Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Holbein als Zeichner, Miniaturmaler, Architekt.

Wie zum Theil jetzt noch der Augenschein weist, und wie van Mander, Sandrart und Walpole bezeugen, war Holbein beinahe keinem Kunstfache fremd; er zeigte sich als Baukünstler, modellirte, schnitzte, wußte zierlich Ornamente zu zeichnen, verfertigte Risse für Goldschmiede, Schmelzarbeiter, Münz- und Holzschneider, bossirte vorzüglich in Wachs; alles Künste, die bei Heinrich VIII. sehr beliebt waren. Nach WalpoleAnecd. I. 153. besaß der König zwei reich mit Edelsteinen ausgelegte Dolche von der Erfindung Holbeins, die noch jetzt in England zu sehen sind. In dem Brittischen Museum soll ein Buch, das Hans Sloane besessen, mit Zeichnungen von allerhand Geschmeide, desgleichen das Siegel eines Collegiums zu Oxford, nach 274 Holbeins Entwurf aufbewahrt seyn. In dem ehemaligen Feschischen Cabinette zu Basel befanden sich drei schön geformte Becher mit der Jahrzahl 1533, nach Holbeinischem VorbildeEt caelatura, fusoria, plastica et architectonica arte excelluit, sagt Patin im Leben Holbeins..

Sandrart schreibt: »Der hochberühmte Graf von ArundelThomas Howard, Earl of Arundel etc. was the first who professedly began to collect in this country. (Walpole ) Er starb 1646., der kein Gold noch Silber gespart, wenn etwas von Holbein zu bekommen war, hat eine ganze Gallerie von seinen Handgemälden zusammengebracht, auch ganze Bücher seiner Handrisse, theils mit der Feder umzogen und getuscht, theils ganz fleißig geschraffirt, ob wärens in Kupfer gestochen, theils mit schwarzer Kreide auf Papier groß und also meisterhaft mit verwunderlicher Sauberkeit zusammen gebracht, daß, wann ich selbiges nicht vielmahl persönlich gesehen, oder in Handen gehabt, ich nicht geglaubt hätte, daß ein Mann mit eigner Hand so fleissige und viele Werke von biblischen und weltlichen Historien, auch Poesien hätte können verfertigen; kurz zu sagen, er war in allen Dingen fast übernatürlich geschwind und beschlagen.« Diese 275 Sammlung wurde in den bald nachher folgenden unruhigen Zeiten Englands zersplittert.

Weiter meldet Sandrart: »Der Ritter Inigo Jones, »des Königs berühmter Architekt, brachte mich in das königliche Cabinet, allwo er mir unter anderm ein Buch zeigte, das Holbein mit Zeichnungen von der Feder erfüllet, von allerley Dolchen, Gefässen, Zierrathen, Bildlein und Laubwerk, als auch Beschläge zu den Scheiden, zum Degengehäng, Gürtel, Knopf zum königlichen Rock, zur Hutschnur, Spangen auf die Schuh, wie damals im Gebrauch gewesen, aufs alleremsigste und beßte gemacht; wieder zu klein und grossen, güldenen und silbernen Geschirren, zu Messerstielen, Gablen, Salzfässern; groß und kleine Büchlein, sammt andrer Menge Zierrathen des königlichen Schmucks, die sehr lang zu erzählen fallen würdenDesgleichen hat W. Hollar mehrere in Kupfer gebracht, wovon das Verzeichniß im Winklerischen Katalog zu finden ist.

Ebenderselbe zeigt noch andre beträchtliche Handzeichnungen an, die er theils selbst besessen, theils bei Andern gesehen hatte. – Auch Walpole besaß eine Menge dergleichen, und gedenkt noch mehrerer bei andern Kunstliebhabern.

276 Die größte und schönste Sammlung dieser Art mag sich jetzt auf der öffentlichen Bibliothek zu Basel befinden, seitdem ihre Besitzung noch mit der Holbeinreichen Feschischen Kunstkammer vermehrt, und durch die Sorgfalt kenntnißvoller Liebhaber das Echte gesondert, und auf geschmackvolle und würdige Weise für die Dauer gesichert worden ist. Aus diesem reichhaltigen Vorrath sey es vergönnt, nur ein paar große breitgetuschte Handzeichnungen vorzuführen, die Holbeins markigte Kraft und eigenthümliches Machen besonders andeuten: Die eine stellt einen fetten Bischof in seinem vollständigsten Ornate, wohl in Drittellebensgröße dar, ein wahres Ideal pfäffischer Selbstgenügsamkeit; wahrer kann das Bild eines üppigen geistlichen Hirten, dem an seiner anvertrauten Herde wenig, an dem Vorsitz bei Gast und Ehrengelagen Alles gelegen ist, nicht ausgedrückt werden. Ein Beweis, daß der Meister mehr als nur treu und geschickt nachzuahmen, daß er auch die Gattung zu bezeichnen, das heißt, zu idealisiren verstanden habe. – Ferner drei ähnlich gearbeitete, ungefähr anderthalb Fuß hohe und fast eben so breite Stücke: 1. Bauern in Unterhaltung, von 1518. 2. Der Kindermord zu Bethlehem. 3. Eine Zechgesellschaft von Personen beiderlei Geschlechts, von 1526, alle Figuren von kräftigen, derben, üppigen Formen. – Diese, nebst 277 mehrern andern machen es anschaulich, wie Holbein von der zu seiner Zeit noch herrschenden dürren Manier in deutscher Kunst zu einer freiern, sich der Italiänischen mehr nähernden Ansicht der Wirklichkeit übergegangen, und, sey es aus eignem Trieb oder durch Belehrung von außen, einer der Ersten gewesen ist, der den steifen Faltenwurf und die zarte hagere Bewegungslosigkeit der Figuren jener Schule als einen Fehler von sich zu thun, und immer mehr zu meiden gewußt hat.

Auch als Miniaturmaler steht Holbein bei den Engländern in größtem Ansehen, und wird noch seinen geschickten Nachfolgern, Hilliard und Olivers, vorgezogen. Ersterer gesteht selbst, daß er Holbeins Manier für die beste halte, und sich vorzüglich nach derselben zu bilden versucht habeWalpole. I. 253. In dem Cabinette des Grafen von Oxford war Hilliards eignes Bildniß, das er im 13ten Jahre seines Alters gemalt hatte. Also eine eben so große Frühzeitigkeit als Holbeins, die Patin so unbegreiflich fand.. Waren sie auch in der Zeichnung eben so stark, so erreichten sie ihn doch nicht in der Kraft der Farben, und in der natürlichen, anspruchlosen Wahrheit, die dieser große Meister seinen kleinsten Erzeugnissen einzuprägen wußte. – So wie er bei größern Bildern durchgehends einen grünen Grund wählte, bediente er sich dafür in 278 Kleingemälden eines tiefen Blaues. Seine Bilder dieser Art sollen aber auch in England sehr selten seyn; Vieles und das Vorzüglichste verbrannte mit dem königlichen Pallast Whitehall, Manches ging durch Vernachlässigung und den Zahn der Zeit verloren, da Miniatur überhaupt nicht so lange hält, als Oehlmalerei. – Bartolozzi hat einen Versuch gemacht, zwei solcher Bilder aus der Sammlung des Königs von England in den Farben des Originals durch den Kupferstich auszuführen; es sind die Söhne des Herzogs von Suffolk. Nichts, sagt RostHandbuch. IV. 205. kommt der Zartheit dieser beiden Stücke gleich.

Daß Holbein auch für tüchtig in der Baukunst angesehen wurde, hat sich schon oben aus dem Gehaltsbriefe der Stadt Basel ergeben. So sind auch jetzt noch einige wenige Zeugnisse seines Talentes in der Wirklichkeit, und viele in Aufrissen in England vorhanden. In Wiltonhouse, dem Landsitze des Grafen von Pembroke, ist noch der zierliche Säulengang, den Holbein errichtete, zu sehen, den man wegen seiner schönen Verhältnisse, wenn sie gleich nicht im reinen Styl aufgefaßt sind, selbst bei der gänzlichen Erneuerung des Pallastes stehen ließ. – »Zu dem schönen, aus würfelförmigen Ziegeln erbauten 279 Eingangsthor von Whitehall, entwarf der große Holbein den Plan,« sagt Walter Scott irgendwo. Es soll 1529 (nicht 1521, wie Walpole zweifelnd angibt) zum prächtigen Empfang Kaiser Carls V. aufgeführt, aber in neuern Zeiten abgetragen, und in Windsor wieder angebracht worden seyn. Ein edles Denkmal seines Geistes, nennt es Walpole.

Noch unter Heinrich VII. wurden die schönsten Gebäude im reichen gothischen Styl (florid-gothick nennen es die Engländer) ausgeführt; auch im Anfange der Regierung Heinrichs VIII. war dieß noch der Fall, und Holbein war einer der Ersten im Königreiche, der sich von dieser noch allgemein verbreiteten Bauart losmachte, und sie der Kunst des Alterthums anzunähern versuchte; so wie er es auch in der Malerei gewagt hatte, aus dem streng umschriebenen Kreise altdeutscher Art und Kunst herauszutreten, und sich mit mehr Freiheit an die lebende Natur zu halten, oder, wie Matthys Quad (in teutscher Nation Herrlichkeit) sagt, nach dem fliegenden Geiste zu malen. – Jedoch jene Annäherung war noch sehr unvollkommen, und ein seltsames Gemisch zwei durchaus verschiedener Kunstweisen, und nur Holbeins eigenthümlicher Geist konnte dieser Abweichung von dem durch Alter und Größe ehrwürdigen Styl Eingang verschaffen. Die 280 Wissenschaft der Verhältnisse, deren tiefes Geheimniß nur dem Geweihten sich aufschließt, bestimmt den Werth des Baukünstlers; etwas davon hatte Holbein vernommen, und darum blieben seine Werke in Ehren. – Seine Nachfolger leisteten wenig, es fehlte ihren Arbeiten an Harmonie, Leichtigkeit und klarem BegriffWalpole. IV. 84., bis Inigo Jones kam, und diesem gemischten Geschmack ein Ende machte, indem er die wahren, einfachen Regeln des klassischen Alterthums wieder herstellte. 281

 


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