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Arthur machte an demselben Tage seinem Vater Mitteilung von der Unterredung mit Theodor.

Sie hatten sich nach Tisch in der Villa im Arbeitszimmer des alten Herrn niedergelassen und schlürften, während sich die Damen zu einem Schläfchen zurückgezogen, eine Tasse Kaffee, und rauchten eine Havanna.

Herr Knoop war in außerordentlich guter Stimmung. Die Aussicht auf das Geschäft mit den Zählkarten machte ihm eine gute Laune. Er hielt den Zuschlag für ziemlich sicher, weil die als äußerst zuverlässig bekannte und bei den Behörden vorteilhaft eingeführte Buchdruckerei schon seit Jahren wiederholt als Sieger bei solchen Konkurrenzen hervorgegangen war. Nicht der Preis allein, sondern die Güte und die Sauberkeit der Ausführung der Ware, deren man bei Knoops sicher war, halfen, wie er wußte, bei der Entscheidung mit.

Arthur hatte ihm von neuem bestätigt, daß ein sehr hübscher Posten, selbst bei der beabsichtigten starken Ermäßigung, abfallen werde. Ueberdies wirkten die Nachrichten und Vorschläge, die Theodor gemacht, sehr erhebend auf Herrn Knoop.

Daß Klamm Käufer sein könne, leuchtete ihm ein. Als Bewerber paßte er ihm ausnehmend. Die Frau besaß bekanntlich Millionen! Infolgedessen würde die Anzahlung, die Knoops fordern mußten, keine Schwierigkeiten haben. Aber auch der Bildung einer Aktiengesellschaft war Herr Knoop, der solchen Plänen bisher ausgewichen war, nicht abgeneigt. Thätigkeit würde ihm, dem späteren Freiherrn von Knoop, nicht fehlen.

Auch Arthur würde sich, bei seinem ausgeprägten Erwerbssinn, der Arbeit nicht entziehen und schon etwas Passendes finden, sofern er nicht in der Aktiengesellschaft Beschäftigung und Vorteile fand.

Nach Theodors Mitteilung stieß ja nur noch der Geschäftsmann in seiner jetzigen Façon im Heroldsamt auf Widerstand.

Eine erheblichere Summe für einen öffentlichen, dem Staat dienenden Zweck herzugeben, fiel ihm nicht schwer, und er war dazu bereit.

Es lagen starkgewölbte Packete mit Staatspapieren in seinem Geldschrank! Gegenwärtig hatte alles andere, was ihn sonst beschäftigte, ein untergeordnetes Interesse. Nur die Ueberlegung, wie seine Frau und Margarete die Sache auffassen würden, machte ihm noch Sorge.

»Deine Mutter wird freilich nicht sehr einverstanden sein, Arthur,« erklärte Herr Knoop. »Sie legte schon auf den Kommerzienrat keinen Wert. Und deine Schwester ist erst recht nicht dafür, daß wir das Geschäft aufgeben! Freilich, auf sie kommt nichts an. Aber deine Mutter hat ein Wort mitzureden.«

»Na, was will Mutter denn mehr, als eine so gesicherte Zukunft, Vater!?

»Ihr werdet euch die schon mehrfach von euch gewünschte Villa kaufen, eine angenehme und noch erweiterte Geselligkeit pflegen, im Sommer – da du nicht mehr gebunden bist – ins Bad reisen und so euch in eurem Alter eines ungewöhnlich behaglichen Lebens erfreuen. –

»Grete besitzt wirklich etwas mehr als kleinbürgerliche Anschauungen. Sie gleicht trotz ihrer Jugend alten Leuten, die sich in eine neue, andere Zeit nicht hineinversetzen können.

»Ihr fortwährender Oppositionsdrang ist recht störend und wenig geschmackvoll!«

»Na, sie leidet sonst nicht daran, Arthur! Sie besitzt nur einen stark ausgeprägten Sinn für alles Natürliche. Es ist ein vortreffliches Mädchen. – Schade – schade« – unterbrach er sich –«daß sich Klamm gebunden hatte. Der wäre ein Mann für sie gewesen. Es mag sein, wie es will – hervorragende Eigenschaften hatte er trotz alledem.«

»Vielleicht, Vater! Aber die Sache war ja aussichtslos, da Klamm Ileisa den Hof machte. Er hat sich für Grete ja gar nicht interessiert –«

»Allerdings! Es scheint so! Sicher aber wäre es anders geworden, wenn wir das fremde junge Mädchen nicht ins Haus genommen hätten. Es war ein Fehler –«

»Wie du so sprichst, Vater! Ich denke, Grete hatte doch einen großen Gewinn von dem Verkehr mit ihr! Und die Dinge mit Klamm sind doch nun abgethan! Er kümmert uns doch nur noch als Reflektant. Und dahin wollen wir wirken. Ich werde Theodor morgen früh gleich mitteilen, daß du einverstanden bist.«

»Nein, nein! Warte doch noch erst, mein Sohn! Erst muß ich mit deiner Mutter nochmal sprechen. Wir wollen nichts überhasten. Besser fahren wir beim Verkauf, wenn die Zählkarten-Angelegenheit durchgeht. Das entscheidet sich ja – wie anzunehmen – in acht Tagen –

»Und dann –«

In diesem Augenblick erschien mit vorsichtigem Schritt Adolf mit der wichtigen Miene und den stählernen Ringen in den Ohren. Er bestellte, daß ein Herr Herrn Knoop senior sogleich dringend zu sprechen wünsche.

»Warte hier – ich komme zurück« – entschied der alte Herr, erhob sich rasch und elastisch und verließ, von Adolf gefolgt, das Zimmer.

Eine Zeitlang blieb Arthur noch nachdenklich sitzen.

Dann erhob er sich – von einem starken Verlangen nach Ileisa, von der er wußte, daß sie im Wohnzimmer sein werde, erfaßt – und trat, auf dem dicken Teppich unhörbar einherschreitend, in das erwähnte Gemach.

Und da bot sich ihm dann ein Anblick, der ihn berückte:

Ileisa war, während sie mit einer Lektüre beschäftigt, eingeschlafen. Das Buch, in dem sie gelesen hatte, war ihr aus der Hand geglitten. Es ruhte auf ihrem Schoß. Während des Schlummers hatte sie ihre ursprüngliche Stellung verändert. Der Körper war in eine schräge Lage geraten, das Gewand hatte sich verschoben, und ein kleiner Fuß und ein Knöchel, über dem ein wahrhaft vollendetes Ebenmaß der Linien sichtbar wurde, bot sich Arthurs Augen. Aber er überflog auch mit feinen Augen die klassischen Formen ihres üppigen Körpers; er sah, wie sich die Büste in sanfter Regelmäßigkeit hob und senkte, und ihn entzückte der während dieser Bewußtlosigkeit in ihrem Angesicht noch stärker hervortretende, ihr gleichsam angeborene Ausdruck stolzer Gemessenheit.

Nicht trennen konnte er sich von ihrem Anblick, und je stärker es ihn überkam, daß er eigentlich eine Unzartheit begehe, so von ihr unbemerkt, ihre Schönheit auf sich wirken zu lassen, desto mehr verstärkte sich sein Verlangen, in ihrer Nähe zu bleiben.

Ja, noch mehr! Von einer mächtigen Leidenschaft erfaßt, kniete er vor ihr nieder und war eben im Begriff, einen Kuß auf ihre Hand zu drücken, als sie jählings erwachte, sah, was vorging und in höchster Verwirrung emporschnellte.

»Wie – Sie – Herr Knoop?« stieß sie, während das Rot der Scham in ihr Angesicht schoß, erschrocken heraus.

»Ja, ich!« betonte der Mann, »ich, der Ihnen schon lange sagen wollte, daß ich Ihnen gut bin, der ich Sie schon lange bitten wollte, mir Gehör zu schenken!

»Es sei Ihnen gestanden, Fräulein Ileisa – ich liebe Sie, und würde glücklich sein, wenn ich gleiche Empfindungen bei Ihnen voraussetzen dürfte.«

Nach diesen Worten beugte er sich zu dem zunächst fassungslosen jungen Mädchen herab, küßte erst stürmisch ihre Hände und nahm sie, als sie keinen Widerstand leistete, vielmehr in einem Gemisch von andauernder Verwirrung und aufflammender Hingebung den Oberkörper unwillkürlich zu ihm neigte, in seine Arme. Nun küßte er auch ihre Lippen, zwang sie, sich zu erheben, und drängte sich ganz zu ihr.

Und sie zu ihm! Von einem heftigen Liebesrausch erfaßt, verharrten sie so eine Weile, ganz sich hingegeben, bis plötzlich nebenan ein Geräusch hörbar wurde, und beide auseinanderflogen.

Aber, als er dann etwas Furchtsames in ihrem Angesicht sich regen sah und den Grund richtig deutete, fand er noch Zeit, ihr hastig zuzuflüstern:

»O nein, nein – fürchte nichts, mein teures Mädchen. Ich meine es ehrlich. Noch heute erkläre ich meine Verlobung mit dir meinen Eltern! Du bist mein – und ich bin dein für immer!«

Noch sah er, welch glückseliger Ausdruck in ihrem Angesicht erschien, wie sich die Büste befreit hob. Dann entschlüpfte sie, er aber schritt seinem zurückkehrenden Vater mit äußerlich gleichmütiger Miene entgegen. –


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