Wiener Deputation fahndete, wunderte sich, dass der Lärm beim Gemeindehause so auffallend verstummt war. Vorher, als sie ankamen, waren die Leute wie ein Schwarm von Fliegen herbeigelaufen und jetzt, als er mit einem einzigen Briefe, seiner ganzen Beute, heraustrat, um den Heimweg anzutreten, sah er ausser einigen erschrockenen Bäuerinnen und dem Gesinde niemanden. Er und der Burggraf von Kauth bestiegen die Pferde. Vier Jäger schritten mit langen Gewehren voran, die übrigen mit den Hegern bildeten die Seiten- und Nachhut. Die Briefe, die er in Trasinau und hier gefunden, verbarg er gut unter seinem dunkelblauen Rocke.

Ruhe war um sie – aber tiefer unten, in der Richtung gegen die Stadt, wohin sie den Weg einschlugen, hörte man am Dorfende einen dumpfen Lärm.

»Sie werden uns doch nicht auflauern?« sprach der Burggraf zu Kos. Dieser lächelte verächtlich und sagte:

»Ich glaube nicht, dass sie so töricht wären. Sie wissen doch, was ein Gewehr ist – «

Im selben Momente schlug aber ein fürchterliches Geschrei an ihr Ohr. Sie hielten die Pferde an, die Jäger standen stille. Vor ihnen stand am Wege eine Schar Choden aus Aujezdl und Trasinau, alle mit Čakanen oder Prügeln bewaffnet – an ihrer Spitze Matthias Přibek mit seiner wuchtigen Čakane in der Hand.

Rechts und links tauchten zwischen den Gebäuden ebenfalls zahlreiche Čakanen auf, deren Beschläge im Sonnenschein blitzten.

Das herrschaftliche Gesinde blieb vor der Übermacht der erzürnten Männer stehen. Das wilde Geschrei, mit dem Kos und seine Begleitung empfangen wurden, flösste dem alten Soldaten nicht Furcht ein.

»Was wollt ihr, Bauern,« rief er, »lasst uns gehen!«

»Die Schriften! Die Briefe her! Diebe!« brauste es als Antwort auf seinen Befehlsruf durch den wilden Lärm. Dem Verwalter wurde es klar, dass er im Guten von hier nicht abziehen könne. Sie wollen ihn ziehen lassen, wenn er die Briefe ausfolgt. Das wollte er aber nicht, denn er hatte den raschen und eindringlichen Befehl vor Augen, so rasch als nur möglich und um jeden Preis die Briefe aus Wien zu verschaffen.

»Jäger, schiesset!« kommandierte er laut und riss rasch den Degen aus der Scheide. Bevor jedoch die Jäger anschlagen konnten, stürzte Matthias Přibek und mit ihm die Choden auf dieselben los. Es fiel ein Schuss – aber auch kein einziger mehr. Kos sah die fürchterliche Masse, die von allen Seiten über sein Geleite herfiel. Er wollte sich wehren und durchschlagen – Přibek und noch einige stürzten jedoch auf den neben Kos sitzenden Burggrafen. Im Nu war er vom Pferde und als der Verwalter sah, dass keine Rettung mehr zu erwarten sei, machte er mit dem Pferde kehrt und wütend es anspornend, galoppierte er vorgebeugt über die Leiber seiner gestürzten Jäger und jener der Choden in das Dorf zurück.

Er hörte das wilde Geschrei hinter sich, hörte, wie man ihm nachjagte; Steine hagelten wie Schlossen auf ihn nieder und sausten an seinem Ohre vorbei. Ohne dies jedoch zu beachten, raste er durch das Dorf zurück, den Weg in das nahe Chodenschloss einschlagend.

Auf dem Schlachtfelde war es bereits ruhiger geworden. Přibek erteilte, wie ein Kommandant, kurz und scharf Befehle. Die den überwältigten Jägern abgenommenen Gewehre liess er fortschaffen; vom Burggrafen, der an der Spitze der gefangenen Jäger stand, forderte er die Herausgabe der abgenommenen Briefe. Nachdem der Burggraf hoch und heilig geschworen hatte, keine Schriften zu besitzen, liess er ihn untersuchen. Man fand jedoch keine Spur von Papier bei ihm.

»Was jetzt?« fragte halblaut einer von den Trasinauern Matthias Přibek.

»Was jetzt?« antwortete Matthias ruhig. »Diese hier« – und er deutete auf die Jäger – »die lassen wir laufen, die Flinten werden aber hier bleiben, und den Burggrafen behalten wir hier solange, bis man uns die Schriften ausfolgt.«

Unterdessen kehrten die den Koš verfolgenden Burschen unverrichteter Dinge zurück mit der Meldung, wohin er geflohen sei. »Auch recht. Es geschieht, wie ich gesagt.«

Die Jäger und Heger wurden freigelassen, der Burggraf wurde jedoch als Geissel in Přibeks Bauernhof abgeführt –

Etwa eine Stunde später entsendete der Verwalter Koš heimlich aus der Burg zu Chodenschloss einen verlässlichen Knecht, dem er die geraubten Briefe übergab, nebst einem Berichte über das in Aujezdl Vorgefallene, und wie er selbst mit knapper Lebensgefahr den Händen der bis zur Wut erzürnten Choden entronnen sei. Der Bote eilte auf Feldwegen nach Kauth, wo bereits ein berittener Bote seiner harrte, und dieser ritt sofort mit den Briefen und einem übertriebenen Berichte nach Pilsen und zu Herrn Lamminger nach Prag. Koš selbst wagte es an diesem Tage nicht mehr nach Kauth zu kommen, da er mit Recht befürchtete, dass ihm die Choden auflauern werden. – –

Hančí Kozina verweilte während der ganzen Zeit, die Kinder umschlungen haltend, in der grossen Stube. Sie gewann auch dann nicht die Ruhe, als der Sturm draussen austobte und es auf dem Dorfplatze wieder still wurde. Sie dachte daran, wie ihr Mann stets mit Unwillen von den früher im Chodengau vorgefallenen Unruhen und Raufereien sprach. Was würde er wohl nun sagen, wenn er dies sehen würde? Ob ihnen wohl der heutige Kampf nicht in Prag Schaden bringen wird? Was wird die Folge davon sein? – –

 

Bis zu dieser Begebenheit gedachte man in Aujezdl, wie überall im Chodenland, oft, ja sehr oft, der Prager Boten, wie es ihnen wohl ergehe. Nachrichten erwartete man von ihnen keine, weil man als sicher annahm, dass der Prozess in vierzehn Tagen beendet sein dürfte und die Gesandten alsbald heimkehren werden. Jetzt sprach man überall nur darüber, wie es Koš und seinem Geleite in Aujezdl erging. Man sah darin weder in Aujezdl noch in einem anderen Chodendorfe etwas Strafbares. Sie haben sich ja bloss gegen die Gewalt gewehrt und mit Recht die Rückgabe der ihnen geraubten Briefe gefordert. Überall erwartete man jedoch, dass Lamminger, nachdem er von dem Vorfalle Kenntnis erhält, sich rächen werde. Doch ihn selbst fürchtete man in Aujezdl und Trasinau nicht allzusehr. Die Choden hofften auf den Sieg ihrer gerechten Sache in Prag, und dann –

Herrn Lomikar geht es in Prag sicherlich schlimm. Warum sollte er es sonst auf diese Briefe abgesehen haben? Seine Herrschaft wird ja bald ein Ende finden. Doch die Vorsichtigeren meinten, er werde sicher noch vor der Prager Entscheidung kommen, um Rache zu nehmen.

»Er soll nur kommen!« pflegte auf eine solche Sprache Přibek zu antworten. »Wir werden uns verteidigen. Das gibt's jetzt nicht mehr, dass er uns prügle und wir dazu schweigen. Ich habe zwar dem Syka und Kozina mit Handschlag gelobt, zu schweigen – doch wer hat angefangen?«

Und so schlug es Matthias Přibek rundweg ab, als am dritten Tage aus Kauth ein Bote des Koš mit der Aufforderung ankam, man möge den Burggrafen freilassen.

»Bringst du die gestohlenen Briefe zurück?« fragte Přibek.

»Die hat der Herr Verwalter bereits nach Prag geschickt,« antwortete der Bote.

»Was willst du also noch?« fuhr ihn der riesengrosse Chode an.

Der Bote überbrachte im Namen des Verwalters die Drohung, man werde also den Burggrafen mit – Soldaten abholen.

»Nur zu!« sagte er und dies war seine ganze Rede.

Die dem Boten des Verwalters in Gegenwart der Aujezdler Dorfältesten erteilte Antwort gefiel überall, denn man war über die neue Gewalttat des gehassten Lamminger nicht nur in Aujezdl und Trasinau, sondern im ganzen Chodengau empört.

Přibek hatte die Drohung durchaus nicht eingeschüchtert, nichtsdestoweniger war er vorsichtig. Über seinen Antrag wurden in alle Chodendörfer Boten mit der Nachricht von der Drohung des Koš entsendet und wurden die Choden gleichzeitig ermahnt, auf der Hut und stets bereit zu sein, sich gegenseitig zu helfen, wenn es irgendwo losgehen sollte. In Aujezdl selbst und in Trasinau wurden die Nachtwachen vermehrt; auch während des Tages passten einige Burschen auf den Anhöhen und auf den namentlich in der Richtung gegen die Stadt, woher ein Überfall am wahrscheinlichsten zu erwarten war, gelegenen Feldern auf.

Es waren helle Tage, die Sonne schien und in ihrer Glut reifte das prachtvoll stehende Getreide zusehends. In Aujezdl herrschte jedoch nicht das zu dieser Zeit gewohnte Leben. Der Rest des noch verbliebenen heiteren Sinnes verschwand nun ganz. Jeder wurde ernst, manchen stiegen düstere Gedanken auf, alle fühlten, es sei ein Gewitter im Anzuge.

Selbst Řehůřek Jiskra, der lustige Dudelsackpfeifer, vergass alle Spässe. Seine Sorge wuchs wegen des kleinen Georg. Er fürchtete um ihn und ums Weib. Oft gedachte er auch Kozinas und seiner Hanči. Wie denn, wenn so etwas losginge! Die Weiber sind allein zu Hause und der Hausherr – der liebe Gott weiss, was mit ihm in Prag geschieht! Jetzt wunderte er sich nicht mehr, dass Hanči wegen ihres Mannes so besorgt ist. Vierzehn Tage sind bereits verflossen, auch die dritte Woche, schon beginnt die vierte und von den Abgesandten hört man kein Wort. Sollte denn dieser Prozess so lange dauern? Und jetzt noch dieser Vorfall mit Kos! Fünf Tage sind seit diesen Zusammenstössen verstrichen und nirgends rührt sich was. Vielleicht kommt auch nichts mehr, vielleicht war es nur eine leere Drohung. So tröstete auch Jiskra am sechsten Tage sein Weib und den blinden Vater, mit dem er draussen vor der Chaluppe sass. Es war ein warmer Juliabend. Der Mond beleuchtete die ganze Gebirgsgegend schön. Dorla hitschte auf ihrem Schosse den kleinen Georg sanft zum Schlummer und horchte mit Freuden den tröstenden Worten ihres Mannes. Der blinde Greis schwieg jedoch und schüttelte, als wollte er nicht glauben, einigemal den Kopf.

Ringsum überall Stille, nur vom Walde rauschte es dumpf herüber. Plötzlich tauchte über dem Dorfe auf dem Berge Hradek etwas Weisses auf.

»Siehst du, Dorla, dorten auf dem Hradek?«

»Wer ist das?«

»Daniels Bolf. Er hält Wache.«

»Wenn dies lieber nicht nötig wäre,« seufzte Dorla, die, als sie merkte, dass der kleine Georg eingeschlafen sei, aufstand, um ihn zu Bette zu legen.

»Kommt schon heim –« lud sie die Männer ein. Sie gingen sodann bald zu Bette und schliefen bald ein. Die Julinacht wölbte sich majestätisch über dem Böhmerwaldgau. Der über die bewaldeten Bergabhänge seinen blassen Lichtschein ergiessende Mond glitt stille und gemächlich gegen Westen hin. Überall herrschte Stille, nur hie und da liess sich hinter dem Dorfe ein Hundegebelle und zeitweise der gedehnte Ruf der Wachen von den angrenzenden Höhen hören, auf denen die Scherken der Choden-Vedetten schimmerten.

Der Morgenwind regte sich, im Osten, oberhalb des Schwarzen Waldes erschien ein blasser Himmelsstreifen. Um diese Zeit sprang Jiskra Řehúřek vom Bette und im Nu war er beim Fenster, wo jemand an den Fensterladen pochte und rief:

»Aufstehen!«

»Wer ist's? Was willst du?« fragte Jiskra den rücksichtslosen Ruhestörer barsch.

»Stehe nur auf und eile. Das Militär ist im Anmarsch begriffen.«

Die Stimme verstummte plötzlich und man vernahm eilig sich entfernende Schritte.

»Jesus Maria!« rief Dorla im Bette aus und griff nach dem Kinde.


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