Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIV

Der alte Christoph Hrubý, sein Neffe, Kozina und Syka freuten sich aufrichtig dieses ersten im Kampfe mit Lamminger erreichten, wirklich wichtigen Erfolges. Diese Freude teilten mit ihnen – nur noch mehr und lebhafter – alle, sobald sich diese fröhliche Botschaft im ganzen Chodengau verbreitet hatte. Schon bei der ersten Nachricht über die Erkundigung des Kaisers über die Choden keimte überall Hoffnung auf; diese Hoffnung wuchs zum Vertrauen heran, als die Briefe des Advokaten, des Just und des Possigauer Psůtka eintrafen. Jetzt ist bereits eine Kommission eingesetzt! In Wien erkennt man an, dass die Choden im Rechte seien, dass ihnen Unrecht geschehen und geschieht, und diese Kommission wird es bestätigen, sie muss es, denn was die Lammingers, der verstorbene wie der jetzige, an ihnen begangen haben, ist himmelschreiend. Was schwarz ist, kann man unmöglich weiss machen!

Alle freuten sich, dass sie der verhassten Zwingherrschaft los werden, und ahnten nicht, dass der Chodenschlosser Herr zur Zeit, als die fröhliche Botschaft an Christoph Hrubý gelangte, bereits einige Tage von der angeordneten Kommission Kenntnis hatte und dass er in dem Augenblicke, als der ganze Chodengau jubelte, bereits daran arbeitete, diese Freude zu zerstören. Er hatte ja in allem vor seinen bäuerlichen Gegnern einen Vorsprung: selbst rechtskundig, reich, hatte er sowohl beim Hofe wie unter den Beamten Bekannte und eine bessere Verbindung mit Wien.

Der erste Erfolg überraschte selbst den »Prokurator« Syka. Bis zu diesem Augenblicke fürchtete er im Geiste die Macht und den Einfluss der Herrschaft und hegte Besorgnis, dass sie eben so wenig wie ihre Väter ausrichten werden. Seit der Zeit jedoch, als es fest stand, dass man in Wien eine Kommission angeordnet hatte, sie somit – und zwar nach jener unglückseligen Verordnung über das »ewige Schweigen« – nicht schlechtweg abgewiesen wurden, gab sich auch Syka mit mehr Zuversicht froher Hoffnung hin. Und noch eines flösste allen Mut ein. Es war jetzt überall so, als ob es keine Robot gäbe, den Herrschaftsbüttel befolgte fast niemand und jene, die früher im geheimen und nächtlicher Zeit in die Wälder schlichen, betrieben nun den Wildfang und die Jagd ganz offen und verwegen. Die Herrschaft drohte und drohte abermals, forderte die Zahlung von Strafgeldern, die Heger suchten den Wilderern das Handwerk zu legen – aber was war dies alles gegen das, was in früheren Zeiten geschah? Hätte man damals nur den vierten Teil davon gemacht, was jetzt geschah, da hätten die Herrschaften eine ganz andere Weise angestimmt und dem Schuldigen wäre es übel ergangen. Es schien festzustehen, dass die Herrschaft schwankend geworden sei, dass sie etwas wittere, nachdem sie nicht mehr den Mut zeige, den sie früher an den Tag legte.

Dies war auch die Meinung der meisten Erbrichter, die daher nicht wenig erstaunt waren, als sie Kozina hie und da durch den Dudelsackpfeifer Jiskra zur Mässigung mahnte oder sich in gleichem Sinne zu einigen von ihnen äusserte. Der Erbrichter von Klenč, Ecl, vulgo Čtverák Čtverák – Schelm, Possenreisser. – Anmkg. d. Übersetzers. genannt, lachte ihn aus, und als er auch den Brychta von Possigkau warnte, da rief der wilde Bauer zornig aus:

»Das hat dir sicher euer Prokurator ins Ohr gesetzt!« Er meinte damit den vorsichtigen Syka, der seinen dichtbehaarten Kopf bedenklich schüttelte, als Kozina mit ihm über diese Dinge sprach, und bemerkte, die Herrschaft stimme in der letzten Zeit eine andere Weise an, indem sie Dienste und Arbeiten verlange, die im Chodengau nie geleistet wurden.

»Ich werde dir etwas sagen, wenn es halt nicht so geht, versucht man es auf eine andere Art und Weise. Damit will man uns nur reizen und aufstacheln, damit es zu Reibungen kömmt. Jetzt sollen wir aber gerade schweigen, damit man sich über uns nicht beschweren kann.«

So erörterte Syka, als er mit Kozina durch das Dorf ging. Kaum hatte er aber ausgesprochen, so blieb er aber auch schon stehen und Kozina gleichfalls. Sie vernahmen einen Lärm und ein Geschrei, das das Dorf erfüllte. Als sie sodann zwischen den Zäunen weiter gegangen waren, merkten sie, dass das Geräusch von dem Bauerngrunde Přibeks, vor welchem sich bereits eine grössere Menschenmenge angesammelt hatte, komme. Ehe die beiden Choden hinkamen, öffnete sich hastig das hölzerne Pförtchen des Přibekschen Gutes, und es stürzte aus demselben der Chodenschlosser Amtsdiener heraus, geradezu, als ob er fliehen wollte. Ihm folgte Přibeks weisser, haariger Wolf dicht in den Fersen, mit wütendem Gebelle den Büttel anschnaubend, im selben Augenblicke erschien auch Mathias Přibek, nur so in Beinkleidern und Tuchweste in der Tür und drohte, in der Rechten seine eichene Čakane schwingend, dem Amtsdiener nach.

Die Versammelten hatten ihre helle Freude daran, nämlich an dem Herrschaftsbüttel, der wie ein Pfau aufgeblasen, als wäre er die Herrschaft selbst, in die Häuser zu kommen pflegte, um dort die Befehle aus der obrigkeitlichen Kanzlei herrisch auszurichten, und nun mit solcher Schnelligkeit das Weite suchen musste. In letzter Zeit war sein Glanz ganz gewaltig verblasst – und jetzt läuft er davon just wie ein Dieb! Es war auch zum Kranklachen, wie er im Laufe den ihn wütend anschnaubenden Wolf abzuwehren trachtete.

Nur Mathias Přibek lachte nicht. Ungemein aufgereizt und erzürnt blickte er schweigend und ohne auf die Umstehenden und die ihm nachgekommene Tochter zu achten, dem herrschaftlichen Diener nach. Er wendete sich erst um, als Kozina und Syka zu ihm traten, und nach dem Vorgefallenen sich erkundigten.

»Pfui über so 'was! Wie ein gnädiger Herr ist er gekommen und hat befehlen wollen. Er hat eine Zahlung, die ich nie geleistet habe, gefordert. Sie hätten es, hör' ich, in den Akten gefunden. Mein Vater hat es sein Leben lang nie gezahlt und auch der Grossvater nicht. Das haben's auch nur auf mich ausgedacht. Vielleicht brauchen sie zum Fasching Geld. Es soll mir schlimm ergehen, wenn ich nicht zahle. Schaut's mal an! Aber daran ist noch nicht genug. Noch etwas: der Herr befiehlt, hör' ich, dass Manka, hört ihr, dahier meine Tochter, in den Hof kommen und Flachs spinnen soll. Du elender Protzfrack! Ich werde dir was vorspinnen! Er hat aber auch gar nicht zu Ende gesprochen. Der ist abgefahren! habt ihr's gesehen?«

»Das wurde wirklich nur für dich ausgedacht,« meinte Kozina.

»Und jetzt wird man wieder die Geschichte so darstellen, als hättest du den Amtsdiener hinausgejagt und den Hund auf ihn gehetzt,« ergänzte Syka.

»Und was hab' ich machen sollen? Nun – ich verstehe ja! Hab' ich schweigen und zum Prokurator gehen sollen?« antwortete Přibek heftig, vom Kozina auf Syka blickend. Sie verstanden seine Anspielung.

»Wir haben es da mit dem Wolf besser erledigt,« fügte er spöttisch hinzu und alle um ihn brachen in Lachen aus.

Nur Kozina und Syka lachten nicht. Kozina überlegte, wie recht sein Genosse hatte, als er vorher sagte, das alles mache die Herrschaft absichtlich, um nur zu reizen und einen Sturm zu entfesseln –.

Das geschah zu Ende des Faschings, ja knapp vor der Fastnacht. Der Dudelsackpfeifer Řehůřek Jiskra war jetzt selten zu Hause. Er wurde fortwährend – bald hier, bald dort – zum Spielen eingeladen. Sein alter, blinder Vater pflegte mit ihm zu gehen. Sie konnten kaum allen Aufforderungen nachkommen. Schon jahrelang gab es keinen so lustigen Fasching. Das Gesinde tanzte wie um die Wette, und auch die Alten, die schon eine ganze Ewigkeit das Tanzbein nicht geschwungen, konnten nicht widerstehen. Es war ja allen leichter und fröhlicher zu Mute.

Jiskra Řehůřek freute sich noch aus einem anderen Grunde. Wenn er sonst spielte, vergass er auf die ganze Welt und blickte nur auf die Tänzer und Tänzerinnen, höchstens dass er sich auch, und zwar oft genug, nach dem Krügel umsah. Jetzt konnte es im Reigen noch so lebhaft zugehen, die Burschen konnten wer weiss wie singen, noch so stark aufstampfen und die sich um sie drehenden Tänzerinnen noch so hoch emporheben, in seinen Gedanken weilte er nicht in der Tanzstube, sondern anderswo – und zwar stets auf seiner Einschichte. Er dachte an sein junges Weib, das sich ihm anvertraut hatte, dass sie nicht mehr so allein bleiben werden, der Storch pflege bereits um das Haus herum zu kreisen. Das erfüllte den lieben Dudelsackpfeifer mit einer grenzenlosen Freude. Er war schon froh, dass die Fastnacht nahe und dass dieses Herumbummeln und Nachtschwärmen wenigstens für einige Zeit ein Ende finden werde. Er sagte dies eben auch Dorla, als er Dienstag nachmittags den Dudelsack über den Arm schlug und fortgehen wollte.

»Was nur dem Brychta eingefallen ist?« meinte Dorla.

»Nun, Lomikar wird eine Freude haben –,« antwortete Jiskra und lachte auf.

»Was wird man aber in Aujezdl sagen?«

»Ich werde schon noch hinkommen, mittlerweile wird es der Vater mit Kuba auch besorgen.«

Wirklich holte auch Kuba Konopík, Řehůřeks freigesprochener Schüler, den blinden Musikanten ab, um ihn in das Dorf zu führen, wo sie einstweilen, bis Jiskra aus Possigkau heimkehrt, gemeinsam spielen werden. Dorla blieb allein zu Hause.

Um diese Zeit begleitete Kozina den alten Onkel Hrubý aus Trasinau, der auf dem Heimwege aus der Stadt einen Abstecher nach Aujezdl gemacht hatte.

»Das wundert mich aber, dass uns weder Just, noch dieser Straus schreiben,« sprach Kozina. »Ich hab' gedacht, es werde ein Bote kommen und unterdessen kommt weder er noch ein Brief –.«

»Die Wege sind elend und voll Schnee. Ich hege noch keine Befürchtung. Und dann – so eine Kommission! Die ist nicht sobald fertig. Die Herren lassen sich Zeit.«

»Auch ich habe so gedacht, dann fiel mir aber ein, ob Lomikar nicht den Boten abfangen liess –«

»Das würde ich nicht glauben.«

»Nun, und wie denn – vorgestern, es war schon Nacht, als zwei Kerle den Jiskra anhielten, wie er aus der Stadt heimkehrte. Sie suchten seine Taschen durch – er hatte einen Taler – den nahmen sie ihm aber nicht; sie hatten etwas anderes gesucht. Gewiss haben sie ihm aufgelauert.«

Der Greis schüttelte nachdenklich den Kopf und sagte sodann:

»Du hast recht, Bursche. Lomikar ist jedes Verbrechens fähig. Hat er uns schon die Majestätsbriefe gestohlen, warum sollte er auf der Strasse nicht rauben. Seien wir also vorsichtig.«

Nachdem Kozina den Onkel hinaus begleitet hatte, kehrte er auf dem Heimwege im Gasthause, wo bereits die Geige des alten Řehůřek und Konopíks Dudelsack ertönten, ein. Als der junge Bauer eintrat und seines alten Kameraden – wie er erwartet hatte – nicht gewahr wurde, trat er, sobald die Musikanten ausgespielt hatten, an diese heran. Die um ihn herumlärmende Jugend merkte dies beinahe gar nicht; als sich aber sodann Kozina vom alten Dudelsackpfeifer rasch abwendete, den vollen Krug auf dem Tische stehen liess und ungestüm hinauseilte, da fragte man schon, was geschehen sei. Viele blickten ihm nach und meldeten, dass er nicht den Weg nach Hause, sondern, wie es scheint, jenen, der aus dem Dorfe führt, einschlage. Der alte Dudelsackpfeifer wusste auf ihre Fragen nur soviel zu sagen, dass sich Kozina nach seinem Sohne erkundigt habe und als er – der blinde Dudelsackpfeifer – ihm mitgeteilt, der Sohn sei auf eine dringende Einladung Brychtas nach Possigkau gegangen, wo vielleicht etwas im Zuge sein dürfte, sei Kozina, wie ein aufgescheuchtes Wild, aufgesprungen und sei mit Windeseile davongerannt.

Dieser war wirklich schon ausserhalb des Dorfes angelangt; er schritt eilig am ausgefahrenen Wege. Die Sonne schien und in ihrem Glanze schimmerte der gefrorene Schnee. Selbst die schwarzen Wälder blauten in helleren Tönen durch die klare Luft, als wären sie ihres Hinbrütens und ihrer Trauer los. Der junge Bauer sah sich gar nicht um. Nur gegen Chodenschloss und dann in der Richtung gegen Possigkau spähte sein scharfer Blick aus. Er schien einen Umweg zu machen, da er an der Chodenschlosser Burg, deren weisse Mauern im vollen Frostlichte erglänzten, vorüberging. Im Schlosse und in seiner Umgebung herrschte tiefe Stille, als wäre heute gar nicht die junge Fastnacht.

Nachdem Kozina Chodenschloss passiert hatte, eilte er weiter Klenč zu und näherte sich schon der Gemeinde. Da horch! Durchdringende Töne ergellten, sodann liess sich ein Gejauchze und nachher wieder lärmende Musik vernehmen. Er sah auch schon zwischen den Häusern der auf einem ziemlich schmalen Abhange ausgebreiteten Gemeinde, namentlich auf dem geräumigen Platze, wo, wie er gut wusste, Adam Ecls vulgo Čtveráks Wohnhaus stand, eine Menge von Leuten. Es waren Leute aus verschiedenen Gegenden, aus Klenč und Possigkau, ja man sah auch einige aus Trasinau. Es war eine lärmende, schreiende, lachende, singende, sehr bunte Versammlung. Hier Männer in Pelzen oder Mänteln, dort Bauernsöhne in gestickten Pelzchen, Weiber und Mädchen in langen, braunen, mit Schaffell gefütterten Pelzen, in Röckchen, mit Kopftüchern verschiedener Farbe – und alle überragten die Reiter, denen die Mehrzahl der Versammelten das Geleite gab.

Diese sonderbaren Reiter postierten sich im losen Halbkreise vor dem aus Holz erbauten Hause des Ecl Čtverák: am rechten Flügel sass auf einer abgezehrten Mähre gebückt ein alter Jude, statt der Zügel alte Stricke in der Hand haltend; mit diesen hielt er, ununterbrochen jüdelnd, zum Gaudium der sich um ihn drängenden, laut lachenden Chodenjugend das schläfrige Pferd, damit es ihm ja nicht durchgehe, zurück. Neben ihm ritt auf einem Rappen der mit den Augen grässlich rollende und die Zunge ausstreckende Teufel, welcher den in einer schneeweissen Plache gehüllten, neben ihm stehenden, einen Schimmel reitenden Tod verhöhnte, der in der Linken die emporgehobene Sense trug. Neben dem Tode sass ein ganz in Stroh gehüllter Reiter auf einem Pferde, welches gleichfalls in einer Strohhülle steckte. Dem Strohreiter zur Seite blähte sich auf einem stattlichen Braune ein dicker Baier in roter Weste und breitem, bunt mit Bändern und Flitterzeug gezierten Hute auf. Sein ebenso gekleideter, nur noch dickerer Landsmann stritt hoch zu Ross mit zwei Juden, die auf ähnlichen Mähren sassen, wie ihr Glaubensgenosse am rechten Flügel. Vor den Reitern standen im Halbkreise neun Dudelsackpfeifer, von deren mit Pelzwerk verbrämten Mützen von verschiedener Farbe Schleifen, Bänder und Hahnenfedern wehten.

In kurzen Pausen begannen sie auf Jiskras Wink immer wieder vom neuen. Es war eine unerhörte Musik! Neun Dudelsackpfeifer auf einmal! Allgemein nahm man an, es sei dies das Werk Čtveráks und Brychtas. Die Hütten erzitterten fast von den durchdringenden Tönen und so konnte es nicht Wunder nehmen, dass der von einem höchst merkwürdig bunt gekleideten Kerl an der Kette geführte und zeitweilig mit einem Knüttel über den Rücken gestreichelte, in eine Hülle aus Erbsenstroh gekleidete Bär vor den Dudelsackpfeifern auch zu tanzen begann.

Diese lärmende Menge, die Masken und Dudelsackpfeifer, warteten auf jemanden und eben als Kozina in die Nähe kam, erkannte er – obzwar er es früher ahnte – wer dies sei. Es öffnete sich nämlich in dem Holzgiebel des Hauses, vor welchem die Volksmenge stand, eine Tür, aus der, ein wenig sich bückend, der Possigkauer Brychta und hinter ihm der um etwas jüngere Čtverák auf die Pavlatsche heraustrat. Brychta trug einen langen und starken Knüttel, von dessen oberem Ende alte Riemen und Knotenstricke herabhingen, in der Hand. Er blieb im Freiraume des Dachwalmes stehen und pflanzte, mit den Händen und auf das Geländer sich stützend, dort die Riesengeissel auf. Ed Čtverák, der sich neben ihn postierte, gab den Dudelsackpfeifern einen Wink, sie mögen mit dem Spiele aufhören. Die Versammlung selbst verstummte. Aller Blicke waren auf den im Gesichte hochroten Brychta, seine Geissel und namentlich auf Čtverák gerichtet, welch letzterer, ernst wie ein Geistlicher von der Kanzel herab zu verkünden begann, es sei ein doppeltes Unglück geschehen, ein doppeltes Leid habe alle ereilt: erstens scheide der allen liebe Herr Fasching aus dem Leben und werde morgen begraben; zweitens sei es auch mit der herrschaftlichen Peitsche aus, die man hier sieht und die dem Fasching im Tode vorangegangen sei; da sie nun alle so lange gefreut und beglückt habe, sei es eine Pflicht der christlichen Nächstenliebe sie zur – so Gott will – ewigen Ruhe zu begleiten und sie zu beweinen.

Offenbar nannte man Ecl nicht umsonst den Possenreisser. Er trug seine Rede mit Ernst vor und geberdete sich dabei so, dass sich die unten harrende Menge des Lachens nicht erwehren konnte. Selbst der Teufel lachte und dem Tode sah man es an, wie ein Lachkrampf ihm den Kopf schüttelt; einer der Baiern krümmte sich vor Lachen.

Als sich die Menge etwas beruhigt hatte, verkündete Čtverák weiter, man werde also jetzt den Weg antreten, und da die Peitsche eine herrschaftliche Peitsche sei, so werde man sie auch auf herrschaftlichem Boden begraben. Und hiemit sei sie ihnen übergeben.

Gelächter, Geschrei und Jauchzen begrüsste den Sturz der Riesengeissel, die Brichta hinabschleuderte. Die Dudelsackpfeifer stimmten eine Weise an und der Bär, der herangehüpft gekommen war, ergriff die Peitsche und trug sie wankenden Schrittes dem Strohreiter auf dem Strohrosse zu. Die Leute schickten sich zum Abmarsche an, die Masken wandten die Pferde und zwei Burschen führten sodann zwei stattliche Braunen, mit denen sie abseits auf die Führer und Urheber dieses Zuges, Brychta und Ed Čtverák, gewartet hatten, vor das Haus. Auf einmal erhob sich ein neues Geschrei. Es war ein frohlockendes Gejauchze, mit dem Kozina begrüsst wurde. Dieser achtete aber auf diese sympathische Begrüssung nicht und betrat das Haus, wo er gerade Brychta und Čtverák, die beide sehr lustig waren und laut lachten, begegnete. Brychtas Gesicht verriet es nur zu klar, wovon es so gerötet ist, und warum seine Augen so glänzen. Beide bewillkommten lärmend den kommenden Gast, der sich der Umarmung Brychtas kaum erwehrte. Draussen gellten ächzend und quitschend neun Dudelsäcke, und die zum Abzuge bereite, nur ihrer Führer harrende Menge lärmte gewaltig. Endlich erschienen sie und Kozina mit ihnen. Sie schleppten ihn förmlich mit, obzwar er sich alle Mühe gab, sie aufzuhalten und eifrigst sie zu überreden bemüht war.

»So hört mich doch!« rief er. »Seid doch vernünftig!«

»Komme frisch mit uns!« schrie Brychta, ohne auf seine Worte zu achten.

»Oh, heilige Jungfrau, ihr habt ja den Verstand verloren! Seid ihr denn närrisch geworden? Bleibt hier!« rief Kozina eindringlich, indem er Brychta, der schon den Fuss in den Steigbügel hob, zurückzuhalten bemüht war.

»Lass mich, Kozina! Siehst du dort – das Herrschaftsschloss – dorthin gehen wir –.«

»Wir wollen dort zu einem kleinen Plauderstündchen einkehren!« ergänzte Čtverák und brach in Lachen aus. »Zu Lomikar auf Besuch –« alle in der Nähe stehenden erhoben ein lautes Gekicher und Gejohle.

»Um Gottes Christi willen – Čtverák! Das darf ja nicht geschehen – so sei doch wenigstens du vernünftig – dass du es nicht bereuest – halte sie auf! Haltet ein, Leutchen!« schrie der im Gesichte feuerrot gewordene Kozina aus Leibeskräften.

Die gellende Musik, die durchdringenden Schreie der Angeheiterten sowohl, als der Nüchternen übertönten seine Stimme und flogen weit hinaus durch die klare frostige Luft. In dieser ragte über die vorwärts drängende bunte Menschenmenge, die gleich einem reissenden Strome Kozina mitgerissen hatte, in seiner schneeweissen Plache der Tod. Er hielt die verderbenbringende Sense, die in den Strahlen der Wintersonne blitzte, hoch empor.


 << zurück weiter >>