Arthur Holitscher
Amerika heute und morgen
Arthur Holitscher

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Chautauqua

Die ersten Eindrücke, die man hier herüben von den Dingen gewinnt, sind oft recht schlechte. Nimmt man sich aber die Mühe, läßt sich von der Oberfläche nicht verwirren und hat überhaupt Sinn und guten Willen dafür, so sieht man bald das Gute und Große unter der abstoßenden Einhüllung. Auch in Chautauqua mußte ich durch eine Schichte von unfreundlichen Eindrücken hindurch, ehe ich hineinkam.

Der Ort hat seinen (Indianer-)Namen vom See, an dem er liegt. Dieser anmutige See, der an den Chiemsee in seinen östlichen Partien erinnert, liegt ein paar Meilen vom Erie entfernt am nordwestlichen Ende des Staats Newyork, etliche hundert Fuß höher als der Erie.

Ankunft in Chautauqua

Man kommt mit dem Schiff an dem Pier an und möchte nun gerne in den Ort hinein. Das ist aber nicht so einfach! Man muß durch ein Tourniquet, ein mannshohes, mit Barren versehenes Eisengitter, das sich dreht. Es 92 dreht sich aber erst, wenn man seinen Obolus bezahlt hat; will man das nicht, so kann man mit dem nächsten Schiff weiter! Der Obolus ist gar nicht so gering. Ich zahle meinen halben Dollar für den Rest des heutigen Tages und gehe mit meiner Tasche in den Ort hinein.

Gleich ein paar Schritte weit vom Pier sehe ich etwas, was mich mit Heiterkeit und Spottlust erfüllt. Ein paar kleine Hügel und zwei kleine Pfützen sind nahe beim Seeufer auf den Boden aufgeschüttet und in den Boden eingegraben, – auf einem der Hügel bemerke ich so etwas wie ein primitives plastisches Modell einer kleinen Stadt, aus weißem Zement. Eine Tafel belehrt mich: das da ist eine getreue Nachbildung von Palästina.

Die Pfütze vor mir ist der See von Galiläa, die Zementstadt auf dem Hügel da ist Bethabara, und der Hügel ist der Gadarenische Hügel. Drüben die größere Pfütze ist: Das tote Meer. Darüber ist ein größerer Zementhaufen zu sehn: Jerusalem. Rundherum kleinere: Bethlehem, Gibeon, jenseits des Ölbergs aber, nach dem Chautauquasee zu, liegt Hebron, – denn was da draußen ist, der See, über den ich grad mit dem Dampfer gefahren bin, ist nicht der Chautauquasee, sondern das Mittelländische Meer.

Alles genau nachgebildet; der Fluß Jordan, eine schmale Wasserader zwischen dem See von Galiläa und dem Toten Meer, Carmel, Dan und Berseba, Sidon und Tyrus, alles. Der ganze Kitsch ist vor langer Zeit der Institution Chautauqua von einem alten Herrn gestiftet worden und hat Chautauqua in seinen Anfängen in den Staaten berühmt und populär machen helfen.

Nachdem ich im »Hotel Athenäum« mich gesäubert und mein Abendessen zu mir genommen habe, schlendre ich links den Berg hinauf, um mir Chautauqua anzusehn. Zehn Schritte weit vom Hotel bleibe ich plötzlich wie angewurzelt stehn – ja, wirklich, da habe ich einen Schlag ins Genick bekommen, und zwar nicht vom Anblick eines Wolkenkratzers, sondern von dem einer gewaltigen Sache, 93 der ich mich mit einemmal ganz ohne Vorbereitung gegenüber finde.

Chautauqua ist eine große Sommerschule, hat man mir gesagt, eine Art Kurort, in dem man aber kein heilendes Wasser trinkt, sondern Vorträge anhört. Berufene Leute halten diese Vorträge über Gegenstände der Literatur, Geschichte, über alle Fächer der Wissenschaft; man setzt sich einfach hin, wo man Lust hat, zu sitzen, und hört zu. Was wir in Europa »University Extension« nennen, aber doch etwas spezifisch Amerikanisches, etwas in Europa kaum Denkbares, ein Karlsbad mit dem kastalischen Quell statt des Sprudels. Aus allen Teilen, aus den entlegensten Winkeln ihres riesigen Kontinentes, ihres bewunderungswürdigen demokratischen Staatenverbandes kommen die Americanos daher, für acht Wochen im Sommer, um zu lernen; dann zerstreuen sie sich wieder in alle Winde und haben etwas mitgenommen, was sie nicht mehr verlieren werden. Man kann sagen: nicht Menschen werden hier unterrichtet, sondern ein Weltteil. Sie bekommen eine homogene Kost hier, die Americanos, sie sitzen alle an der gleichen Quelle, gesunden, genesen und fühlen sich jährlich um einige Grade mehr als Americanos nach solch einem Sommer in dem Ort Chautauqua. (Doch wir haben etwas – entfernt – Ähnliches in Europa: Bayreuth.)

Ich habe von Walt Whitmans Lieblingswort, dem Wort »en masse«, wohl immer einen Schauer empfangen, wie von etwas Inkommensurablem. Aber das Wort ist trotzdem nicht bis in die innerste Tiefe gedrungen, wo der Kontakt erreicht wird. Hier auf einmal fühle ich den Schlag im Nacken sitzen. Denn was da plötzlich vor mir liegt, ist ein ungeheures, von obenher aus unsichtbaren Lichtquellen beleuchtetes Tal von Menschen, ein Krater von Menschen, eine Arena, das Dach ruht auf hohen Säulen, aber sonst ist der Raum von allen Seiten offen, tief in einen Berg eingegraben, und in dieser Arena, diesem Amphitheater sitzen Menschen in hellen Sommerkleidern, Tausende und Tausende – mir schien's, 94 Zehntausende, ohne einen Laut, ohne die geringste Regung, stumm, in Andacht.

Auf dem Podium, das halb in das Amphitheater hineingebaut ist, sitzen vorne an der Rampe ein paar Männer und Frauen in dunkeln Kleidern. Hinter ihnen hängt eine große Flagge, das Sternenbanner, von einer Art Kulisse herunter, und hinter dieser Kulisse ist die Orgel, eine Orgel von Dimensionen, die dem ungeheuren Raum entsprechen. Rechts und links auf dem Podium aufsteigend, Chöre, Männer und Frauen, hell und weiß, nur die paar Menschen vorn auf dem Podium sind schwarz angezogen.

Ich habe letzten Winter Reinhardts Ödipus im Zirkus Schumann gesehen, und als das wehschreiende Volk, am Anfang, in die Arena hereingestürzt kam, da habe ich etwas Ähnliches empfunden wie jetzt, da ich diese schweigende Menschenmenge erblickte. (Ich hörte später, es seien ungefähr achttausend Menschen da gewesen.)

 

Aus der kleinen Gruppe vorne auf dem Podium trat ein Greis hervor und sprach mit leiser, alter Stimme zu den achttausend Menschen des Tales. Jedes Wort war deutlich zu hören, jedes Atemholen des alten Mannes, und das schreibe ich nicht nur her, um zu erklären, wie gut die Akustik des Raumes beschaffen ist, sondern mehr, um zu sagen, wie die Akustik inwendig in diesen Menschen beschaffen ist.

Es war »Old First Night«, zu der ich zufällig hergekommen war, – die Feier des siebenunddreißigsten Jahrestages der Gründung von Chautauqua. Der Greis, der da redete, war der eine der Gründer Chautauquas, Bischof John C. Vincent von Indiana, und er sprach vom andern Mann, der mit ihm Chautauqua gegründet hatte und den die Erde deckt, Lewis Miller.

Ich hörte lange den Reden zu. Männer aus fast allen Staaten der Union sprachen nacheinander. Ihre Reden waren alle von Enthusiasmus für die Idee, die 95 demokratische Idee Chautauquas erfüllt; von einem Lokalpatriotismus, der zugleich Patriotismus für den Weltteil Amerika war. Von Liebe für die Männer und Frauen, die hier am Werke waren, und von Pietät gegen die Männer und Frauen, die einst für Chautauqua gearbeitet hatten und nicht mehr arbeiten konnten. Hier hatte ich den Eindruck von Geschichtlichem, von Tradition, von Vaterlandsgefühl, das mich anging, das lebendig war und keine Mache, hier hatte ich den Eindruck, daß die Toten leben und bei uns Lebendigen sind in diesem Moment. Denn was ich sah, war etwas absolut Schönes und lebendigstes Leben – und zu dem gehört noch immer etwas mehr, als was die Lebenden allein aufbringen können.

Dann setzte die Orgel ein, auf einmal fiel die große Flagge, das Sternenbanner, von der Kulisse aufs Podium herab, und man sah die Kulisse dastehen, sie war etwa sechs Meter hoch, und in der Mitte war die Form eines Turms aus der Leinwand ausgeschnitten.

In diesem Jahr 1911 haben die Chautauquaer ihrem Gründer Lewis Miller einen Gedächtnisturm an dem Ufer ihres Sees gebaut, Bischof Vincent hatte das Glockenspiel heute nachmittag eingeweiht, und jetzt, in einer Stunde, sollten die Kosten durch freiwillige Gaben eingebracht werden, und nicht nur die Kosten für Turm und Glocken. Man brauchte noch Geld für arme Leute, Schullehrerinnen, die einen Sommer lang in Chautauqua leben, gute Luft, gute Nahrung und guten Unterricht genießen sollten, soviel in sie hineinging, ohne einen Groschen von eigenem zuzusetzen, zur höheren Ehre von Mütterchen Amerika.

Es gingen kleine Knaben und erwachsene Männer mit Körbchen herum im Menschental, stiegen auf den Berg der Arena und kehrten zurück in die Tiefe. In den Körbchen waren Kuwerte, und in die Kuwerte mochte, wer da wollte, Geld, Noten, Schecke hineinstecken.

Reden wurden gehalten. Der Gouverneur trat vor, meldete: ein Kabeltelegramm, die ersten tausend Dollar 96 für den Turm, von Mrs. Thomas Alwa Edison, die gegenwärtig in Frankreich ist.

Gleich darauf begann hinter dem Ausschnitt der Kulissen ein Junge Ziegelsteine aus Pappendeckel aufzubauen. Zehn Ziegelsteine, von denen jeder hundert Dollar vorstellte. Bei Nummer zehn hielt er inne. Nicht lange, denn es kamen weitere zehn dazu, und noch zehn und noch fünfzehn. Bei jeder neuen Lage applaudierten die Achttausend. Rasch wuchs der Turm in die Höhe – eine genaue Nachbildung im kleinen des Campanile, den ich vor einer Stunde vom Dampfschiff aus gesehen hatte. Noch zehn Ziegelsteine, dann fünf, dann drei, dann fünf.

Reden, Gesang. »The Old Kentucky Home«, dieses wundersame alte Negerlied, der Chor sang es, die Orgel spielte es, achttausend Menschen summten es leise mit. Dann Reden; Senatoren, Richter, Männer von Universitäten, Fabrikanten, Farmer aus dem Westen. Alle standen auf, nacheinander, und sprachen; von ihrem Stand, ihrer Provinz, von Amerika. Dazwischen Musik, »Way down upon the Swanee Ribber« . . . Und dann plötzlich das frische, jauchzende: »Dixieland!«, die Hymne des Südens, die die aus den Südstaaten hier in der Arena mit entzücktem Pfeifen, kleinen Schreien, einer Art kultivierten Tobsuchtsanfalls, begrüßten und alle, auch die vom Norden, mitsangen, Wort für Wort. In weniger als einer Stunde war der Turm fertig bis hinauf zum Giebel. Ungefähr neuntausend Dollar waren zusammengebracht worden in einer Stunde, Baukosten für den Turm, Baukosten für Menschen. Dann: »The Star Spangled Banner«, das Tal setzte sich in Bewegung und zerteilte sich über den ganzen Ort, der im Walde drin liegt, Haus bei Haus eng beisammen, so eng wie das Land weit ist, aus dem diese Menschen hergekommen sind. Nächsten Tag war ich mitten drin in allem. Und heute möchte ich heulen darüber, daß das Muß mich weggetrieben hat und ich nicht eine Woche, einen Monat noch 97 unter diesen Menschen Chautauquas, unter diesen Menschen des großen Amerikas bleiben durfte. –

 

Ein junger Student aus meinem Hotel, von dem ich noch sprechen werde, erklärte mir die Institution. Professor E. J. Flügel von der Cornell-Universität Ithaka, der im Sommer über deutsche Sprache und Literatur liest und der Gouverneur von Chautauqua, Präsident George E. Vincent von der Universität Minnesota, nahmen mich herum und zeigten mir alles, erklärten mir Chautauqua.

Ich möchte am liebsten das Programm eines einzigen Tages hier aufschreiben, das Programm vom Freitag, 4. August 1911. Ich habe 49 Vorträge gezählt, sie stehen auf dem Tagesprogramm gedruckt. Einige will ich herzählen. Ein Vortrag über moderne soziale Bewegungen in Europa. Über Wald und Vögel. Über den Kindergarten. Über Shakespeare. Über außerchristliche Glaubensbekenntnisse in der Union. Ein Vortrag über die Geschichte der Banken Amerikas, vom Präsidenten einer der größten Banken Newyorks gehalten. Über die Zubereitung von Eisspeisen und Creme. Über die Kirche und die Arbeiterfrage. Über die Persönlichkeit und Kunst von G. K. Chesterton. Über Björnsons »Handschuh« und die Frauenfrage. Über Missionstätigkeit in den großen Städten. Und am Abend ein Konzert mit Chören und Solisten in der großen Arena: »Schön Ellen« von Max Bruch und »Die Kreuzfahrer« von Niels Gade.

Ich habe Vorträge gehört, ausgezeichnete, in der Arena, in der wundervollen »Hall of Philosophy«, einem griechischen Tempel mitten im Wald, in den Häusern der Methodisten, der Presbyterianer, der Nonconformisten. (Christian Science ist ausgeschlossen aus Chautauqua!) Im Kindergarten habe ich die Lehrerinnen mit den entzückendsten kleinen Amerikanern und Amerikanerinnen spielen sehen und habe Vorträge mit angehört, die diese Lehrerinnen im College von den besten Lehrkräften der Universitäten Amerikas in vielen Fächern erhielten. Ich habe in den schönen Werkstätten die Lehrerinnen das kunstgewerbliche Handwerk erlernen sehen. Ich war auf dem Baseball-Feld und habe vom Ufer Schwimm- und Ruder-Matche ausführen sehen. Ich war in »Pianoville«, dem entlegensten Winkel Chautauquas, wo Virtuosen von großem Namen ihre Klavier- und Geigenfarmen haben, Hühnerhöfe für angehende Klavier- und Geigenvirtuosen. All die wundervollen Plätze, Häuser und Häuschen, in denen gelehrt, gelernt, gelebt und geflirtet wird, habe ich, teils von außen und teils von innen, mir angesehen.

Das Baseball-Feld

Professor Flügel und Gouverneur Vincent, der Sohn des Bischofs, haben mir den inneren Mechanismus dieser national amerikanischen Bildungsstätte erklärt. Sie ist für den gebildeten Bürger und den Lehrer der Mittelklasse berechnet und geschaffen. Der Lehrerstand (der in Amerika ein Lehrerinnenstand ist) erhält hier eine 99 einheitliche Wissensbasis, und wer so entlegen wohnt, daß er sich jahraus jahrein mit Gedrucktem behelfen muß, kann hier acht Wochen lang Universitätshörer werden, wenn er Lust dazu hat. Das Gitter um Chautauqua herum ist da, damit der oberflächliche Besucher aus den Sommerfrischen rings um den Chautauquasee den Wißbegierigen den Platz nicht wegnehme und daß, wer da lernen will, mit gutem amerikanischen Geld für seinen Unterricht und für den der »scholars«, der unbemittelten Lehrerinnen, bezahle. Im ganzen sind zurzeit etwa fünfzig hier.

Es gibt fünfundsiebzig Professoren und vortragende Damen, die während der acht Wochen wie die Sklaven arbeiten dahier. Es sind heute fünfzehntausend Menschen in Chautauqua anwesend. Außer den Kursen über Schulfächer für die Lehrerinnen und den Vorträgen aus allen Gebieten gibt's alljährlich einen Spezialkurs über einen bestimmten Gegenstand. Dies Jahr sind es amerikanische Fragen, voriges Jahr waren es Kulturfragen Englands und nächstes Jahr werden es Kulturfragen 100 Deutschlands und Frankreichs sein. Chautauqua gibt alljährlich zu diesem Spezialkurs Bücher heraus, die die Sommergäste mitnehmen und im Winter sind sie dann daheim in Chautauqua! Dies Jahr sind es: »Der Amerikaner des zwanzigsten Jahrhunderts« von H. P. Robinson, dem Washingtoner Korrespondenten der Londoner »Times«; »Der Geist der amerikanischen Regierung« von Professor Allen Smith, Universität Washington; »Material und Methoden der Romandichtung« von Clayton Hamilton, und »Zwanzig Jahre in Hull-House« von Jane Addams in Chicago, der großen Sozialreformerin.

Ich habe Broschüren und Berichte mitbekommen und gelesen, daß Männer und Frauen wie James Garfield, Mac Kinley, Roosevelt, Taft, Drummond, John Fiske, Julia Ward Howe, Benjamin Ide Wheeler, Frances Peabody, Susan Anthony, Lew Wallace (um nur ein paar in Europa bekannte Namen zu nennen) Chautauquaer waren und sind, hier gelebt, gelesen und gesprochen haben. Daß man Grade und Ehren einheimsen kann und nach Hause mitnehmen darf, wenn man die und die »Prüfung« abgelegt hat, ist vielleicht nicht sehr ernst zu nehmen. Ein herzlicher alter Herr aus Kentucky, der mich im Hotel ansprach (er hat mich für einen schottischen Reverend gehalten, war aber nicht mehr als schicklich enttäuscht, als ich ihn aufklärte), erzählte mir, er sei jetzt achtundsiebzig Jahr alt, komme seit dreißig Jahren mit seiner Frau und Tochter nach Chautauqua, und die ganze Familie habe vor drei Jahren »promoviert«. Ich habe im ganzen das sympathischste, feinste und liebenswürdigste Leben, das die heutige Bourgeoisie an irgendeinem Sommerort der Alten oder Neuen Welt zur Schau tragen kann, in Chautauqua ein paar Tage lang genossen; und wenn ich meinem Nachbarn vom »Kaiser Wilhelm der Große« wieder begegne, dann will ich ihm sagen: ich habe Amerika an einem Ort beisammen gesehen und ein Bild von Amerika in mir empfangen, ohne daß ich die smart set in Newport hätte tanzen sehen.

101 Chautauqua ist ein Ort für den wohlhabenden Bürger, und der »Mann ohne Niveau« hat hier nichts zu suchen. Er wird auch keines bekommen hier, denn das ist nicht vorgesehen. Chautauqua ist kein soziales Experiment, dazu sitzen auch zu viele hübsche und gelangweilte Frauen mit ihren Stickereiarbeiten zu Füßen der Professoren. Aber ich glaube, sieben Tagereisen weit an einen Ort herzukommen, um ein paar Wochen lang in einer freien intellektuellen Atmosphäre unter gebildeten und bildungsbegierigen Menschen leben zu können, das ist gar kein so schlechter Anfang für ernstes soziales Streben. Der Bourgeois ist ebenso, wenn nicht bildungsbedürftiger als der Proletarier: und in Chautauqua wird vielleicht, wenn man genauer hinschaut, etwas für die Zukunft getan, was gar nicht auf dem Programm von Chautauqua steht.

 


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