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Am Tage der Ankunft Klamms in Dresden saß in einer reizvoll zurückgelegenen Villa in der Neustadt vormittags eine Dame der vornehmen Gesellschaft in ihrem Kabinett.

In einen seidenen Morgenrock gehüllt, umgeben von Pariser Möbeln und kostbaren Kunstgegenständen, lehnte sie sich in einen weichgepolsterten, mit Damast bezogenen Stuhl zurück, putzte an den Nägeln ihrer weißen, zierlichen Hände und horchte auf den Bericht eines vor ihr gehenden Mannes.

Er war nach Art jener die herrschenden Moden beobachtenden Persönlichkeiten gekleidet, die zwar ein Auge dafür besitzen, was den Leuten der bevorzugten Gesellschaftsklassen gefällt, die aber bei der Wahl der Stoffe und des Schnittes wegen ihres eigenen Mangels an gutem Geschmack für sich selbst allezeit fehlgreifen. Auch besaß er die grobe Gesichtsfarbe und jenen gewissen unsicheren Ausdruck in den Zügen, der dem gewöhnlichen Mann schon Mißtrauen einflößt, die Erfahrenen aber abhält, sich mit ihnen, sofern sie sie nicht für ihre Zwecke durchaus brauchen, überhaupt einzulassen.

»Ich bin hergekommen, um mir fernere Verhaltungsmaßregeln zu erbitten, meine Allergnädigste!« hub er an. »Es war das von Ihnen befohlen, sobald in Herrn von Klamms Lebenslage eine Aenderung eintreten würde.

»Ich habe zu melden, daß er das Knoopsche Geschäft schon wieder verlassen hat.

»Auch ist allerlei Auffallendes in diesen Tagen geschehen. Er hat mit seiner Mutter zusammen einen Fremden, der in einem Hotel in der Jägerstraße wohnt, versteckt beobachtet. Dieser Fremde ist, wie ich weiß, weil ich ihn persönlich kenne, der Bruder seines bisherigen Chefs. Was aber die gnädige Frau besonders interessieren wird, ist die Nachricht, daß er offenbar mit der Gesellschafterin im Knoopschen Hause ein Verhältnis angeknüpft hat.

»Ich bin ihm gefolgt, während er mit ihr ein Rendezvous im Tiergarten hatte, und schließe aus diesem Umstand wohl nicht mit Unrecht, daß seine Entlassung damit im Zusammenhange steht.«

»Ah – ah! Das sind ja interessante Neuigkeiten, Herr Numick. – Ich muß Näheres, Ausführlicheres hören,« fiel Frau von Krätz mit lebhaftem Ausblick ein, nötigte ihren Agenten nunmehr zum Sitzen und ließ sich von ihm erzählen. Und er gab zum Besten, was Wirklichkeit war und was er, um den Wert seiner Dienste zu erhöhen und sich dadurch einen größeren Anspruch auf Belohnung zu sichern, ohne Skrupel aus seiner Phantasie hinzufügte.

»Was Sie ferner thun sollen?« bemerkte dann am Schluß seines Berichtes die Dame.

»Sie sollen mir melden, was Herr von Klamm Neues beginnt oder einleitet, welchen Verkehr er fürder pflegt, besonders aber, ob sich Ihr Verdacht bestätigt, daß er mit dem Fräulein eine ernstliche Beziehung angeknüpft hat.«

Der Ehrenmann verbeugte sich ehrerbietigst. Dann sagte er:

»Und sollen die Briefe wieder abgesandt werden, in denen vor ihm gewarnt wird? Sollen sie denselben Inhalt haben?«

»Nein,« entgegnete die Dame in einem raschen Ton und ließ einen versöhnlichen Ausdruck in ihren Zügen erscheinen.

»Das will ich überhaupt nicht mehr fortsetzen! Ich bedaure eigentlich sogar, daß es geschehen ist. – Ich bin Ihnen da gefolgt, aber es ist im Grunde nicht mein Geschmack, es ist auch trotz der vorsichtig gehaltenen Fassung sicherlich bei einer Entdeckung keineswegs ohne Gefahr.

»Daß ich diesem Manne eine Strafe für seine Treulosigkeit gegen mich gewünscht habe, ist menschlich, – begreiflich. Er hat mehr als unrecht gegen mich gehandelt. Aber enfin – Was hat mein Vorgehen genützt? Er hat doch seine Zwecke erreicht. Er ist eben einer, dem niemand widersteht. – Nein, nein, das nicht, das will ich unter keinen Umständen fortsetzen! Ich will nur ferner wissen, was er thut und treibt. Hören Sie, Herr Numick?«

Nachdem sie ihn für seine Dienste belohnt, ihm noch etwas hinzugefügt, auf dessen Anwartschaft er in ausführlicher Rede hingewiesen hatte, verließ sie ihn. –


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