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Während Klamm den Weg zu dem Hotel einschlug, in dem er Wohnung genommen, fühlte er sich in seiner Stimmung sehr gehoben. Er hatte durch sein gewagtes, fast ein wenig abenteuerliches, aber wohlüberlegtes Vorgehen alles erreicht, was er nur wünschen konnte.

Bei seinen Erkundigungen nach Frau von Krätz hatte er zufällig erfahren, daß sie im Begriff stehe, einen Maskenball zu geben, und gleich war in ihm der Gedanke aufgestiegen, sich unter dem von ihm gewählten Domino in ihren Räumen einzufinden.

Freilich wirkte auch gegenwärtig noch etwas auf sein Gemüt und seine Sinne, das er nicht im entferntesten vorausgesehen.

Die Frau, die er in jener Zeit leidenschaftlich geliebt hatte, war ihm in einem überaus vorteilhaften Lichte erschienen. Ihre Erscheinung und ihr Wesen hatten wieder so sehr auf ihn gewirkt, und die Art ihrer Buße, ihre Weichheit und das neue Bekenntnis ihrer Liebe ihn von neuem derartig für sie eingenommen, daß er – den das Leben so rücksichtslos mitgenommen, – nicht nur bedauerte, nicht in diesen sicheren Hafen eingelaufen zu sein, sondern weislich überlegte, ob nicht doch ein Bündnis mit ihr möglich sei.

Er streifte dann sogleich alle Sorgen ab, die Sorge für sich und seine Mutter. Aber noch mehr! Er vermochte denen mit der Miene stolzen Selbstgefühls zu begegnen, die sich über ihn zu stellen gewagt hatten, die nichts von dem freieren Sinn besaßen, der ihm selbst innewohnte.

Ileisa konnte keinen gerechten Tadel gegen ihn erheben! Er hatte um sie geworben, und sie war ihm – beeinflußt durch ihre Umgebung – als eine völlig andere, als er sich vorgestellt, als sie sich an jenem Abend gegeben, kühl, ja abweisend begegnet.

Es blieb also nur die Dresdner Gesellschaft, mit der er zu rechnen hatte! Und da stutzte freilich Klamm! Die Winde würden von Berlin nach Dresden tragen, daß etwas dort nicht richtig gewesen sei! Und daß er ein Charakterloser sei, wurde dadurch erhärtet, daß er sich nunmehr wieder mit der vereinigte, die er seinerzeit so geschmäht hatte. Auch schlichen sich, nachdem sich diese Ueberlegungen in ihm festgesetzt hatten, die alten Bedenken in seine Seele, ob er mit Adelgunde von Krätz auf die Dauer glücklich werden würde.

Und das, grade das, erfüllte ihn schon bei dem bloßen Gedanken mit Sorge und Bedenken.

Grade der Lebemann, grade der, sagte er sich, der einen tieferen Einblick in die Gesellschaft gethan, der gesehen hatte, wie äußerlich und grundsatzlos sie durchweg war, schaute in erster Linie nach einem Weibe aus, bei dem er sich vor solchen Gefahren geschützt wußte.

Er wollte sich endlich retten aus dem großen Scheinleben. Er wollte unter allen Umständen ein reines Haus haben und mit all dem Eklen, das auf ihn selbst eingedrungen war während seiner Wanderjahre draußen, abschließen.


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