Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Kunsturtheile über Holbein.

Zu einer Biographie wird in der Regel eine Charakterschilderung erfordert, wenn auch der Charakter sich schon klar genug aus dem beschriebenen Leben und Streben ergibt, ja darin wahrer und eigenthümlicher erscheint, als im abgezogenen, künstlich ausgesprochenen Urtheile, das man Charakteristik nennt; denn eben in solcher unbedingten Entscheidung besteht die Schwierigkeit, ja das Unmögliche. Vollgültige Aehnlichkeit bringt nicht einmal ein Bildnißmaler heraus, und wenn hunderte dasselbe Gesicht malen, hat jedes seine besondern Züge und Farben; was aber bei blos äußerlichen Merkmalen nicht einmal erhältlich ist, wie viel schwieriger muß es seyn, wenn die ganze Geistessumme soll in die Schranken willkührlicher Ansicht gebannt werden, einer Ansicht, die uns oft mehr das Gepräge des Absprechenden als des Besprochenen zu erkennen 351 gibt. Das gilt vom Kunst- wie vom Weltleben; der individuelle Geist läßt sich nicht so leicht in eine Wortformel zwingen, je größer er ist, desto weniger. Man mag die Schranken noch so scharfsinnig abstecken, er schwingt sich darüber hinaus, oder bleibt unsichtbar in der Begrenzung; immer wird man sie zu enge oder zu weit finden. Manche mögen sich einbilden, einen Charakter zusammenstricken zu können, wie die Frauen einen Strumpf, aber was kommt dabei heraus? ein Geflechte von Eigenschaften, das den Selbstforscher niemals befriedigt, und nur dem nachsprechenden Dilettanten genügt. Die Alten waren damit behutsamer.

Statt eines solchen Charakterbildes möge hier lieber eine kleine Wolke von Zeugnissen Andrer vorüberschweben, die wenigstens da, wo sie übereinstimmen, recht haben mögen, und wo sie abweichen, zu vergleichender Berichtigung Anlaß geben können.


Carl van Mander, Schilder-Boek. 1618.

»Dieser vortreffliche Holbein, als ein Mann, der sich überall zu helfen wußte, mahlte in Oehl und Wasserfarben und Miniatur, in allem gleich meisterhaft. Er hatte in allen seinen Werken eine Behandlung und 352 sichere Festigkeit in der Anordnung, Zeichnung und Ausführung, viel anders als andre Mahler. So schilderte er Bart und Haare vollkommen nach ihrer Wirklichkeit, wußte ihnen Schatten zu geben, und mahlte darüber bis zur Täuschung wieder einzelne Härchen, mit großem Fleiße, und dennoch leicht und fließend wie in der Natur. Aehnliche Verfahrungsweisen und Vortheile wußte er auch in vielen andern Sachen mit großem Wohlstand anzubringen.«


Eygenwissentliche &c. Contrafaytungen der röm. Bäpst, erstlich in Latein von Bernhard Jobin, nochmals durch J. Fischaert teutsch beschrieben. 1573.

»So kann ich nicht ohne rühmliche Meldung gedenken des recht kunstsinnigen Johan Holbein Burgern zu Basel; mir wohl bekannt. Sintemal er beynah allein unter andern vielen die beständige wahre Geschicklichkeit und Art des rechten Mahlens durch seine offenbare Monument erhalten, und sich der fremden welschen Art zu mahlen entschlagen. – Er wurde wegen seines großen Namens, so er im Gemäl bekommen, von König. Maj. in England ehrlich berufen, da er auch seiner erwiesenen Kunst halber hochgehalten, mit Tod ist verschieden.« 353


Joachim von Sandrart, deutsche Akademie. 1675.

»Holbein ist noch in seinen Lebzeiten in so hohem Werth gewesen, daß die fürnehmsten Italiener keinen Scheu getragen, aus seinen Inventionen viel in ihre Werke zu bringen, sonderlich M. A. Caravaggio, als da Mattheus von dem Zoll durch Christum berufen wird; auch den Spieler, der das Geld vom Tisch abstreicht, und anders mehr. So erinnere ich mich, daß als Anno 1627 der hochberühmte Paul Rubens nach Utrecht den Hunthorst zu besuchen kommen, und ich ihn auf Amsterdam begleitet, auch unterwegs im Schiff in dem Büchlein Holbeins über den gezeichneten Todtentanz speculirt, Rubens selbigen sehr hoch gelobt, mit Vermelden, ich als ein Jüngling sollte es mir wohl befohlen seyn lassen, denn er selbst habe dieses in der Jugend nachgezeichnet.«


De Piles, Cours de Peinture. Paris. 1708.

In der Kunstwage, die de Piles aufgestellt hat, wo er das größte, unerreichte Gewicht der Vollkommenheit auf zwanzig Grade setzt, schreibt er dem Holbein in der 354 Composition neun, in der Zeichnung zehen, im Colorit sechszehen, und im Ausdruck dreizehen Grade zu. Unter sieben und funfzig der größten Künstler läßt er ihm nur sieben im Colorit, und im Ausdruck nur neune vorangehen. Wenn man nun die Resultate dieser Gewichte vergleicht, so kommen im Ganzen nur dreizehen große Maler über Holbein zu stehen. Da aber diese Vergleichung seltsame Ergebnisse erzeugt, so daß zusammengenommen Rubens gerade so viel zieht, als Raphael; Lebrün mehr, als Tizian und Correggio; so sieht man, daß dieß Spiel zu keiner wahren Werthbestimmung führt. Eigenschaften des Geistes lassen sich nicht behandeln und gegen einander abwägen, wie Waaren. – Doch auch de Piles selbst spricht mit bescheidenem Zweifel von seinem Kunstbarometer.


Johann Winkelmann, Geschichte der Kunst. 1764.

»Holbein und Albr. Dürer haben ein erstaunendes Talent in der Kunst gezeigt, und würden, wenn sie, wie Raphael, Correggio, Tizian, aus den Werken der Alten hätten lernen können, eben so groß wie diese geworden seyn, ja diese vielleicht übertroffen haben.« 355


Serie degli uomini i piu illustri nella pittura etc. Firenze, 1783.

»Holbein fu ammirabile per la facilità - poichè soleva, per non incommodare per lungo tempo i Personaggi grandi, delineare il loro volti colla sola matita rossa e nera, e riuscivagli poi di esprimerli con i colori senza che essi fossero presenti, con somma vivezza et somiglianza, riservandosi solo in fine a dargli gli ultimi tocchi dal vero.«


Aus Christian von Mechels handschriftlichem Nachlaß.

»Un des principaux caracteres qu'on observe surtout dans ses dessins, c'est une gaiete franche, une sorte d'abandon, qui les rend souvent très piquants, mais qui tombe aussi très souvent dans l'ignoble.«

»On remarque plus de force, plus de noblesse et beaucoup moins d'inegalités dans les ouvrages qu'il a faits en Angleterre, que dans ceux qui sont anterieurs a cette epoqueHerr von Rumohr hingegen bemerkt (Kunstblatt 1823. No. 32.), daß Holbein in spätern Jahren im Malen seine Manier aus dem Emsigen und Genauen nach und nach in's Breite und Lässige umgewandelt habe.«. 356


Ebendaselbst, aus einem französischen Eloge.

»Holbein se fraya une route nouvelle, et se forma une maniere toute particuliere, qui fit toujours l'admiration des connaisseurs; un colorit vif, naturel et harmonieux; une fraicheur qui semble braver l'injure des siecles; un fini precieux qui presente dans les plus grands details toutes les beautés de la nature, sans faire tort a l'effet, qui est aussi beau qu'on puisse l'imaginer, des touches en même tems douces et hardies, des chairs ou le sang parait circuler; un dessin elegant et correct, des raccourcis bien traités, des attitudes vraies tirées de la nature du sujet; des expressions qui font lire dans chaque figure l'état actuel de l'ame, et le degré de passion qui anime chaque personnage; des accessoirs travaillés avec assez de soin pour être des parties précieuses des ses tableaux, et avec assez d'art pour ne pas interrompre l'attention due aux objets principaux. Telles sont les qualités qui l'ont placé a coté des plus grands peintres.« – Was will man mehr? 357


Anecdotes of painting in England etc. published by Mr. Horact Walpole. 1786.

»Holbein was equal to dignified character (nicht blos für gemeine Naturen). He would express the piercing genius of More, or the grace of Ann Boleyn. - Great energy of expression. - He smoothed the stiffness of his manner by a velvet softness and lustre of colouring.«

»He painted equally well in oil, watercolours and in fresco, and although he had never practised the art of painting in miniature, till he resided in England, yet he afterwards carriedit to its highest perfection; his miniatures have all the strength of oil colours joined to the most finished delicacy.«

»The invention of Holbein was surprisingly fruitfull and often poetical, his execution was remarquably quick, and his application indefatigable. His pencil was exceedingly delicat; his colouring had a wonderfull degree of force; he finished his pictures with exquisite neatness, and his carnations were life itself. He excelled all his contemporaries in portrait, and his genuine 358 works are allways distinguishable by the true, round, lively imitation of flesh visible in them, and also by the amazing delicacy of his finishing.«


J. C. Lavaters Handbibliothek. 1791.

»Es ist überhaupt ein Charakter, und wahrlich kein geringer, dieses unvergleichlichen Meisters, in alle seine Gemählde, Zeichnungen, Skizzen, eine Gleichheit, Harmonie und Einheit zu bringen, die sich dem Wahrheits- und Intuitionssinn, dem Grundsinne der menschlichen Natur, gleich als Wahrheit und Harmonie mit sich selbst empfiehlt.«


J. G. Forsters Ansichten vom Niederrhein.

»Von Holbein sah ich hier (Christchurch-college in Oxford) ein paar schöne Köpfe, wie denn überhaupt seine besten Arbeiten in England anzutreffen sind (?). Es ist in diesen weniger Härte, als ich ihm sonst zugetraut hätteVoreiliges Zutrauen!, und eine unübertreffliche Treue. Kein 359 Strich, kein Zug ist vergessen, aber von dem Seinen ist nichts hinzugekommen; denn was der Künstler hinzuthun soll, Genie in der Darstellung und Idealisirung, das hatte er nichtAber in der Individualisirung! Ist die unvergleichliche Gabe, die Holbein besaß, die feinen, bedeutenden Züge eines Gesichtes aufzufassen, und »mit unübertrefflicher Treue,« mit den reinsten Farben, sprechend wie die Natur darzustellen, nichts von dem Seinigen, kein Genie? – Mancherlei Verstand mag Georg Forstern zu Theil geworden seyn, nur nicht der Kunstverstand. Wie verächtlich spricht er nicht blos vorher von Annibal Caracci! Raphaels Cartons sind ihm zuwider! (III. 92.); Fleiß und Anstrengung sind unverkennbar.«


Handbuch für Kunstliebhaber, nach Huber von Rost. 1796.

»Er wünschte sich selbst übertreffen zu können, und in diesen Gesinnungen ward er das Wunder seiner Zeit. In seine Porträte wußte er Geist und Leben, und in seine historische Darstellungen den erhabensten Ausdruck zu bringen. Sein Colorit ist lebhaft, sein Vortrag geistreich, seine Ausführung meisterhaft und schön beendigt, und seine Figuren sind bis zum Täuschen herausgearbeitetEin gleiches, großen Theils richtiges Urtheil gibt auch J. C. Füßli in seiner Geschichte der Schweizermaler. – Beide werden hier nur angeführt, um die Erinnerung anzubringen, daß man sich auf ihre historischen Angaben nicht verlassen soll. Beide schreiben Holbein noch den alten Baslertod, und Anderes, das er nie gemalt hat, zu, und sind voll compilatorischer Irrthümer, besonders Huber, wo er von den Holzschnitten redet.360


Lectures on painting, by H. Fuseli. 1801.

»The scrupulous precision, the high finish, and the tizianesque colour of Hans Holbein would make the least part of his excellence, if his right to that series of emblematic groups, known under the name of Holbein's Dance of Death, had not, of late, been too successfully disputedDen alten Basler Todtentanz konnte Füßli damit nicht meinen, wie das Allgemeine Künstlerlexikon glaubt, sondern das Gesagte hat Bezug auf den Todtentanz in Holzschnitten, dessen Holbeinische Echtheit damals Douce und andre Engländer bezweifelt hatten. Er spricht ja gleich darauf von Invention, als einer Charakteristik der Schweizer, und diese war es, die er hier noch über Holbeins tizianisches Colorit setzen zu müssen glaubte.


Europa, herausgegeben von Fr. Schlegel. 1803.

»Gar nicht blos auf den reizenden oder imposanten Effect geht Holbein zu Werke; er geht im Porträt auf die treueste, tiefste Wahrheit und Objectivität aus; daher meistens die Stellung ganz gerade und einfältig, der 361 Hintergrund nur eine dunkelgrüne Fläche, alles auch in der Tracht auf's fleißigste und genaueste ausgeführt. Man kann es nicht läugnen, soll das Porträt eine abgesonderte Gattung seyn, so dürfte wohl dieß die einzig richtige Methode seyn, denn wodurch kann die Kunst in der einzelnen Darstellung eines Individuums sich noch als Kunst bewähren, außer durch die strengste Objectivität, wo der Charakter recht in seiner Beschränktheit concentrirt, und gleichsam fest eingeschlossen erscheint, wie es auch bei Holbein der Fall ist?«

»Stellung, Hand und Kleidung pflegen beim Holbein jedes wiederum den Charakter des Gesichts auszusprechen, wodurch denn die Eigenheiten desselben, oft beinahe zur Caricatur, deutlich und objectiv werden.«

»Holbeins Farbe ist gleichsam nur der Abdruck seiner eignen Kraft und Männlichkeit, ein einfacher, reiner Accord von dunkelm Schwarz, brennendem Roth, oder kräftigem Gelbbraun, der in dem unvergleichlichen Bilde zu Dresden am deutlichsten herauskommt, der Tendenz nach aber sich überall zu erkennen gibt.«

»Die Madonna zu Dresden, wo Demuth so schön mit Göttlichkeit verbunden ist, muß ich darum weit wahrer finden, als die Madonna von Raphael ebendaselbst, die zwar göttlich blickt und gestaltet ist, aber 362 mit einer zu allgemeinen Göttlichkeit, so daß auch wohl eine Juno oder selbst eine Diana so seyn könnte.«

»Holbein hat sich dem Johann von Eyck nachgebildet.«

»In Holbein beschließt die deutsche Kunst ihre Entwicklung mit einer bis zur äußern Glätte und Weichheit vollendet ausgebildeten Genauigkeit und Richtigkeit.«


Christian Mannlich, Beschreibung der Churpfalz – Bayerischen Gemäldesammlung. 1805.

»Holbein der Sohn war ein genauer Nachahmer der Natur; seine Färbung ist wahr, oft kräftig. Seine Zeichnung so wie seine Composition naiv, natürlich, ungezwungen, und seine Ausarbeitung, obgleich sehr fleißig, ist nicht so trocken und schneidend, als es zu seiner Zeit gewöhnlich war. – Seine Zeichnungen mit roth und schwarzer Kreide sind in Wahrheit, Richtigkeit und naiver Nachahmung der Natur von großem Werthe.«


H. Heinrich Füßli, allgemeines Künstlerlexikon. 1808.

»Seine Erfindungen in historischen Zusammensetzungen waren nicht selten groß, gelehrt, und bisweilen 363 echt poetisch. Das Ideal, welches er sich schuf, war freylich nicht Raphaels seines, nicht aus den Antiken, aber aus dem Schönsten geschöpft, was die Natur um ihn her darbot, und sein großer Geist zu veredeln wußte. In richtiger Zeichnung durfte er nur wenigen, in der Wahrheit des Ausdrucks und des Colorits, so wie überhaupt in allem, was meisterhafte und völlige Beendigung heißt, keinem seiner Zeitgenossen weichen. – Ihm fehlte bei seinem feinen, weichen und markichten Pinsel nichts als gelindere Umrisse, und bei seiner Kraft, die Natur aufzufassen, nur noch etwas mehr Sinn für das Ideal des Charakters. – Milizia nennt ihn den Einführer einer bessern Baukunst in England, und bemerkt von dem Porticus zu Wilton: der Geschmack daran sey zwar reiner, als derjenige vieler seiner Nachfolger, aber doch immer eine Bastardgattung zwischen dem Gothischen und Griechischen; Ornamente und Ebenmaß daran aber wären graziös und wohlgewählt.«


Göthe, zur Farbenlehre. 1810.

»Holbein ahmte die Farben der Naturgegenstände sehr treu nach. Er ist zarter in den Tinten, als Dürer, 364 weiß den Pinsel gewandter zu führen, und die Bestimmtheit artet selten bei ihm in Härte aus.«


Mittheilung eines Kunstfreundes. 1813.

»Holbeins Manier war feste und richtige Zeichnung – nicht große Partien, nicht frappante Beleuchtung. Er verbindet Treue mit Freiheit, Correctheit mit Kraft. Seine Ausführung ist zart und fein; sein Colorit wahr, weich und lauter, nur unterordnete er oft die Nebensachen nicht genug. Die Umrisse seiner Figuren sind zuweilen hart, welches er, so wie den Fleiß der Ausführung und die Haltbarkeit der Farben mit den besten deutschen Malern gemein hatte.

»Weniger flach als Cranach und besser in der Zeichnung. – Er wußte den Charakter eines Gesichts besser aufzufassen, als Dürer.

»In schönen Gesichtsbildungen ohne eckigte Umrisse und borstiges Haar, wo auch die Kleidung in sanften Falten und harmonischen Farben dahinfloß, wo also die Natur selbst schon für den Geschmack gesorgt hatte, war Holbein den größten Porträtmalern an die Seite zu setzen. Nicht Genie, aber der idealische Geschmack fehlte ihm.

365 »Ein Charakter von Ueppigkeit und froher Lebenslust ist in seinen Werken, besonders in seinen Zeichnungen sichtbar. Seine Figuren sind breit, wohlgenährt, sinnlich, und haben nichts von der altdeutschen Frömmigkeit.«


Schorn, Kunstblatt 1820.

»Das Eigenthümliche aller dieser Bildnisse besteht in der unbefangenen Treue und Objectivität, womit der Charakter des Individuums ergriffen und in lebendiger Ruhe geschildert ist. Nicht die vortheilhafte Erscheinung des Gesichts, der Figur, des Geistes und der Gesinnung in diesem oder jenem vorübergehenden Augenblick suchten diese alten Meister im Porträte festzuhalten, sondern die bleibende Eigenthümlichkeit, die Natur und Leben zusammenwirkend ausbilden, und deren spezifische Mischung Individuum von Individuum sondert. Diese strenge Auffassung des Charakters unterscheidet sie von den meisten neuern Porträtmahlern, welche, mehr dem Ausdruck huldigend, darauf ausgehen, einen dem Geist und der Figur günstigen Moment darzustellen, und so ein erhöhtes bewegtes Leben schildern, das aber nicht als das durchgehend wahre und eigenthümliche anerkannt werden kann.« 366


Kunstblatt. 1823.

»Holbeins Bildnisse haben etwas Eigenthümliches, wodurch sie sich auf den ersten Blick als Productionen dieses Meisters ankündigen. Er hält sie fast durchaus im Lichte, und weiß ihnen doch eine Rundung zu geben, die Andre oft mit allen Schattenmassen nicht hervorbringen. Dadurch gewinnen sie eine außerordentliche Klarheit und Reinheit. Auch sind seine Köpfe bey aller Ruhe sehr ausdrucksvoll und von einer sprechenden Individualität, die sich jedoch nie in bedeutungslose Zufälligkeiten verliert.«


C. A. Böttiger, Andeutungen zu M. Retzsch Fridolin. 1823.

»Man hat es immer als einen Zug reiner Naivetät in dem herrlichen Bilde von Holbein auf der Dresdner Gallerie mit Recht angeführt, daß, indem der Bürgermeister Meier in Basel mit seiner ganzen Familie, Frau, Söhnen und Töchtern in unaussprechlicher Inbrunst vor der Hochgebenedeiten knien und bethen, das jüngste Knäblein der Familie allein in harmloser Kindlichkeit noch nicht bey der Sache ist, und auf andre Gegenstände seine Aufmerksamkeit zu richten scheint.« 367


Kunstblatt. 1824. Altdeutsche Gemälde in dem Schlosse Wallerstein.

»Des jüngern Holbeins vollendete Kunst ist nicht als plötzliche Erscheinung, sondern als würdige Krone einer herrlichen Reihenfolge der wiederauflebenden deutschen Kunst zu betrachten.« 368



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