Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Holbein wird dem Könige Heinrich VIII. bekannt.

Nach der außerordentlichen Gnade, worin Morus damals bei dem Könige standRex Morum sic in intimis habet, schrieb Erasmus an Hutten, ut a se nunquam patiatur discedere., wurde er öfters von demselben in seinem Landhause zu Chelsea auf eine vertrauliche Weise besuchtDiese Gnade war so auffallend groß, daß der Schwiegersohn des Morus selbst darüber erstaunte; jedoch Morus, der die Menschen und die Herren kannte, antwortete: Der König behandelt mich allerdings mit ausnehmender Güte, indessen darf ich nicht stolz darauf seyn, denn, glaube mir, mein lieber Roper, wenn er eine einzige Festung in Frankreich mit meinem Kopfe gewinnen könnte, er würde ihn unbedenklich daran geben. (Brittischer Plutarch, Leben Morus.) – Eine dunkle Ahnung dessen, was nachher geschah.. Bei einem solchen Anlaß kam nun die Sammlung Holbeinischer Leistungen zum Vorschein, die des Morus kluge Sorgfalt bisher vor dem Könige 209 zurückgehalten hatte, um ihn desto auffallender mit dem Anblick mehrerer Bilder zu überraschen. Heinrich, dessen unbeständiger, grausamer Charakter sich erst später entwickelte, war damals noch ein gepriesener Regent, und ein geistreicher Freund der Künste, die er freigebig in seine Nähe zogQuo principe vix alius hodie vivit omnibus regiis dotibus ornatior, nec alienior a tyrannide, nec gratiosior apud suum populum. (Erasmus M. Laurino. 1523.).

Er bezeugte sein hohes Wohlgefallen an der unübertrefflichen Wahrheit, die er vor sich sah, und fragte nach dem Maler, der ihm sogleich vorgestellt werden mußte. Nun ich den Meister habe, sagte er zu dem Kanzler, der ihm die Sammlung als ein Zeichen seiner Verehrung angeboten hatte, bedarf ich dieser Bilder nicht, er soll mich schon befriedigenVan Mander, Art. Holbein.. Holbein mußte von Stund an in die Dienste des Königs treten, bekam eine Wohnung im Pallast, ihm wurde ein Gehalt von dreißig PfundWie Walpole (I. 161.) aus spätern Rechnungen beweist. zugesichert, nebst der besondern Bezahlung seiner GemäldeEbendaselbst. I. 110..

So ward nun der arme Holbein von Basel, der dort wegen Unruhe der Zeiten Mühe gehabt, sein 210 tägliches Brot zu gewinnen, in die große Welt von London eingeführt, beliebt und gesucht am Hofe eines prachtliebenden Königs. In eine beneidenswerthe Lage hatte ihn endlich das Glück und seine hohe Kunst versetzt; und eine gebührliche Lebensart hatte er im Umgange mit dem weisen Morus angenommen, in dessen Hause, wie Erasmus an Hutten schrieb, nie jemand gelebt hat, der nicht den Weg zum bessern Glücke gefunden, oder jemals Schaden an seinem guten Namen gelitten hätteHujus domus fatalis quaedam videtur felicitas, in qua nemo vixit, qui non profectus sit ad meliorem fortunam, nullus unquam ullam famae labem coutraxit. (Erasm. ad Huttenum. 1519.). – Wer kann jedoch seines alten Adams ganz los werden; nicht einmal bejahrte Heilige können es, wie viel weniger ein frohsinniger junger Mann in der Blüthe seiner Kraft! Es wäre sich darum auch nicht zu verwundern, wenn in des Künstlers weiterem Leben mitunter noch Merkmale früherer Angewöhnungen seines derben Natursinnes und sorgenlosen Wandels zum Vorschein kämen. Doch erfährt man nirgends etwas von Ausschweifung, auch nicht, daß die Schönen Englands, deren Reize und Manieren einst Erasmus so anziehend gefunden hatteSunt hic nymphae divinis vultibus, blandae, faciles. – Est praeterea mos nunquam satis laudatus: sive quo venias, omnium osculis exciperis, sive discedas aliquo, osculis dimitteris; redis, redduntur suavia, disceditur abs te, dividuntur basia; occurritur alicubi, basiatur affatim, denique quocunque te moveas, suaviorum pletia sunt omnia etc. (Fausto Andrelino, ex Anglia.), einen nachtheiligen 211 Einfluß auf seine Sitten gehabt hätten. Dabei wußte er sich von Anfang bis zu Ende in der Gunst des leidenschaftlichen Monarchen zu erhalten, welches allerdings ein kluges Betragen voraussetzt.

Nach einer solchen Aufnahme von der allerhöchsten Person des Reichs, und bei den in die Augen leuchtenden Vorzügen seiner Kunst konnte es nicht wohl anders seyn, als daß Holbein bald der gesuchteste Maler seiner Zeit werden mußte, einer Zeit, wo England, wie niemals vor und nachher, reich an einheimischen und fremden Künstlern war, wofern wahr ist, was Fiorillo an zwei Orten versichert, daß damals gegen funfzehntausend flamändische Künstler sich in England aufgehalten habenDie der König nachher aus dem Lande wies, weil er sie für Anhänger seiner ersten Gemahlin hielt, von der er sich hatte trennen lassen. (Gesch. der Malerei in Großbr. S. 223., und Gesch. der zeichn. Künste in Deutschland. III. 192.), ohne die Italiäner und Franzosen, deren auch eine beträchtliche Zahl war. Unter so vielen den ersten Rang zu behaupten, und noch bis auf den heutigen Tag dafür 212 anerkannt zu seyn, dazu braucht es wohl auch eine überlegene Gabe.

Von den Holbeinischen Skizzen von Köpfen, die er seiner beständigen Gewohnheit nach erst mit schwarzer Kreide auf gefärbtes Papier entwarf, ehe er sie malte, werden noch hie und da einzelne in Sammlungen als Reliquien aufbewahrt, mehrere auf der Basler Bibliothek; das schönste aber dieser Art wurde im vorigen Jahrhundert in dem Palaste zu Kensington aufgefunden, wo die Königin Caroline selbst in einem Schrank eine reiche Sammlung solcher Originalentwürfe entdeckte. Man fand, daß es meistens Bildnisse von Personen seyen, die unter der Regierung oder am Hofe Heinrichs VIII. gelebt hatten. Da viele derselben in den Jahren des frühern Aufenthaltes Holbeins in England gemacht sind, so wird wohl hier der schicklichste Platz seyn, davon zu sprechen. Walpole's Angabe zufolge wurden sie nach Holbeins Tod in Frankreich verkauft, und von da zur Zeit Carls I. nach England zurückgebracht, und diesem Monarchen überlassen. Carl vertauschte sie gegen einen heiligen Georg von Raphael an den Grafen von Pembroke, und dieser überließ sie dem Grafen Arundel, in dessen Besitze sich schon eine reiche Menge Holbeinischer Kunstsachen befand. Als die Arundelische Sammlung zerstreut wurde, fanden diese 213 Zeichnungen wieder den Weg unter den königlichen Schutz, und wurden in Kensington so gut verwahrt, daß man lange Zeit gar nichts mehr von ihnen wußte. Nach der Wiederauffindung ließ sie die Königin in ihre Wohnung bringen, und statt der Rahmen, worin sie lange eingeschlossen gewesen, in zwei großen Bänden aufbewahren. Es sind neun und achtzig Stücke, wovon aber einige doppelt, andre verwischt, oder in den Umrissen von ungeschickter Hand umzogen, ein großer Theil aber vortrefflich erhalten seyn sollen. Allen sind Namen beigeschrieben, die nach Walpole's muthmaßlicher Meinung von John Cheke herstammenIn alten Schriften des Hauses Lumley, sagt er (Anecd. I. 131 etc.) geschieht eines solchen Kunstbuches Erwähnung, mit der auffallenden Bemerkung, daß es Eduard dem VI. zugehört habe, und daß die Namen von Cheke hinzugeschrieben worden. – Dieser Mann war ein Gelehrter damaliger Zeit, dem die Erziehung des jungen Eduards anvertraut war, und der den Namen eines königlichen Ministers führte. Er konnte also wirklich die Personen kennen. Aber diese Nachricht stimmt nicht mit der oben angeführten Geschichte der Zeichnungen überein.. Ob aber alle richtig angegeben seyen, steht noch dahin; Zweifel dagegen finden sich schon oben bei der Lady Berkeley, und bei Melanchton; John Colet war lange vor Holbeins Ankunft in England schon todt; auch sind mehrere Namen von ungleicher Hand, oder die 214 angegebene Jahrzahl ist nicht passend, wie bei John Fisher, Bischof von Rochester.

»Diese Köpfe sind,« bemerkt Walpole weiters, »in einer kecken (nach den Copien zu schließen, könnte man eher sagen, zarten) und freien Manier gezeichnet, und wiewohl sie wenig mehr als den Umriß und kaum etwas Schatten haben, so zeigt sich doch eine Kraft und Lebendigkeit in denselben, wie in den vollendetsten Porträten.« Diesem Urtheil entsprechen auch die Nachbildungen von Bartolozzi in dem Werke, das John Chamberlaine 1792 herausgab.

Diese sind mit großer Sorgfalt in punctirter Manier gestochen, und auf ähnliches Papier und mit ähnlichen Farben wie die Originale abgedruckt. Ein herrliches Werk, untadelhaft in genauer richtiger Zeichnung, und auch in der mechanischen Ausführung nur von einigen neuern Steindrücken übertroffen, indem zuweilen die Bartolozzische Manier in den Schatten noch etwas zu kupferstecherisch obwaltet. Wollte man noch etwas daran aussetzen, so möchte es vielleicht der allzuröthliche Ton des Papiers bei mehrern Blättern seyn. Holbein wählte das fleischfarbne Papier, weil dieses ihm die Localfarbe des Gesichtes angab, der er nur mit farbiger Kreide etwas nachzuhelfen brauchte; wo nun aber der Grund außerhalb der 215 Figur allzustark in's Rothe fällt, wird dadurch die Haltung der Gesichtsfarbe wieder gestört, und der Gegenstand erscheint matter und flächer.

Zu Holbeins bleibender Ehre hätte jedoch kein schicklicheres Monument gewählt werden können, als so ein Liber veritatis (wie man von Claude Lorrain ein ähnliches in seinem Fache hat), so ein Buch der Wahrheit, das in zahlreichen Blättern, durch die genaueste Nachbildung in Kupfer vervielfältigt, sein eigenthümliches Schaffen auf Welt und Nachwelt verbreitetDer Titel des Werkes ist: Imitalions of original drawings by Hans Holbein, in the collection of his Majesty, for the portraits of illustrious persons of the court of Henry VIII, with biographical tracts. Published by John Chamberlaine, keeper of the King's drawings and medals. Fol. London. 1792. – Recensionen davon sollen (nach Fiorillo's Gesch. der Mal. in Großbr. S. 208.) sich in Gentl. Magaz. T. LXX. etc. und Monthly Review T. XXV. befinden. – Auch führt Fiorillo (Gesch. der Mal. in Deutschl. II. 392.) eine Fortsetzung oder Beilage zu diesem Werk an, die 1813 unter dem Titel: The Holbein portraits in his Majesty's collection, einem etwas kleinern Format erschienen, aber eben so treu ausgeführt seyn soll..

Hier ist seine große Kunst sichtbar, die das Individuelle in harmonischer Wahrheit aufzufassen, und mit wenigen feinen sprechenden Zügen so anschaulich darzustellen weiß, daß man von der Aehnlichkeit überzeugt wird, 216 ohne das Original gesehen zu haben. Hier, in diesen Entwürfen, faßte er die Gesichter auf, gerade wie sie waren, um bei der Ausführung in Farben die nackte Wahrheit vor sich zu haben, wo er dann schon, allfälliger Eitelkeit zu Lieb, diesem oder jenem Zuge etwas mehr zu gefälligem Daseyn verhelfen konnte; denn daß er im erforderlichen Falle auch das Verschönen verstanden habe, wird man in der Folge sehen.

Daß er aber vom Idealisiren eines Gesichtscharakters nichts wußte, oder nichts wissen wollte, wie ihm von Kunstrichtern vorgeworfen wird, ist wahr. Er hatte, wie sich jetzt die neue Lehre ausspricht, weder »die Idee der Urschönheit, als Einheit des Wahren und Sittlichguten, mittelst des Glaubens in seinem Gemüthe empfangen, und in beharrlicher Liebe außer sich als idealisches Product darzustellen« sich bemüht, noch war ihm »die Natur (wenigstens mag er es nicht deutlich empfunden haben) das belebte geistige Symbol der ewigen Idee, die in ihr sich verkörpert hat, und den Abglanz göttlichen Lebens tiefbedeutend wiederstrahltKunstblatt. No. 43. 1823..« Niemand ist alles gegeben; Holbein diente auch der Natur, aber er war blos ihr getreuer Knecht; doch schaute er mit dem hellsten 217 Blicke, und was er schaute, wußte er mit sicherer Hand und in den reinsten Farben unverfälscht wieder zu geben, so daß ein gewöhnliches Auge erst in seinem Nachbilde das Urbild richtig anschauen lernen konnte. Die Individualität des Blickes, die Natürlichkeit des Mundes und der beweglichen Gesichtstheile, hat kaum ein Maler trefflicher und mit minder Auswand dargestellt. Er muß sich ein besonderes Studium daraus gemacht haben, diese unbefangene Natürlichkeit zu erhaschen, und günstige Momente festzuhalten. Man merkt es den Mienen gar nicht an, daß sie dem Maler gesessen haben, welches schwerer zu vermeiden ist, als man glauben sollte. Die Leute erscheinen wie sie waren, nicht etwa wie ein höher Begeisterter sie sich in seinem subjectiven Schönheitsideale hätte vorstellen mögen. Aber so eine Anzahl bedeutender Menschen aus der Vorzeit (wie in diesen Zeichnungen) in ihrer wahren Natur, in ihrem unverstellten Daseyn zu sehen, ist doch auch Etwas!

Mag hiezu nicht auch die Gewohnheit beigetragen haben, die Holbein fast durchgehends beobachtete, daß er nämlich die Augen seiner Porträte höchst selten, und wahrscheinlich nur wenn es verlangt wurde, oder wenn er das Gesicht ganz von vornen nahm, den Maler ansehen, sondern seitwärts blicken ließ, und dem Blicke die Richtung 218 des Kopfes gab? Zwei Augen können sich nicht in gegenseitigem Anblicke aushaltend begegnen, ohne daß das Eine vor dem Andern etwas von seiner selbstständigen Kraft verliere. Gewöhnlich ist das Künstlerauge das stärkere, oder sollte es seyn; das Tiefeindringende, Durchblickende, Ausholende in dem Anschauen des Malers macht die Schwachen blöde, und die Starken, die sich nicht wollen ausholen lassen, kalt. Nach der Seite gewandt, wohin sich das Antlitz kehrt, behält das Auge am meisten Unbefangenheit, ohne etwas am Ausdruck zu verlieren.

Wenn es nur ein so Leichtes wäre zu idealisiren, als davon zu sprechen! Nicht jeder Maler idealisirt, der es gerne möchte, und mancher ist darüber, wo nicht zu Grunde gegangen, doch mit seinem Streben mehr rück- als vorwärts gekommen. Ein Gesicht idealisiren, heißt: dasselbe auf die höchste Stufe seines Charakters setzen, oder mit Beibehaltung persönlicher Aehnlichkeit in Zügen und Stellung veredeln. Um dieß zu bewirken, muß der Maler einen bestimmten Begriff von den verschiedenen Klassen menschlicher Bildungen haben, es muß ihm ein geistiger Typus derselben vorschweben, um das Eigene des Menschengesichtes, das er malt, der Urform, die zu demselben paßt, annähern zu wissen. So erhoben die Alten das Individuum in ihren Bildsäulen, so that es 219 Raphael mit Maaß, und so suchte van Dyck immer zu idealisiren. Dieß mag allerdings das Höchste der Bildnißmalerei seyn, es ist aber auch das Schwerste und Gefährlichste, weil es die Poesie der nachbildenden Kunst ist. Bei Bildsäulen mag eine solche Veredlung deßwegen ein Erforderniß seyn, weil da keine Farben sind, und nur plastische Wirklichkeit ist, wo das Auge gleichsam betastend fühlt; ein Erforderniß auch bei Darstellung von Regenten und Helden, die mehr wie Repräsentanten ihrer Gattung dastehen, als wie Porträte; sie werden als Gegenstände der öffentlichen Verehrung angesehen, und dürfen also nicht wohl etwas Kleinliches, Häusliches, Gemeines in Gesicht und Stellung haben. Alles, was zu der blos vornehmen Welt oder dem Pöbel sprechen soll (denn hier berühren sich auch die Extreme), muß Schein und imponirende Form haben; die nackte Wahrheit macht da keinen Eindruck. – Ob sich aber diese Ueberwirklichung der Natur auch für Familienporträte schicke, ob es dem Freunde, dem treuen Gatten, den zärtlichen Kindern nicht erwünschter sey, das Bild des Geliebten nach der Wahrheit der Natur zu haben, wie er leibte und lebte, als nach einem Ideale, wie er allenfalls hätte seyn können und sollen, das kann kaum die Frage seyn.

Der Unterschied zwischen einem naturgetreuen Bilde, 220 und dem, wo der Maler die Natur zu veredeln gedachte, ist gleich der Verschiedenheit einer wahren Lebensgeschichte und einer Lobrede; wem um Wahrheit zu thun ist, liest doch lieber die erste. Die Natur treu und rein aufzufassen, ist aber auch kein Leichtes; und so wie es oft weniger Mühe kostet, ein Eloge idealisch aufzuputzen, als einen wirklichen Charakter getreu zu schildern, so ist es auch einem geübten Zeichner leichter, einem Gesichte subjective Schönheit zu geben, als objective WahrheitDie Natur in ähnliche Häßlichkeit zu verzerren, ist die Kunst des Stümpers. Caricatur ist das Ideal des Häßlichen, und über die Sphäre des Stümpers..

Köpfe die an sich schon geistreich sind, gewinnen selten durch versuchte Veredlung der Formen. Von allen Bildern Friedrich des Großen ist keins so an Geist und Ausdruck gelungen, wie das zu Pferde, welches der unidealisirende Chodowiecki blos der Natur gemäß machte, das zugleich zehnmal idealischer ist, als alle übrigen. Schwerlich hätte ein andrer Maler den Erasmus so richtig als einen generischen Charakter dargestellt, wie es Holbein gethan hat. Etwas Aehnliches mag auch Oliver Cromwell gefühlt haben, als er seinem Maler sagte: Herr Lely, ich verlange, daß ihr alle eure Kunst anwendet, mein Gemälde mir ganz gleich zu machen, und mir nicht 221 zu schmeicheln; ihr müßt keinen starken Zug, keine Furche noch Warze und dergleichen übergehen, sondern mich ganz so malen, wie ich vor euch sitze, sonst zahl' ich euch keinen PfenningWalp. anecd. of painting..

Wie aber jede gute Eigenschaft übertrieben werden kann, so auch die Naturtreue. Kunst hat ihre Gränzen, sie muß Kunst bleiben, und nicht durch allzugroße Annäherung an die Natur gleichsam in sie übergehen wollen, wie einige Bildnißmaler versucht, und damit mehr Kunststücke als Kunstwerke geliefert haben. Dieß war Holbeins Fall nicht, darum wird es auch hier weiter nicht berührt; der Abschnitt ist ohnehin lang genug geworden in der Absicht, einige dem großen Künstler vorgeworfene Mängel durch Beleuchtung seiner Vorzüge zu mildern, daneben auch irrige Ansichten und übertriebene Forderungen von Idealisirung in Bildnissen, wie man sie noch unlängst in akademischen Vorlesungen hörte, wo möglich zu berichtigen.

Allzugroße Treue in Nebensachen, die er nicht genug unterordnete, oft harte Umrisse, Nachlässigkeit in der Anordnung und in Vertheilung des Lichts, Mangel an Geschmack, und was man ihm sonst noch Schuld geben 222 will, mag mehr oder weniger seinen Grund haben, dessen ungeachtet gehört Holbein doch immer unter die ersten aller Maler für anspruchlose Menschenbildnisse, die nicht schöner und nicht häßlicher, nicht besser und nicht schlechter, nicht höher und nicht niedriger als die Natur seyn sollen. Man sieht in seinen Bildern nicht die Anmaßung des Malers, wie dieß bei andern so oft der Fall ist, sondern nur den wahren Gegenstand in lebendiger Klarheit, »den Moment des reinsten Daseyns,« wie Schlegel sagt.

Ein großes Hinderniß für Darstellung gefälliger Formen fand er aber auch in der damaligen abgeschmackten Tracht der englischen Damen, besonders in dem vieleckigten, weitläuftigen, steifen, alle Haare sorgfältig verbergenden Kopfputze. Diese Mißform war damals vornehme Mode; es durfte also bei den meisten Frauen keine Rede davon seyn, etwas wegzulassen, oder durch einfache Eleganz zu ersetzen. Er trug alles dieses in seine Vorentwürfe über, wie es die Gegenwart zeigte, ohne sich die Mühe zu geben, eine einzige Falte anders zu ordnen; ja er scheint sich in dem Versuche gefallen zu haben, verworrene, schiefe und schwierige Kniffe und Ecken der Tracht richtig angeben zu können. Treu blieb er dann auch im Oehlgemälde, jedoch wußte er als Maler manches Rohe und Steife zu glätten, oder wenigstens mit Farben zu sänftigen.

223 Früher schon hatte Richard Dalton mehrere Köpfe aus dieser Sammlung der Königin Caroline radirt herausgegeben; sie sind von richtiger Zeichnung, aber rohem Stiche, und durch Bartolozzi's Kunstwerk in Geringschätzung gekommen. 224

 


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