Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Holbein in Basel.

Jugend-Gemälde.

Die ersten jugendlichen Arbeiten Holbeins, die bekannt geworden, möchten allerdings die zwei Köpfe seines Vaters und Oheims seyn, die Sandrart, mit der Jahrzahl 1512, besessen, und in seine Akademie hat stechen lassen, wenn sie nicht dem Aussehen und der Bezeichnung nach Mißtrauen erregten.

Von den frühzeitigen Werken aber, welche Patin in das Jahr 14 und 16 jenes Jahrhunderts setzt, und um welcher willen er des Künstlers Geburt um drei Jahre vorrückt, sind noch mehrere in Basel vorhanden. Die Feschische KunstkammerJetzt mit der öffentlichen Bibliothek vereinigt. enthält von 1513, also aus dem 86 fünfzehnten Jahre Holbeins, jenes in Oehl gemalte Bildniß und die Handzeichnung, von denen schon oben Erwähnung geschehen. Ebendaselbst sind zwei zierlich gemalte Köpfe, die Holbeins Zeichen und die Jahrzahl 1516 haben, Bürgermeister Jakob Meier und seine Frau Anna Schekenpürlin, welche beide Mechel hat stechen lassenOeuvre de Jean Holbein, par Chrêtien de Mechel. 3me partie. 1790.. Dabei finden sich zwei gleichzeitige und gleichgroße Copien, die aber so gut sind, besonders die Frau, daß sie den Originalen gleich kommen. Es gehören auch dazu die Zeichnungen mit farbigem Stift dieser zwei Köpfe, die unter die schönsten Holbeinischen Handrisse gezählt werden; aus welchen sich auch ergibt, daß es schon von früher Jugend an Holbeins Uebung gewesen ist, sich von den Bildnissen, die er zu malen hatte, ausgeführte Entwürfe in trocknen Farben zu machen, wie dergleichen nachher in Kensington so viele aufgefunden worden, und auch hin und wieder in Cabinetten anzutreffen sind.

Dieser Jakob Meier, seiner Zeit ein viel wirkender, und dem Ausdrucke seines Gesichts nach, ein derbkluger Mann, stand eine Zeitlang in großem Ansehen in Basel, 87 und wurde öfters von Holbein gemaltEr hieß Jakob Meier zum Haasen, um ihn von zwei andern Bürgermeistern, Jakob Meier zum Hirschen und Adelbert Meier, die in der Reformation thätig waren, zu unterscheiden. (Ochs. V. 395.) Er wurde später wegen bürgerlicher Zwistigkeiten vom Regiment entfernt. (Ibid. 365.). Der Kunsthändler von Mechel besaß einen halblebens großen Kopf in Oehl, den er für einen Thomas Morus hielt, und als solchen stechen ließIn oben angeführtem Werk. Er verkaufte solchen nach England, daher heißt es unter dem Kupferstiche: ad picturam Londini prostantem. – Auch Lavater nahm ihn als einen Th. Morus in die französische Physiognomik auf.. Dieser ist kein andrer, als eben derselbe Jakob Meier, wovon man augenscheinlich überführt wird, wenn man diesen vermeinten Thomas Morus, der von vornen gemalt ist, mit dem Profilkopfe des Jakob Meiers vergleicht. Augen, Falten, und die dicke Nase, der Mund, der fette Hals, das Haar, alles zeiget ein und dasselbe Gesicht.

Auch das berühmte Dresdner Gemälde, das lange für eine Abbildung der Familie Morus gehalten wurde, stellt diesen Bürgermeister Meier mit Frau und Kindern, zu den Füßen der heiligen Jungfrau knieend, vor. Da dieses Bild für eine der ersten Zierden der Gallerie in Dresden angesehen wird, so mag wohl eine kurze 88 Geschichte desselbenAus gedruckten und handschriftlichen Nachrichten zusammengetragen, hauptsächlich aus Humanae industriae monumenta etc. opera Rem. Feschii. Fol. Msc. auf der Basler Bibliothek. hier nicht außer Platz seyn: Ein Abkömmling dieses Jakob Meiers verkaufte, von Noth getrieben, das Familiengemälde an den königlich Schwedischen Agenten Michael Le Blond von Amsterdam um tausend Thaler. Dieser überließ es mit dreifachem Gewinn an den Kaufmann Loesert, durch den es an die Königin Maria von Medici kam, die sich damals in den Niederlanden aufhielt. Nach ihrem Tode kaufte dasselbe ein vornehmer Holländer, und übertrug es nachher vermächtnißweise aus Freundschaft dem Hause Delfino in Venedig, wo es lange feil stand, anfangs um 1500, später um 400 SterlingAnecdotes of painting etc. by Hor. Walpole. art. Holbein. - For the colouring, sagt Walpole, der es daselbst 1741 sah, it is beautifull beyond description, and the carnations have that enamelled bloom so peculiar to Holbein, who touched his works till not a touch remained discernible.. Zuletzt wurde es durch den Grafen Algarotti für die königliche Sammlung in Dresden erkauftFiorillo. zeichn. K. in Deutschland. II. 390.. – OchsGeschichte von Basel. V. 395. widerspricht der Meinung, daß dieses Stück erst 1532 während Holbeins (vermeinten) Aufenthalt in Basel sey 89 gemalt worden, weil es eine solche gottesdienstliche Handlung vorstelle, die damals in dem reformirten Basel nicht mehr statt haben konnte; er schreibt es dem zufolge frühern Jahren zu. – Man hat davon einen Kupferstich von Chr. Fr. Boetius in Dresden.

Noch sind auf der öffentlichen Bibliothek mehrere Pastellzeichnungen, diesen Bürgermeister und die Seinigen vorstellend, Meisterstücke von Natürlichkeit und Wahrheit. Man hält sie für Studien zu dem Gemälde, wiewohl einzig der Kopf des Vaters in demselben der Zeichnung gleichförmig angebracht ist; die andern Figuren sind in Kleidung und Stellung ganz verschieden.

Der Aushängeschild eines Schulmeisters, den Holbein in seinem achtzehnten Jahre malte, zeiget, daß sich der junge Künstler jede Arbeit gefallen lassen mußte, die ihm aufgetragen wurde. Dieser Schild vom Jahr 1516 ist noch auf der Bibliothek aufbewahrt, und Holbein dachte wohl nicht daran, als er ihn machte, daß er nach dreihundert Jahren noch unter die Schätze Basels werde gezählt werdenDie Einladung, welche oberhalb dieser Schule angebracht ist, verdient auch aufbewahrt zu werden, da sie zu trostreichen Vergleichungen mit unsrer Zeit Anlaß giebt, wo man das Unterrichtswesen besser zu benutzen versteht. Sie lautet: »Wer jemand hie der gern wolt lernen dütsch schreiben und lesen uß dem allerkurzisten Grundt den jemand erdencken kan, dodurch ein jeder der vor nit ein Buchstaben kan, der mag kurzlich und bald begreiffen, dodurch er mag von im selbs lernen sein Schuld uffschriben und lesen, und wer es nit gelernen kan, so ungeschikt were den wil ich um nüt und vergeben gelehrt haben, und gantz nüt von ihm zu Lohn nehmen, er syg wer er woll, Burger oder Handwercksgesellen, Frouwen und Junckfrouwen, wer sein bedarff der kumm harin, der wird truwlich gelehrt um ein zimlichen Lohn. Aber die jungen Knaben und Maitlin noch den Fronvasten, wie Gewonheit ist. Anno M.CCCCC.XVI.« – Die Vorstellung hat etwas so einfach-treuherziges, wie die Einladung.; auch wenn er ihn, wie einige meinen, für 90 Oswald Müller, seinen Freund, gemalt hätte. Er war auf beiden Seiten bemalt, das Holz ist aber späterhin von einander gesägt worden, und macht jetzt zwei Stücke aus, Schulen vorstellend, wo Größere und Kleinere elementarischen Unterricht empfangen. Die Malerei ist noch etwas unsicher, doch schon ganz von Holbeinischer Art.

Eine Geiselung Christi, beinahe lebensgroß auf Tuch gemalt, die gleichfalls auf der Bibliothek gezeigt wird, gehört, zufolge Amerbachs Inventarium sowohl als dem Augenschein nach, zu seinen allerfrühesten Arbeiten. Hat noch etwas Rohes in Behandlung der Farben, und Gemeines im Ausdruck. Die Hauptperson heulet wie ein Gezüchtigter aus dem Pöbel.

Von ähnlicher Beschaffenheit sind die in Oehl auf 91 Papier gemalten Köpfe von Adam und Eva; allzu unidealisch. – Bezeichnet H. H. 1517.

Hingegen sind da, ebenfalls aus Amerbachs Nachlaß, und nach seiner Beschreibung von den allerersten Arbeiten des jungen Malers, ein Jünglings- und Jungfrauenkopf mit Heiligenscheinen, auf Holz gemalt, ausnehmend schön. Die jungfräuliche Heilige soll der Maria des Dresdner Gemäldes gleich seyn?

Mehrere kleine Kunstwerke aus dieser frühen Zeit, die sich hier und in der Feschischen Sammlung befinden, anzuführen, wäre zu weitläuftig. Eines aber von größerm Umfang, vier Fuß, fünf Zoll hoch, und vier Fuß, neun Zoll breit, eine Nachtmahlscene auf Tuch gemalt, das Amerbach auch zu den ersten Erzeugnissen des Jünglings zähltOpus pretiosum, etsi ab Holbeino admodum juvene elaboratum, sagt auch Patin, in Vita Holb., darf nicht unberührt bleiben, weil nicht nur große Anlagen hervorleuchten, sondern diese Anlagen schon wirklich in tüchtige Kunst übergegangen sind, und Holbeins freier Geist sich da schon von dem Zwange der deutschen Schule entfernt. Nicht daß alle Spuren jugendlicher Schwäche aus diesem frühen Versuche, Großes darzustellen, weggeblieben seyen; gegen das später gemalte Nachtmahl, 92 das auch auf der Bibliothek zu sehen, verglichen, mag noch manches, was blos von geübter Hand und dem practischen Geschmack abhängt, schülerhaft und ängstlich erscheinen; die Gewänder sind härter und eckigter gezeichnet, die Farben greller, die Anordnung unmalerischer, und alles mehr überladen und mühsam. Gleichwohl möchte es an geistigem Gehalt und Poesie der Darstellung den Vorzug verdienen, da ungleich mehr Feuer und wirkliche Handlung darin herrscht. Es stellt den Moment vor, wo Christus spricht: der dem ich diesen eingetunkten Bissen reiche, wird mich verrathen. – Der Herr hält wirklich mit dem Ausdruck dieser Worte die Schüssel hin, und Judas naht sich stehend voll scheinbarer Frechheit, aber mit innerm Schrecken, welcher ihn zwingt, sich unwillkührlich mit der einen Hand an dem vorstehenden Stuhle zu halten. Seine ganze Figur und Stellung drückt den schrecklichen Gemüthsmoment, wo man das Bewußtseyn der Schuld unterdrücken und die Angst des Gewissens bergen will, so vortrefflich aus, als wenn Holbein diesen Zustand einem überwiesenen, aber noch läugnenden Verbrecher vor Gericht abgesehen hätte. Der feurige Petrus, der die Worte des lieben Meisters gehört und dem Verräther zugesehen hat, macht Fäuste, wie einer der aus Liebe zu seinem Freunde, dem Unrecht geschieht, sich selbst vergißt, um ihn zu schützen. Und so 93 sind alle Apostel mehr oder weniger in bedeutenden, zum Sinne des Gemäldes gehörigen Stellungen; den einzigen Johannes ausgenommen, der auf die ungeschickteste Weise, wie ein schläfriger Knabe, auf dem Schoße seines Lehrers ruht. Auch in der, freilich unschicklichen doch nicht ganz ungewöhnlichen, Nebenvorstellung der Fußwaschung ist die Verlegenheit Petri unübertrefflich ausgedrückt. Er läßt sich zwar die Füße von dem Herrn und Meister waschen, aber mit der Miene und körperlichen Haltung eines Menschen, der vor Liebe und Ehrfurcht sich nicht zu fassen, und nicht wie ihm geschieht, weiß.

Hier muß nun auch Meldung des zweiten, so eben erwähnten Abendmahles statt haben, wiewohl es wahrscheinlich zehen Jahre später gemalt worden, denn der Unterschied ist auffallend. In diesem zeigt sich Harmonie malerische Gruppirung, richtige Zeichnung, zarte Carnation, kurz alles was den geübten Pinsel verräth. Kenner behaupten, Holbein habe sich hier am meisten italiänischer Kunst genähert; so daß in technischer Hinsicht diesem Bilde allerdings der Vorzug gebühren mag. Aber Holbein scheint manchmal, im Vertrauen auf seine unvergleichliche Kunstfertigkeit, den Geist der Erfindung nicht mehr, wie er hätte sollen und können, hervorgerufen zu haben; eine Nachlässigkeit, die sich oft im Begleite wachsender 94 Celebrität findet. Ist einmal der Ruhm begründet, so wird das Talent durch den Beifall sicher und zuversichtlich, und je technisch geübter es ist, desto leichter arbeitet es weg. Der erworbene Ruhm treibt und drängt zu neuen Werken; schnelle Arbeit läßt aber den Gedanken nicht Zeit genug, und so muß dann oft geschmackvolle Manier und werkkünstige Ausführung den Geist ersetzen, den nichts ersetzen kann.

In diesem Gemälde ist das Christusgesicht ohne große Bedeutung und flach, die Apostel sind größtentheils, ungeachtet ihrer malerischen Attituden, ohne wahre theilnehmende Handlung, ohne individuellen Charakter; den Judas ausgenommen, der sich aber zu sehr auszeichnet, als ein in den niedrigsten Gedanken verlorenes und altgewordenes Schurkengesicht, das der Maler nicht einmal abscheulich genug machen zu können glaubte, und ihm deswegen noch ein rothes Haar und ein buntabstechendes Gewand zugab, um die Schlangenfarben seiner Seele vollends zu bezeichnen.

Dieß Nachtmahl ist auf Holz gemalt; drei Fuß, sechs Zoll breit, und vier Fuß, drei Zoll hoch (nach unsicherer Angabe), ist aber nicht mehr ganz, es fehlen mehrere Figuren, von denen man nur noch Hände und Füße sieht. Es wurde in der geistlichen Bilderstürmerei, im Februar 95 1529, nebst unzählichen andern kirchlichen Kunstsachen zerschlagen. In welcher Kirche dasselbe gestanden, ist nirgends zu finden. Wahrscheinlich hat Bonifacius Amerbach die Bruchstücke noch zu retten gewußt, wenigstens befanden sie sich in seinen Händen, bis die Bibliothek seine Sammlung kaufte; sie waren zwar wieder zusammengeleimt, aber»unflätig,« wie sein Inventarium besagt, und waren noch in diesem Zustande zu Patins Zeiten, bis vor ungefähr fünfzig Jahren der geschickte Joh. Niklaus Grooth die Stücke wieder so künstlich vereinigte, daß man wenig Merkmale des Bruchs mehr findet; was aber verloren gegangen, war nicht mehr zu ersetzen.

In diesem jugendlichen Alter muß Holbein auch das mit trockenen Farben gezeichnete Bild von ihm selbst gemacht haben, das auf der öffentlichen Bibliothek aufbewahrt wird. Halb Lebensgröße, mit rothem Hut und grauem mit schwarzem Sammet verbrämten Kleide. Patin hat dasselbe in seiner Ausgabe der Moria von Erasmus 1676, und Mechel in seinem Holbeinischen Werke stechen lassenEs ist dasselbe schöne und lebensfrohe Gesicht, das vorn an dieser Schrift erscheint. – Der Zweifel, den man hat aufwerfen wollen, ob dieß wirklich Hans Holbein sey, wird durch die Auszählung des Bildes in dem Amerbachischen Inventarium gehoben, die auch Remigius Fesch (Human. industr. monumenta. Msc.) bestätigt..

96 Von flüchtiger, aber auffallender, großartiger Zeichnung, ist ein andrer Pastell-Kopf in Lebensgröße ebendaselbst, mit einem breiten schwarzen Hut und gelbem Haar; ein schönes feines Gesicht, ganz die eigenthümliche Einheit der Züge aussprechend, die Holbein auf eine so ausgezeichnete Weise zu ergreifen und in seine Bilder zu bringen wußte. Man hat diesen Kopf auch schon für Holbeins eigenes Porträt halten wollen, es hat aber mit allen andern, die man von ihm kennt, wenig Aehnlichkeit. Eher könnte es ein Bruder des Bonifacius Amerbachs seyn.

Mehrere meist kräftig und weich getuschte Handzeichnungen daselbst sind mit der Jahrzahl 1517 bezeichnet.

Es mögen auch zu Holbeins Jugendgemälden gezählt werden, zwei große Familientafeln von besonderem Werthe, die in dem Rhelingischen Schlosse zu Hainhofen aufbewahrt und im Jahr 1517 gemalt seyn sollenPaul von Stetten, Geschichte der Stadt Augsburg..

In Auctions- und Kunsthändler-Katalogen kommen mehrmals solche frühe Stücke Holbeins vor, zum 97 Beyspiel in dem Verzeichniß des Cabinets von G. Braamcamp 1771 war ein Porträt des Grafen Chichester, das um zweihundert holländische Gulden verkauft wurde, demselben ist die Jahrzahl 1515 beigelegt. Dergleichen Angaben bestehen aber nicht immer mit der Prüfung. 98

 


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