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Schluß

Wieder sind Jahre vergangen. Vor der Tür des Rosenhauses sitzen unsere beiden Schwestern. Julia ist ganz grau geworden und hat eine etwas gebückte Haltung, auch Anna sieht man das Alter an, denn auch ihr Haar ist mit Silberfäden durchzogen. Im Hause selbst ist's still geworden. Annas Kinder sind erwachsen, jedes hat einen Beruf gefunden. Und doch hat Anna trotz ihrer Jahre noch viel zu leisten und zu wirken. Bald wird sie hier gebraucht, bald da. Einmal muß sie bei Hanna aushelfen oder im Doktorhaus bei Erika, denn daß der Sohn der Freundin sich ihre zweite Tochter zur Gattin erwählen würde, war bald zu sehen.

Aber Erika hatte sie ganz in der Nähe, während sich Julius in der Stadt, wo Hanna mit ihrem Mann lebte, als Arzt niedergelassen hatte. Karl war augenblicklich noch Hilfsprediger, Ludwig hatte sich dem Baufach gewidmet und studierte noch, nur Grete war daheim geblieben und versorgte die beiden Schwestern. Sie trat ganz in die Fußstapfen der Tante und behauptete, sie würde nie heiraten und immer im Rosenhaus bleiben.

Ika, die treu bei ihrem Fräulein ausgeharrt hatte, war eines Tages freudestrahlend zu Julia gekommen mit den Worten: »Nun ist er tot!«

»Wer?« hatte Julia gefragt.

»Der alte Herr in Italien. Nun kommt mein Schatz nach Hause und heiratet mir! Einen ganzen Haufen Geld bringt er mit, davon kaufen wir uns ein Häuschen und halten uns eine Kuh.«

So war es geschehen. Ika heiratete, und ihre größte Freude war es, Fräulein Julia und Frau Anna zu besuchen, wenn sie in der Stadt Gemüse verkaufte.

Heute nun saßen die Schwestern allein vor dem Haus in ernstem Gespräch. Es war ein schöner, stiller Herbsttag, die Sonne schien warm und freundlich und erlaubte den alten Damen das Draußensitzen. Sie sprachen von der Vergangenheit.

»Es gab eine Zeit, da ich unglücklich war über das Erbe, das ich nach meiner Meinung nicht sinnvoll verwerten konnte; wie wunderbar hat Gott alles gefügt, wie reich hat er mich durch dich und deine Kinder gesegnet, Anna.«

»Und uns durch dich, liebe Schwester. Was wäre aus uns geworden, wenn wir dich nicht gehabt hätten. Und daß du den armen Studenten liebevoll aufnahmst, so mütterlich für ihn sorgtest, wieviel Freude und Segen ist uns allen daraus erwachsen.«

»Friede und Eintracht sind hier zu Hause. Gott erhalte dies, auch wenn wir nicht mehr sind. Deine Kinder und Kindeskinder sollen dann das Rosenhaus besitzen und in Gottesfurcht und Treue darin wohnen. Das ist mein Wunsch.«

Anna reichte der Schwester die Hand: »Das helfe Gott.« Dann ging sie ins Haus und setzte sich an den Flügel, und durch die geöffneten Fenster erklang ihre immer noch volle Stimme:

Der Herr ist nun und nimmer nicht
von seinem Volk geschieden,
er bleibet ihre Zuversicht,
ihr Segen, Heil und Frieden.
Mit Mutterhänden leitet er
die Seinen stetig hin und her,
gebt unserm Gott die Ehre.


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