Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Schicksal seiner Werke.

Obgleich die Erzeugnisse seines Fleißes zahllos waren, so ist doch die Menge der noch wirklich vorhandenen geringer, als man glauben sollte. Die Zeit von dreihundert Jahren zersplittert durch sich selbst schon den gebrechlichen Stoff, und dann war diese Zeit früher mit so viel wilden Ereignissen in England erfüllt, daß für Erhaltung von Kunstsachen kaum noch bei einzelnen Besitzern Rücksicht genommen werden konnte. Als in dem bürgerlichen Kriege unter Carl I. das schwärmerische Parlament sich der Herrschaft anmaßte, bewies dasselbe eine Wuth gegen geistliche Bilder, noch stärker, als die Glaubensläuterer unter Eduard VI. gezeigt hatten. Nach einem Befehl dieses Parlaments von 1645, den Walpole anführt, mußten alle Bilder in Yorkhouse, welche die zweite Person der Dreifaltigkeit, oder die heilige Jungfrau bezeichneten, 282 sogleich verbrannt, und die übrigen verkauft werden. Cromwell suchte zwar von Zeit zu Zeit diesem fanatischen Eifer, der noch lange fortdauerte, Einhalt zu thun, vermochte es aber damals noch nicht, und Ludlow war kaum im Stande, den Verkauf von Hamptoncourt zu verhüten, und zog sich darüber noch den Tadel seiner Freunde zu. Selbst als Cromwell nach dem Tode des Königs, 1649, zur unumschränkten Gewalt gelangt war, hatte die Zerstreuung der königlichen Kostbarkeiten und Kunstsachen noch ihren verderblichen Fortgang; er mußte die Meinungswuth schonen, die sein Hebel und seine Stütze war. – Noch 1653 war eine Versteigerung übrig gebliebener Gemälde, wobei es sehr eilfertig und unordentlich zuging; viele derselben kamen in's Ausland. Cromwell selbst kaufte die Cartons von Raphael um dreihundert Pfund; Frobenius und Erasmus von Holbein galten zusammen zweihundert Pfund, und ein schwarzgekleideter Mann von eben demselben hundert und zwanzig PfundWalpole. II. 106, 114.. – Bei einer ähnlichen Versteigerung der Kunstsachen in Greenwich soll auch eine Handschrift (piece of writing) von Holbein vorgekommen seyn, die für zehen Pfund verkauft wurde; was mag das wohl gewesen seyn, wenn es Etwas war?

283 Was nach solchen zerstörenden Ereignissen noch in Privatsammlungen gerettet schien, davon ging ein großer Theil bei dem Brand von London, 1666, wo über dreizehntausend Häuser ein Raub der Flammen wurden, zu Grunde. Dieß unglückliche Schicksal hatte unter andern auch ein Familiengemälde Holbeins, das der Vater des Lordschatzmeisters Oxford, als er über die Londonbrücke ging, und wegen eines Regenschauers genöthigt war, in einen Goldschmiedsladen einzutreten, daselbst entdeckt, und dem Eigenthümer, in dessen Hause Holbein ehemals wohnte, hundert Pfund dafür geboten, auch den Handel wirklich geschlossen hatte, nur mit dem Vorbehalt des Goldschmieds, das Bild noch einigen Personen vorzuweisen; aber des folgenden Tages entstand die Feuersbrunst, und das Gemälde war verlorenWalpole. I. 133..

Ein und dreißig Jahre später, 1697, verbrannte der Pallast zu Whitehall nebst hundert und funfzig anstoßenden Häusern der vornehmsten Edelleute des Hofes, und damit war es um alle königlichen Kunstsachen geschehen, die der bürgerliche Krieg und die parlamentarischen Versteigerungen übrig gelassen hatten. Von einigen daselbst befindlich gewesenen Bildern Holbeins ist schon oben 284 gesprochen worden; von andern mehr spricht van Mander als Augenzeuge und Horaz Walpole.

Nach solchem Unstern kann es nicht befremden, wenn in England wenig öffentliche Werke mehr von ihm vorhanden, und sie auch in Privathäusern selten sind. Walpole konnte mit Hülfe des unermüdlich nachspürenden Vertue's kaum etliche zwanzig zuverlässig echte Oehlgemälde in England ausfindig machen, und ein späteres handschriftliches Verzeichniß eines Sachkundigen von dorther gibt auch wenig mehrere an. Es ist allerdings anzunehmen, daß in den schwerzugänglichen Schlössern und Landsitzen reicher Engländer noch manche Holbeinische Bilder vorkommen; auch ermangeln unsre Reisebeschreiber nicht, uns einen bärtigen Luther, einen Johann BelinDieser Kopf des Johann Bellino könnte wohl eher von Girolamo Pennacchi gemalt, und von ihm nach England gebracht worden seyn. Er war zu gleicher Zeit mit Holbein am Hofe Heinrichs VIII. angestellt., den Holbein nie gesehen haben konnte, eine Maria Stuart in Lebensgröße, und dergleichen mehr, als Erzeugnisse dieses Meisters anzupreisen; denn zahllos sind die Werke, die seinem berühmten Namen aufgebunden worden und noch werdenHolbein has been complimented with a thousand wretched performances that were unworthy of him. Walp. I. 102.. So schrieb man ihm lange Zeit mehrere 285 Bilder, die sich jetzt in Windsor befinden, zu: die Spornschlacht, das Lager von Goldstoff, das Unternehmen auf Boulogne, und andre mehr, die auf die Geschichte Heinrichs VIII. Bezug hatten, bis man einsah, daß diese Stücke nicht nur geringer als seine Kunst, sondern zum Theil auch zu einer Zeit gemalt seyen, bevor er nach England gekommen.

So galt auch ein berühmtes Gemälde der Belagerung von Pavia, welches in Wilton war, lange für seine, jetzt für eine unbekannte ArbeitWalpole gibt Albrecht Dürer als den Verfasser an..

Es läßt sich auch wohl begreifen, daß unter der großen Anzahl von Künstlern, die sich zu jener Zeit in England befanden, es viele gegeben habe, die Holbeins Eigenthümlichkeit nachstrebten, weil er den größten Ruhm hatte; und unter solchen Bestrebungen mußten wohl auch manche gelungene seyn, die nachher unschwer für echte Holbeine genommen werden konnten, so wie in der Schweiz noch Hans Aspers Bildern diese Ehre zu Theil wird. – Franz Clüet, in England unter dem Namen Janet bekannt, und daselbst zu eben der Zeit beschäftigt, war einer von denen, dessen treffliche Stücke noch jetzt mit denen von Holbein verwechselt werden. So erging es einer ganzen 286 Sammlung, die der Graf von Carlisle zu Castle-Howard als Holbeinische Bilder aufgestellt hatte, die sollen nun alle von Janet herrührenFiorillo Mal. in Großbritt. 203, nach Gentlem. Magaz 1794.; denn so war es nun einmal in England von denen, so das Wort führten, angenommen, was man nicht gern für Holbein anerkennen mochte, das mußte Janet heißen. – Auch Richard Stevens, ein Maler und Bildhauer, der etwas später gelebt, soll den Styl Holbeins so gut nachzuahmen gewußt haben, daß der Maler Jervas ein Bildniß des Lords Lumley, welches Stevens verfertigt hatte, so übereinstimmend in Farbe und Zeichnung mit der Manier Holbeins fand, daß er sich selbst darüber täuschte, und den Schluß machte, viele Bilder, die diesem zugeschrieben werden, müßten Arbeit von Stevens seynWalpole. II. 274..

Weniger selten noch sind Holbeins Werke auf dem festen Lande, weil bei jener gewaltsamen Zerstreuung des Kunstschatzes Carls I. vieles nach Spanien und den Niederlanden, und zu Handen des deutschen Kaisers verhandelt wurde. Unter den Kunstsachen der königlichen Schlösser in Spanien mag bis anhin noch manches versteckt und unbekannt geblieben seyn, weil sowohl die vornehme als 287 die gelehrte Kennerschaft des vorigen Jahrhunderts nächst den Antiken nur den italiänischen correcten Styl seit Raphaels Zeiten bewunderte (der freilich alle Bewunderung, nur, wie nichts in der Welt, keine ausschließliche, verdiente), und weil ältere, besonders deutsche Kunst, wenn man ihr auch insgeheim den Beifall nicht versagen konnte, öffentlich nur mit Bedauern als gothische Unvollkommenheit genannt werden durfte, indem es erst in gegenwärtigem Jahrhundert dahin gekommen, daß man sich wieder mit mehr Geistesfreiheit über ihr Verdienst zu äußern wagte»Der geringe Geschmack, den man den Werken der ältern Florentinischen Meister finde, hat mich gehindert, sie zu sehen,« schrieb Ramdohr (Mal. in Rom &c. III. 164.) noch im Jahre 1798. Dieser »geringe Geschmack« hielt ihn auch ab, sich bei altdeutscher Malerei aufzuhalten.. Daher findet man auch bei damaligen Reise- und Kunstbeschreibern, Bourgoing, Cumberland u. s. w., wenig dergleichen angegeben.

In dem Verzeichnisse der k. k. Bildergallerie in Wien kommen sechszehn Stücke von Holbein dem jüngern vor, alle auf Holz, und mehrere mit einem Sternchen als vorzüglich merkwürdig ausgezeichnet; darunter ist auch sein eigenes Bildniß. Christian von Mechel, der gern die ganze Familie seines Landsmannes beisammen haben wollte, 288 weiset uns hier noch Bilder von Vater, Bruder und Söhnen vor.

In München und Schleißheim finden sich von dem ältern Holbein mehrere, unter sich sehr ungleiche Gemälde. Vom Jüngern etwa sechs oder sieben, worunter ein Mann in Pelz gekleidet, mit Bart und schwarzer Mütze, zur halben Figur in Lebensgröße, sehr geschätzt seyn muß, weil er an derselben Wand Platz gefunden hat, wo die Porträte von Raphael und Dürer, und die unvergleichliche italiänische Edelfrau von Lenardo hängen.

Auf der Sächsischen Gallerie zu Dresden tragen neun Stücke den Namen Holbeins; das vorzüglichste und allgepriesene ist die betende Familie. Eines dieser Bilder soll auf Kupfer gemalt seyn.

Das königliche Museum zu Paris hat eilf Holbeinische Gemälde, dabei ein historisches Stück, das Opfer Abrahams, dessen Originalität aber bezweifelt wird. Zu seinen bewundernswürdigsten Gemälden gehört daselbst das Bild einer jungen Frau in gelbem Schleier, die Hände auf den Knien über einander gelegt. Grüner Grund, der den Schmelz der Farben auf das Anmuthigste heraushebt.

Die Gallerie zu Florenz bewahrt neun Stücke von Holbeins Pinsel, wobei sein eigenes Porträt, und einige andre von großer Vortrefflichkeit seyn sollen.

289 Ramdohr (Mal. in Rom) fand im Pallaste Corsini einen sehr schönen Kopf von Holbein. Eben so im Pallaste Barberini einen schönen Kopf auf Kupfer.

In der Sammlung altdeutscher Gemälde in dem fürstlichen Schlosse zu WallersteinKunstblatt, No. 80 und 89, 1824. Der Verfasser dieser Angabe nimmt nach neuestem Befinden eine ganze Familie von ältern Augsburger Holbeinen an. – Beachtenswerth ist überhaupt dieser Aufsatz, weil er zeigt, wie gern der Deutsche jede neue Spur verfolgt, und in welch kurzer Zeit sich die obenberührte Kälte des Geschmacks in kategorische Wärme verwandelt habe: »Der Fürst, heißt es unter anderm, besitzt drei Bilder von Eyck, und findet darin ein vollständiges Epos christlicher Poesie, einen Mikrokosmus der gesammten christlichen Malerei.« erscheinen »Bilder von Sigmund Holbein, mehrere von den ältern Hans Holbeinen, und unter andern zwei ganz vollendete Bilder des ersten Ranges, von ausgezeichneter Schönheit und höchstem Werthe, von dem jüngern Hans Holbein; Tafeln von sechs Schuh Höhe und drei Schuh Breite.«

In der neuangelegten herzoglichen Gemälde-Gallerie zu Gotha sollen in dem Zimmer der altdeutschen Schule auch Holbeinische Gemälde prangenKunstblatt, 1825, No. 11..

In Prag besonders, in Insbruck, und in Nürnberg, Augsburg, Frankfurt und andern vormaligen Reichsstädten, werden noch in Privatcabinetten viele Bilder von Holbein 290 vorgewiesen; wer könnte sie alle herzählen? – Auch wachsen deren täglich neue empor auf dem fruchtbaren Boden der Kunsthandlungen, die aber nicht alle Mal ihrem Namen Ehre bringen. Eine Ausnahme macht jedoch das Bildniß eines englischen Prälaten, das der Kunsthändler Lamy in Basel besitzt oder besessen hatEr verlangte vierhundert Louisd'or dafür, 1824.; ein Porträt mit beiden Händen in Lebensgröße, das von bewundernswürdiger Schönheit und Ausarbeitung, nach dem Urtheil von Kennern und Künstlern, seyn soll.

Zählt man zu diesem allem noch, was Basel reichhaltig besitzt, Alles, was schon einzeln angeführt worden, so kömmt doch eine ansehnliche Zahl Originalbilder zum Vorschein, die für den verdienten Ruhm des großen Malers zeugen, und denselben noch lange aufrecht erhalten werden. An ein vollständiges Verzeichniß seiner Werke aber ist nicht zu denken, wenn man nicht das Zweifelhafte mit dem Wahren vermischen willIt is impossible to give a complet catalogue of his works; they were extremely numerous and that number is increased by copies, by doubtfull or by pretented pieces. (Walpole I. 117.). 291

 


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