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Herr Knoop war in keineswegs guter Stimmung. Wenn er ehrlich mit sich zu Rate ging, mußte er einräumen, daß er Herrn von Klamm trotz alledem nicht hätte gehen lassen, wenn nicht das unerwartet frühe Zurückkehren seines Sohnes auf seine Entschließung mitgewirkt, ja, daß dieser Umstand den Ausschlag gegeben habe.

Auch wurden ihm seine Aussichten, den Kommerzienrattitel zu erhalten, sehr geschmälert. Er hatte mit Klamm darüber gesprochen und dieser hatte ihm – mit solchen Dingen vertraut – seine Beihilfe zugesagt.

Er kannte Peinlichkeiten, mit denen er, ohne Gefahr mißverstanden oder abgewiesen zu werden, sprechen, und bei denen er die Sache bereden und Interesse dafür erwecken konnte.

Endlich aber hatten die Vorfälle auch sehr störend auf die Pläne eingewirkt, die ihn in den Angelegenheiten seines Bruders geleitet hatten. Da ihm niemand zur Verfügung gewesen war, der Theodor begleiten konnte, war die Unterredung vorläufig ergebnislos verlaufen.

Er hatte ihm einstweilen auf seine Bitten einige hundert Mark gegeben und ihm erklärt, er solle wegen des weiteren noch von ihm beschieden werden. So war die Ausführung in der Schwebe geblieben, und Theodor so bald wie möglich zu beseitigen, war doch mehr als je erforderlich.

Im Geschäft befand sich niemand, mit dem Herr Knoop jemals über seinen Bruder gesprochen hatte. Er war in allen privaten Angelegenheiten sehr verschwiegen. Er neigte gegen Theodor immer wieder zur Nachsicht, weil der Familiensinn sehr stark in ihm ausgeprägt war. Theodor Knoop besaß zudem eine ungewöhnliche Verstellungskunst. Er wußte durch das freimütige Eingeständnis seiner Fehler zu versöhnen, und war sich der Wirkung bewußt.

Im übrigen war noch allerlei, was der Erledigung harrte, und daß Klamm seinen Verstand und sein Nachdenken zu gebrauchen und seinen Vorteil zu nutzen wußte, trat zur Erhärtung der nun einmal eingerissenen Entfremdung noch vor dessen Fortgange zu Tage. –

Er ließ sich durch Adolf am folgenden Vormittag bei Herrn Knoop melden und begann nach gegenseitiger künstlich unbefangener Begrüßung:

»Ich erachte es als zweckmäßig für beide Teile, daß unsere Trennung sobald wie möglich stattfindet, Herr Knoop. Bevor sie jedoch nach unsern übereinstimmenden Wünschen in freundschaftlicher Weise erfolgt, möchte ich Ihnen etwas vortragen, das Sie sicher als berechtigt anerkennen werden.«

»Zuerst darf ich wohl voraussetzen, daß Sie Ihrer Kundschaft und Bekanntschaft meinen Austritt mit einem Zeugnis zur Kenntnis bringen, wie es gerecht ist. Ich habe Ihrem Geschäft die erwarteten Vorteile zugeführt, ich war von morgens bis abends in Ihrem Interesse thätig.

»Ich darf das Verlangen stellen, daß die Motive, die Sie zur Kündigung leiteten, unbedingt zwischen uns bleiben. Wenn Sie sie auch als berechtigte erachten und ich, weil der Schein gegen mich spricht, ihren Entschluß vergehe, so versteckt sich doch thatsächlich hinter ihnen nichts, was den geringsten Tadel gegen mich erwecken könnte. Sie mögen bedenken, daß es so ist, wenn ich Sie auch nicht zu überzeugen vermochte.

»Und ferner: Ich darf von Ihrer bisherigen Kulanz erwarten, daß Sie mir mein volles Gehalt auszahlen!«

»Ich weiß nicht, ob ich mir in einem Viertel- oder Halbjahr schon wieder einen Erwerb werde verschaffen können.«

»Dann noch etwas, Herr Knoop:

»Ich werde Ihnen vielleicht, ja sicher, Konkurrenz machen. Ich spreche das gleich offen aus, damit Sie mich nicht später einer unkorrekten Handlungsweise zeihen!«

Und Knoop erwiderte:

»Gegen Ihren sofortigen Austritt habe ich nichts einzuwenden, Herr von Klamm. Auch bin ich bereit, Ihnen ein ganzes Vierteljahrhonorar und die Hälfte einer weiteren Quartalrate bei meiner Kasse anzuweisen. Mehr bedaure ich nicht bewilligen zu können. Es hätte in Ihrer Hand gelegen, in meinem Geschäft zu bleiben, wenn Sie meiner Bitte um offene Darlegungen Ihrer Handlungsweise entsprochen haben würden. Da Sie es verweigerten, waren Sie – nicht ich – schuld an unserer Trennung. Ueber die inneren Vorgänge, die Ihren Austritt veranlaßten, werde ich nicht sprechen. Das gewünschte Zeugnis werde ich Ihnen ausstellen.«

»Konkurrenz muß sich jeder gefallen lassen. Ich hätte lieber gesehen, Sie hätten auf solche Pläne verzichtet – natürlich – ich bedaure sogar, daß ich Sie nicht in dem Vertrage zwischen uns, dazu verpflichtet habe – aber ich vermag nichts einzuwenden.«

Die Gegenrede war sehr kühl gehalten. Sichtlich kostete es Knoop Mühe, auch nur so zu sprechen.

Und so blieb und wurde dann auch alles.

Schon am folgenden Vormittag machte Klamm den Damen seinen Abschiedsbesuch, und die Damen ließen sich verleugnen.

Den Redaktionsmitgliedern, die ihm, wie er wußte, meist feindselig gesinnt waren, sandte Klamm nur seine Karte. Von denen im Geschäft, die ihm wohlwollten, die seinen Fortgang bedauerten, verabschiedete er sich persönlich.

Als er am vierten Tage nach der erwähnten Unterredung bei Herrn Knoop nach vorangegangenem Klopfen und »Herein« eintrat, fand er Theodor Knoop dort, und die Blicke der beiden Männer trafen sich, ohne daß sie einen Gruß wechselten, mit einem Ausdruck von Feindseligkeit.

Klamm ging bei dieser letzten Verabschiedung mit dem Gefühl von dannen, daß er fortan nicht nur in dem Bruder Theodor, den er bisher noch geschont hatte, einen unerbittlichen Gegner haben werde, sondern, daß er sich auch das Wohlwollen des Herrn Knoop vollständig verscherzt habe.


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