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Nach diesem Zwischenfall trat bei den Verlobten dasselbe ein, was der erste Liebesrausch zunächst nachwirkend stets zur Folge hat.

Eine starke Erregung durchströmte ihre Körper und Seelen, und die Sehnsucht, jede Trennung zu verkürzen, trat in ihr Recht.

Daneben begannen sich, da beider Verstand nicht schlief, die Ueberlegungen zu regen. Im Gegensatz zu den meisten Brautpaaren, die alles, was den Gegenstand ihrer Neigung betrifft, verherrlichen, die das rechte Augenlicht für Helle und Schatten verlieren, übersannen diese beiden Menschen nüchtern die Folgen, die Vorteile und Nachteile des zwischen ihnen geschlossenen Bündnisses.

Arthur sagte sich, daß die Standes-Erhöhungspläne, die sein Vater und er verfolgten, eine Förderung erfuhren, wenn er in den Zeitungen veröffentlichen konnte, daß er sich mit der Freiin Ileisa von Oderkranz verlobt habe!

Dies klang sehr gut, das machte Eindruck. Und wenn er sie zudem als seine Braut in die Gesellschaft einführte, wenn sie erst die Kleider und den Schmuck trug, die er ihr schenken wollte, wenn ihre große Schönheit noch dadurch gehoben wurde, dann geschah seiner Eitelkeit und seinem Drang, Beachtung und Aufsehen zu erregen, vollste Sättigung. –

Und endlich: Ileisa hatte während ihres Aufenthaltes im Knoopschen Hause bewiesen, wie sehr sie sich zu fügen wußte. So erhielt er eine Frau, die immer des Spruches eingedenk sein werde, daß sich die Frau dem Manne unterzuordnen habe.

Und da sie schließlich sonst auch alle Eigenschaften besaß, die eine Frau zieren, da sie sittlich, gebildet, tüchtig, sich zu beschränken, zu entsagen im Stande war, so mußte er sich darein finden, daß sie nichts besaß.

Daß ihn das doch stark störte, daß das seine Neigung, ihr seine Hand zu reichen, abschwächte, verhehlte er sich in ruhigeren Augenblicken nicht.

Auch die Welt werde fragen, ob sie etwas habe? – Nein! Sie war die Nichte einer sich kümmerlich durchschlagenden adligen Jungfer; sie hatte eine Stellung als Gesellschafterin im Knoopschen Hause inne gehabt!

Aber nun hatten die Umstände einmal eine Entscheidung herbeigeführt, eine, die seiner Schwester und seiner Mutter völlig sympathisch war, die auch, allerdings nach einigem Zögern, Herr Knoop guthieß. –

Nicht ohne Zagen dachte auch Ileisa in den Stunden nüchterner Betrachtung über ihre Zukunft.

Sie glaubte nicht an die sittliche Kraft der Männer, weil sie ein solches Gegen-Beispiel im Vaterhause gehabt, und sie glaubte an Rücksichten der Männer in der Ehe ebenfalls nicht, weil sie zu häufig das Gegenteil beobachtet und allzuviel darüber gelesen hatte, wie wenig sich deren Beteuerungen mit den späteren Wirklichkeiten deckten. –

Eine volle Befriedigung erfüllte dagegen Fräulein von Oderkranz, ihre Tante. Sie begegnete den Bedenken und Gewissensregungen, die Ileisa erhob, mit denselben besänftigenden Aeußerungen, wie damals, als von dieser Möglichkeit die Rede gewesen.

Inzwischen hatten die Pläne, die Herr Knoop, Vater und Sohn, verfolgten, in der That noch zu starken Auseinandersetzungen mit den beiden Frauen geführt. Herr Knoop hatte nicht mit Unrecht gegen Arthur hervorgehoben, daß er sich mit ihnen, namentlich mit seiner Frau zu verständigen habe.

Frau Knoop hatte gesagt:

»Wir empfangen doch keinerlei Wert und Ansehen durch unser Kleid, sondern lediglich durch die Tadellosigkeit unserer Handlungen.

»Legten deine Vorfahren den Adel ab, so wußten sie sicher, was sie thaten. Sie entäußerten sich gewisser Pflichten und Nötigungen, die sie hemmten und schädigten. Hat es denn irgend einen Vorteil, ein ›Herr von‹ zu sein, wenn man seine Befriedigung statt in Eitelkeiten, in der Ausbildung des Gemüts und des Sinnes für die idealen Dinge dieser Welt, sowie in der Pflege des Verkehrs mit den Besseren und Gleichgearteten sucht?

»Für Arthur ist's eine Thorheit, ihn in seinem Ehrgeiz zu verstärken, ja, ich fürchte, es kann sein Verderben werden!«

Und Margarete ging noch weiter.

Sie drang in ihren Vater und in ihren Bruder, von der Erstrebung dieser Aeußerlichkeiten überhaupt abzusehen. Sie hatte ein Bild in Ileisa vor sich! Was war sie in der Gesellschaft mehr? Erfolg sicherte nur das Geld. Und Geld besaß ihr Vater. Was wollte er sich möglicherweise dem Gespött aussetzen?

Letzteres sagte sie ihm jetzt nicht. Ihre Pietät als Tochter hielt sie davon ab, aber in einer Unterredung mit ihrem Bruder brachte sie ihre Ansichten zum Ausdruck.

»Du solltest deinen Ehrgeiz darin suchen, es unserm Vater gleich zu thun. Du solltest durch energische Ausübung deiner dir verliehenen Fähigkeiten etwas Großes, Nützliches zu schaffen und zu fördern suchen! Thatkräftige Männer der Industrie schlugen den Adel aus. Sie wollten, daß man lediglich ihren Namen respektierte, nicht das »von«!

»Du bist Ileisa gar nicht wert! Sie ist viel zu gut für dich!

»Ein Mensch, der ohne Not auf solche Nichtigkeiten etwas giebt, erniedrigt sich selbst; er zeigt, wie ungefestigt sein Charakter ist!«

Und Arthur hatte erwidert:

»Deine zimperliche Weisheit und Tugendhaftigkeit verpflanze, wie ich dir schon früher riet, in ein Pastorenhaus. Du bist und bleibst ein Gänschen, das die Federn eines Paradiesvogels verschmäht, weil es eben nur zum Gänschen Veranlagung hat.«

»Ah – du solltest dich schämen,« hatte Grete erwidert.

»Um das letzte Wort zu behalten, um einen Deckmantel für deinen Ehrgeiz zu haben, scheust du dich nicht, deine eigene Schwester herabzusetzen –

»Frage nur Ileisa, wie sie über solche Dinge denkt! Ich sprach zufällig noch gestern mit ihr über Eitelkeiten und die üblichen Heucheleien, die gang und gäbe!«

Arthur hatte nichts mehr erwidert, nur die Achseln gezuckt und sich entfernt.

Aber ein zweiter Stachel setzte sich ihm schon vor seiner Heirat mit Ileisa ins Fleisch.

Sie war erstens eine, die nichts, gar nichts einbrachte, und sie legte auf dasjenige an Aeußerlichkeiten keinen Wert, das ihm sehr, sehr viel, ja, das Höchste war! –


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