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Aehnlich, wie bei den jungen Knoops, standen die Dinge bei Klamms, nur mit dem Unterschiede, daß sich Alfred von Klamm auf die Arbeit geworfen, und mit Eifer und mit immer steigenderem Erfolge den Geschäften, der Leitung und der Druckerei zugewendet, hier Ersatz für das zu finden gesucht hatte, was er in seiner Ehe entbehrte.

Es kamen nicht eigentlich Scenen zwischen ihm und Adelgunde vor. Dazu war er zu kavaliermäßig geartet, und dazu war sie eine zu leichtlebige, bequeme Natur. Ueberdies wirkte bei ihr noch die eifersüchtige Liebe nach, die sie für Klamm empfand.

Aber es verging fast keine Woche, in der sie nicht über die eingetretene Veränderung klagte.

Er war und blieb ein Gegner von Visiten, überflüssigen gesellschaftlichen Rücksichten und all den Nichtigkeiten, die nun einmal für Frau Adelgunde den Mittelpunkt ihrer Gedanken bildeten.

Ihre Toilette, ihre täglichen Ausfahrten, ihre Besuche und jene Sucht, stets einen Hofhalt um sich zu bilden und eine Hauptrolle zu spielen, hielten sie in Atem. Und da Alfred nur immer mit halbem Interesse dabei war, oder deutlich zeigte, welchen starken Zwang er sich auflegen müsse, ihr nachzugehen, da ihn immer nur seine Zeitung, seine Geschäfte, die Politik und öffentliche Vorgänge interessierten, lebte jeder ein Dasein für sich. Jeder legte an den Tag, daß er sich in des anderen Thun und Treiben nicht hineinzuversetzen vermöge.

Was Frau Adelgunde besonders empfand, war der Umstand, daß sich die bereits angebahnten Beziehungen zu den höchsten Kreisen der Berliner Gesellschaft schon wieder zu lockern begannen, nachdem ihr Mann die Leitung übernommen hatte.

Es wurden einmal Unterschiede gemacht! Man bediente sich seiner, wenn man ihn brauchte – eine Zeitung war eine Macht – aber der früheren Gesellschaftsgleichberechtigung geschah Beeinträchtigung. Wenn man auch Herrn von Klamm einlud, wenn er auch zu den Ministerabenden entboten wurde, so nahm man doch von Adelgunde keine Notiz.

Grade das nagte an der lebhaften und ehrgeizigen Frau. Als sie sich einmal mit einem Gesandtschafts-Attaché aus fürstlichem Geblüt in einer Abendgesellschaft begegnete, erklärte sie bei den Erörterungen über Ehrgeiz und Erfolge, sie würde ihre höchste Befriedigung darin gefunden haben, als Mitglied eines Fürstengeschlechtes geboren zu sein.

Und als der Artigkeiten gegen Frauen gewohnte Hofmann ihr erwidert hatte, daß er allerdings glaube, daß kaum eine der Berliner Damen so sehr die Allüren dazu besitze, wie sie, war sie überglücklich.

Sie hatte auch Alfred davon Mitteilung gemacht; sie hatte damit die Absicht verbunden, ihm zu imponieren. Er aber hatte gesagt:

»Wenn du nur wüßtest, welche Freuden in der Welt ausgestreut liegen und nur aufgehoben zu werden brauchen. Aber du willst nichts dazu thun, um ihrer teilhaftig zu werden.«

»Ach, bitte, Alfred, komm mir nicht wieder mit den Hinweisen auf das Krähen der Hähne und das Brüllen der Rinder auf dem Lande. Ich kann einmal weder etwas Poetisches noch Melodisches darin finden. Ebenso geht mir der Sinn dafür ab, an den Krankenbetten alter Bauerweiber zu sitzen und Christentum zu üben. Ich finde es schrecklich! Und die kindische Freude an vollen Leinenschränken, selbstgemachten Handarbeiten, Einmachen von Früchten und Gurken geht mir nun einmal ebenso sehr ab, wie das Interesse für die langweiligen Zeitungen mit ihrer Kritik, ihren Lügen, ihren Uebertreibungen, ihrem Furchtmachen vor Kriegsgefahr und anderer Sensationsmacherei! Ich kann es ja doch nicht ändern.

»Du sprachst neulich von Wohlthätigkeitsvereinen! Nun ja! In ihnen hat man wenigstens ein bischen Amüsement, man kommt mit Menschen in Berührung. Aber dieser Frauenbewegungsübereifer und all das entsetzliche Reden über die verkannten Rechte unseres Geschlechtes treiben mich zum Widerstand.

»Ich sage es frei, wie ich es meine. Sehr, sehr viele denken ebenso, wagen es nur nicht auszusprechen.«

»Ja, ja, du bist ein echtes Weltkind, du kannst froh sein, daß du nicht auf Arbeit und Erwerb angewiesen bist, sonst würdest du anders reden, Adelgunde. Und wenn du nur einmal auf dich Einfluß ausüben lassen wolltest! Wenn du dich mit der Natur, mit Kindern und einfachen Leuten abgeben, diese Menschen suchen und ihnen Interesse abzugewinnen dir Mühe geben würdest! Wenn du überhaupt so recht ins Leben hineingreifen und an allem teilnehmen wolltest, dann würdest du erkennen, daß die Freuden, die du dadurch empfängst, mit anderen, die du jetzt schätzest, gar nicht zu vergleichen sind.

»Was meinst du, Adelgunde, wenn wir ein Kind annähmen?

»Ich glaube, die Beschäftigung mit einem solchen würde dich ausfüllen, befriedigen, würde dich von den Nichtigkeiten ablenken, denen du nachgehst und die dich – im Grunde – doch nicht befriedigen –«

»O nein, nein, Monsieur le Baron Alfred,« wehrte die Frau ohne Empfindlichkeit, mit lustigem Pathos ab, beugte sich zu ihm herab und küßte ihn.

»Ich will kein Kind! Ich bin glücklich, daß uns keins beschert ist! Nur für dich thut es mir leid,« schränkte sie gutherzig ein. »Aber gar ein fremdes? Na, wie dergleichen ausfallen kann, sieht man doch an zahllosen Beispielen.

»Nein, nein! Es geht ja auch so! Jeder fügt sich dem andern. Ich wäre ja auch ganz glücklich, wenn du nur nicht diese gräßlichen bürgerlichen Passionen hättest, wenn du nur nicht grade auf diese Thätigkeit geraten wärest.

»Wie herrlich war's, als du mit der Pfeife im Munde und mit dem eisenbeschlagenen Feldstock in der Hand über unser Gut schrittest, oder wenn unsere Füchse vor unserem Jagdwagen ungeduldig auf und ab tanzten, wenn wir die Nachbarn besuchten, unsere reizenden kleinen Sommergesellschaften arrangierten, uns auf die Freuden des Winters präparierten, auf unseren Reisen interessante Menschen kennen lernten, so Anregung, Belehrung schöpften, sorglos, fröhlich und befriedigt waren!

»Was hast du jetzt? Verantwortung, Sorgen, Aerger, Abspannung – und Undank! Ja, ja – Undank! Wie sind sie neulich bei Theobalds über die Zeitung hergefallen.

»Ich hörte es, ohne daß die Gruppe der Schwätzer es ahnte.

»Mich, liebster Alfred, stellst du allezeit als ein im Grunde verlorenes, lediglich Thorheiten treibendes Wesen hin. Aber mit welchem Recht? Ich habe die Passionen einer Dame! Ich liebe Musik, Lektüre, ich liebe interessante und geistvolle Menschen, und ich bin dir trotz kleiner Gefallsüchtigkeiten so treu, wie nur eine unvollkommene Eva sein kann. Aber ich suche dir auch dein Haus gemütlich zu machen und dich nach Kräften zu pflegen.

»Also laß das Geschelte, schränke deinen langweiligen Lebensernst ein!«

Nach solchen Antworten war Alfred entwaffnet, diese Art versöhnte ihn wieder. Sie weckte alle Zuneigung und weckte seinen Gerechtigkeitssinn, der ihm sagte: wenn selbst den von dem großen Weltgeist regierten, und in den himmlischen Höhen kreisenden Sonnen, Planeten und Monden Mängel anhafteten, erst recht den, von demselben Schöpfer geschaffenen Kreaturen, die sich Menschen nannten, winzige Unvollkommenheiten eigen und nachzusehen seien.

Wie Ileisa die Klugheit, die Nüchternheit, den Ordnungssinn und den wenn auch zur Zeit falschen Zielen nachjagenden Ehrgeiz ihres Mannes schätzte, wie sie sich an seinen gelegentlichen, besseren Launen wieder von seiner Herzenskälte aufzurichten suchte, so auch Alfred an der liebenswürdigen Gemütsrichtung seiner Frau.

Und es würden sich diese beiden Ehen, wie so viele tausende andere, die im Grunde nicht glücklich sind, wohl miteinander ein- und ausgelebt haben, wenn nicht Ereignisse eingetreten wären, die so stark auf die Mitglieder eingewirkt hätten, daß ihr Wille und ihre Fertigkeit daran gescheitert wären.


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