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Als am folgenden Vormittag Fräulein von Oderkranz mit ihrer Nichte im Vorraum des Privatkontors des Herrn Knoop eintrat, glich dieses, bezüglich der Fülle der Wartenden, dem Sprechzimmer eines vielbeschäftigten Arztes. Alle Plätze waren besetzt, und Adolf mußte Sessel aus dem Hauptkontor holen, damit wenigstens die Damen nicht zu stehen brauchten. Als sie nach einstündigem Warten endlich vorgelassen wurden, entschuldigte sich Herr Knoop, seiner Art nach, mit kurzen, knappen Worten, und die Unterredung nahm auch bald die Wendung, daß er der jungen Dame seine Absicht aussprach, sie für seine Tochter Margarete zu verpflichten.

»Natürlich setze ich voraus, daß Sie sich gegenseitig gefallen, und um dieses festzustellen, erlaube ich mir den Vorschlag, daß Sie uns den heutigen Tag schenken. Am Abend lasse ich Sie dann in meinem Wagen nach Hause fahren,« schloß der Chef des Hauses.

Nach diesen Worten richtete Herr Knoop einen auffordernden Blick auf die beiden Damen, dem Fräulein Ileisa auch mit gehobener Miene begegnete, während bei ihrer Tante eine deutliche Enttäuschung darüber hervortrat, daß nicht auch an sie eine solche Einladung gerichtet wurde.

Wenigstens deutete Herr Knoop in solcher Weise den spröden Ausdruck in den Gesichtszügen des Fräulein von Oderkranz.

Es drängte sich ihm auch gleich der Gedanke auf, daß die alte Dame möglicherweise später mit allerlei sehr wenig bequemen Ansprüchen lästig fallen könne, und er nahm deshalb gleich das Wort und sagte:

»Ich hoffe, mein Fräulein, daß Sie meinem Vorschlag zustimmen. Ueberhaupt darf ich gleich bemerken, daß ich bei einem Inkrafttreten unserer Pläne voraussetzen muß, daß unsere künftige Hausgenossin ihre bisherigen Beziehungen in dem Sinne löst, daß sie lediglich zu uns hält. Mit ihrem Eintritt in unser Haus haben wir nur mehr mit ihr zu thun. Natürlich schließt das gelegentliche Besuche bei Ihnen nicht aus!«

Diese Rede war so deutlich und enttäuschend, daß Fräulein von Oderkranz zunächst erbleichte und unwillkürlich die Augen schloß. Dennoch faßte sie sich ebenso rasch wieder, wußte sich sogar durch ihre Worte und eine seine steife Würde das Uebergewicht zu verschaffen und sagte:

»Da ich Mutterstelle bei Ileisa vertrete, hatte ich nur den wohl begreiflichen Wunsch, mich Ihren verehrten Damen vorzustellen. Einen weiteren Anspruch habe ich nicht erhoben, und werde ich nicht erheben, Herr Knoop! Sie dürfen darüber völlig beruhigt sein!«

»Vortrefflich, vortrefflich! Also ganz einig!« entgegnete Herr Knoop, wiederum seinerseits in einem Ton, als ob er ihre gereizte Stimmung und die Lehre, die sie ihm hatte erteilen wollen, garnicht herausgefühlt habe.

Ileisa aber fiel ausgleichend ein:

»Ich werde heute gleich fragen, liebe Tante, wann den Damen dein Besuch angenehm ist. Der gütigen Aufforderung des Herrn Knoop folge ich natürlich mit größtem Dank!«

Auf diese Rede nickte das Fräulein notgedrungen. Auch knöpfte sie ihren unmodischen Mantel zusammen, trat Herrn Knoop näher und sagte:

»Ja, den allergrößten Dank schulden wir Ihnen, Herr Knoop, daß Sie selbst meiner Nichte zur Erlangung einer Stellung die Hand bieten wollen.

»Lassen Sie mich denn hoffen, daß sich alles nach gegenseitigen Wünschen vollziehen möge, und empfehlen Sie mich, ich bitte, einstweilen Ihren verehrten Damen!«

Nach diesen in einem zwar gezwungenen, aber vollendet höflichen Tone gesprochenen Worten, reichte sie Herrn Knoop die Hand, drückte sodann Ileisa die Rechte und entfernte sich.

Ileisa aber sagte, nachdem die alte Dame gegangen war:

»Meine Tante ist etwas empfindlich, Herr Knoop. Sehen Sie es ihr, ich bitte, nach. Sie lebte früher in so reichlichen Verhältnissen, daß ihr die Einfügung in andere, leider jetzt sehr beschränkte, außerordentlich schwer wird. Im Grunde ist sie eine vornehme, wahrhaft edeldenkende Natur.«

»Habe ich auch so aufgefaßt!« bestätigte Herr Knoop in einem derb gemütlichen Ton, und von Ileisas Wesen angenehm berührt. Auch bat er sie dann gleich, mit ihm in die Wohnung zu treten, und machte sie dort mit seinen Damen bekannt.


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