Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Holbeins Herkunft von Grünstadt.

Basel war es unstreitig, wo Holbein zuerst als Maler auftrat, wie dessen noch die ersten Proben seiner jugendlichen Arbeiten, die daselbst auf der öffentlichen Bibliothek aufbewahrt werden, Zeugniß geben. Hier schon in seinem Knabenalter durch Kunstfertigkeit sich auszeichnend, leuchtete er bald vor allen Andern seines Berufs in weiter Umgebung hervor, ward endlich berühmt auch in der Ferne, und hochgepriesen durch die Folge der Zeiten bis auf unsere Tage, wo jetzt noch ihm zu Ehren drei Städte, Basel, Augsburg und Grünstadt sich um den Namen seines Geburtsortes streiten.

Wo ein Kind in der Wiege gelegen, mag für die Kunst gleichgültig seyn, bedeutend ist es zu wissen, wo der junge Künstler sich entwickelt und die ersten Beweise eines vorzüglichen Talentes abgelegt habe. Weil A. R. Mengs 10 zu Aussig in Böhmen geboren worden, wo seine Mutter die kurze Zeit ihres geheimen Wochenbettes zubringen mußteHeineke's neue Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen. S. 28. – A. R. Mengs hinterlassene Werke, herausgegeben von C. F. Prange. I. 132., so kann man doch nicht sagen, wie viele Nachrichten lauten, er sey von daher gebürtig. Was hat das Städtchen, das er zeitlebens nie wieder sah, für Anspruch an seinen Ruhm? Dresden, wo er von Kindheit an zum Malen gebildet wurde, war die Wiege seines Geistes; sein Ursprung kömmt dorther. Mit gleichem Recht könnte man auch die Frage über Holbeins Geburtsort für Basel entscheiden; da aber diese Frage schon mehrmahls zu einem Gegenstande literarischer Untersuchung ist gemacht worden, so gehört es hieher, sie so gut wie möglich zu berichtigen.

Lange wankte der Zweifel einzig zwischen Augsburg und Basel; eines andern Ortes wurde kaum mehr erwähnt, bis, 1778 und 1779, Professor Seybold in den Juliusheften des deutschen Museums auftrat, und die Ehre, Holbeins Vaterstadt zu seyn, ausschließlich für Grünstadt an der Hard (wo er selbst ansässig war) aussprach. Er suchte die Behauptung mit mehreren Gründen darzuthun:

11 Zuerst und hauptsächlich sich stützend auf eine kurze Nachricht, die er in Matthis Quaden von Kinkelbach Buche: von teutscher Nation Herrlichkeit, Cöln, 1609, aufgefunden, nach welcher Hans Holbein aus besagtem Grünstadt in der Pfalz bürtig gewesen seyn soll. Quad's Glaubwürdigkeit soll sich dadurch erhärten, weil derselbe in der Jugend mehrere Jahre in der Nähe von Grünstadt gelebt habe, und weil er diese Nachricht nur so ohne Weiters hingeworfen, ohne Beweise anzuführen, oder sonst darzubringen, woraus sich ergebe, daß »diese Nachricht das zuverlässige Resultat einer vorhergegangenen Untersuchung gewesen.« – Eine eigne Auslegung! Sonst nimmt man an, historische Beweise geben die beste Gewißheit.

Es könne aber auch aus Urkunden erwiesen werden, setzt Seybold hinzu, und führt wirklich die dortigen Steuerbücher an, daß im XV und XVI Jahrhundert eine Holbeinische Familie in Grünstadt geblühet habe. Desgleichen zeige sich aus einem Pachtbriefe von 1492, daß ein Henne Holbein daselbst Schöffe gewesen sey, diesen könne man, nach der Jahrszahl, für des Malers Vater halten, und er werde es mithin höchst wahrscheinlich wirklich gewesen sein. Diese Familie, fügte er später hinzu, habe sich im dreißigjährigen Kriege verloren.

12 Weiter bemerkt er auch, das Holbeinische Wappen: ein Ochsenkopf mit einem Ringe durch die Nase und einem Sterne zwischen den Hörnern, soll sich noch vor wenigen Jahren, nach der Versicherung eines glaubwürdigen Mannes, auf einem, jetzt vielleicht verschütteten Marksteine der Grünstädter Flur gefunden haben.

Diese literarische Entdeckung (wie er sie nennt) noch glaubwürdiger zu machen, belegt sie Professor Seybold zum Ueberflusse mit einer geschichtlichen Muthmaßung, auf was Weise Holbein von Grünstadt nach Augsburg gekommen sey, die aber wegen auffallender Unrichtigkeiten von Anfang bis zu Ende mehr geeignet ist, den Zweifel als den Glauben zu stärken.

So blieb die Entdeckung auf sich ruhen; es wurde auch in der Kunstgeschichte wenig Kunde davon genommen, bis neuerdings Professor Fr. Chr. Matthiä zu Frankfurt am Main für eine gedruckte Einladungsschrift zu den Feierlichkeiten im Gymnasium daselbst, 1815, das Thema: »Ueber Hans Holbein des Jüngern Geburtsort, als Beitrag zur deutschen Künstlergeschichte des XVI Jahrhunderts,« wählte, und die von Seybold bereits vorgebrachten Gründe für Grünstadt blos wiederholte, und durch Verdächtigung andrer Meinung zu verstärken suchte.

13 Die vornehmsten Gewährsmänner für Basel, Carl van Mander und Charles Patin, die von Spätern nur nachgeschrieben worden seyen, verdienen weniger Glauben, behauptet er, weil sie sich auf gar keine Beweise stützen, und weil in ihren Aeußerungen selbst noch Zweifel liegen. Eben so verfährt er mit den Schriftstellern, welche sich für Augsburg erklären, mit Sandrart, Iselin, von Stetten, deren Angaben es auch an Beweis gänzlich fehle. Hingegen finde sich ein ganz bestimmtes Zeugniß für die Behauptung, Hans Holbein der Jüngere sey zu Grünstadt geboren worden, und zwar unter allen das früheste, in des »wackeren« Quad von Kinkelbach memorabilia mundi, Cöln, 1601. Solches verdiene um so mehr Glauben, da es acht Jahre später wörtlich in dem Buche »Teutscher Nation Herrlichkeit« von Quad wiederholt worden, welches dieser nicht gethan haben würde, wenn er es nicht für ausgemacht gehalten hätte.

Und was meldet nun Quad in den beiden angeführten Schriften? »Fast in dieser Zeit (Albrecht Dürers) lebet auch der künstliche Hans Holbain, welcher durch sein Mahlen dermassen berhümbt, daß er alle Andere weit vbertroffen: darzu von König Heinrichen 8. in Engeland beruffet worden, da er auch gestorben, vnd ehrlich begraben worden. Haec Gesnerus. Dieser Holbain ist 14 von Grunstatt auß der Pfaltz bürtig, seines Wercks hab ich auch zum Theil in Engelandt gesehen.«

»Dieser Holbein ist von Grünstadt aus der Pfalz gebürtig« – diese wenigen Worte sind alles, was Quad in seinem ganzen Buche von Grünstadt und Holbein meldet; das Vorhergehende hat er blos Geßnern nachgeschrieben, und das soll nun als »ein völlig glaubwürdiges Zeugniß« gelten, und hingegen sollen unbedeutend seyn die Aussagen des eben so alten van Mander's, der früher selbst in Basel gearbeitet, Patin's, der eine Zeit 1ang daselbst gelebt und in aller Kunst und Wissenschaft der Stadt sich umgesehen hatte. Unbegründet sollen seyn die Nachrichten Pauls von Stetten, der mit Augsburg wohl besser bekannt war, als Quad mit Grünstadt, wo dieser nur einige frühere Jahre, und zwar blos in der Nähe des Städtchens, lange nach Holbeins Geburtsjahre verlebt hatte. – Zudem ist die gerühmte Glaubwürdigkeit des wackern Quads, seiner Wackerheit unbeschadet, eben nicht durchaus zuverlässig; er läßt zum Beispiel Zwingli in Zug geboren werden, mit eben der Zuversicht, wie Holbein in Grünstadt; einige seiner Berichte über Albrecht Dürer sind notorisch falsch; den Virgilius Solis macht er zum vorzüglichsten aller Formschneider, dem es noch keiner »in der Feinigkeit« gleich gethan; nebst mehreren 15 andern Mißgriffen und sonderbaren AnsichtenVon Schwenkfeld sagt er (S. 416): »Seiner größten Irrthümern einer ist, daß er mit allen Menschen Fried und Einigkeit halten wollte, sie wären auch was Religion sie wollten« – Wenn er das ironisch meint, so mag er recht haben.. Allein der glückliche Titel seines Buchs: Deutscher Nation Herrlichkeit, hat ihm in den Zeiten des neuerwachten Selbstgefühls Gnade erworben, und zu einer Einladungsschrift sucht man gern einen gefälligen StoffMatthiä's Schrift ward gedruckt 1815..

Matthiä's übrige Belege sind die nämlichen, deren sich schon Seybold bedient; nur fügt er noch hinzu, auch ihm habe ein Beamter in Grünstadt versichert, er meine nicht nur in Gemeindebüchern von solchen Steinen (mit dem Holbeinischen Wappen) gelesen, sondern sogar eine Abbildung davon gesehen zu haben. – Man wird später sehen, wie wenig das beweist.

Noch vor Matthiä war auch schon in der Wochenschrift für die badischen Lande (vom Jahre 1808. I. 134) Seybolds vermeintliche Entdeckung zu Ehren der neuacquirirten Pfalz aufgestellt wordenNach Fiorillo's Geschichte der Zeichenkünste in Deutschland. II. 385. – Fiorillo, dem es mehr um Materialien, als um Prüfung zu thun ist, hält die Stelle des »braven« Quad (wie er ihn ad imitationem nennt) auch für entscheidend., zwar mit keinen neuen 16 Beweisgründen begleitet, aber schon mit etwas mehr historischer Lizenz, denn Quad wird da als ein dem Holbein gleichzeitiger Schriftsteller angeführt, da er doch wenigstens ein halbes Jahrhundert später schrieb.

Was ergiebt sich nun für die unbefangene Prüfung aus allen diesen Meinungen? Auf der Welt nichts, als daß in Grünstadt einst ein Holbeinisches Geschlecht gelebt habe, und die Möglichkeit, daß auch die Familie, von der die Maler abstammten, früher daher entsprungen seyn könne; aber von dem ältern noch dem jüngern Holbein eigentlich kein zuverlässiges Wort.

Wie aber, wenn dasselbe Geschlecht, mit demselben Wappen und zu derselben Zeit wie in Grünstadt sich auch anderswo vorfindet, wie steht es dann mit den Beweisgründen Professor Seybold's für Holbein's des Jüngern Geburt und achtzehnjährigen Aufenthalt in Grünstadt? – Mit diesem anderweitigen Zweige des Geschlechts hat es folgende BewandnißNach verbindlichen Mittheilungen des zuverlässigen und gelehrten Freiherrn von Laßberg in Eppishausen.:

Nach einer im Laufe dieses Jahres (1825) im Schlosse zu Worblingen im Höwgau gefundenen Urkunde, den Verkauf der Burg und des Dorfes Dankartswyl (unweit Ravensburg) an das Seelhaus zu Ravensburg betreffend, welche gegeben ist: »vom Frittag nach vnser lieben Frowentag, als Ir von dem Engel verkündt ward, nauch Cristi geburt vierzechen hundert vnd vier vnd vierzig Jar,« ist ausdrücklich gesagt: »das Frid. Holbain sälig das Selhus daselben vormauls angesehen vnd gestifft haut.«

Nach weitern Erkundigungen ergab sich aus Ravensburg von sicherer Hand der Bericht, daß an dem daselbst noch stehenden, in eine Brauerey verwandelten Seelhause das gemalte Holbeinische Wappen, ein schwarzer Ochsenkopf mit einem Ring im Maul u. s. w., zu sehen sey, und zwar mit folgender Inschrift: »Als man zahlt von Xsti geburt MCCCC von hier ward dieß Seelhuß angvangen und gestift von Fridrich Holbayn. Darnach als man zahlt von Xsti gepurt MCCCCX do starb Friderich Holbain, stifter dieses Huß uf Sant Peter und Paul der hail. XII Bottentag. Bittet Gott für in, daß er im gnädig syg. Amen.« – Fernere Nachrichten von da geben schon zwei Stadtammänner: Friedrich Holbein 1358, und Jacob Holbein 1373, auch einen Abt in der Weißenau (zunächst bei Ravensburg), der ein Holbein war und sich Burchardus schrieb, an. – Auch außer dem Thore findet sich noch dieß Holbeinische Wappen an einer Kelter gemalt. Jetzt ist das Geschlecht nicht mehr in Ravensburg zu finden.

18 Hier also auch Holbeinisches Geschlecht und Wappen, und zwar in der Nähe von Augsburg, wo der alte Holbein zuerst als Maler erscheint. Vielleicht würde Quad, wenn er in Ravensburg gelebt hätte, geschrieben haben: Dieser Holbein war aus Ravensburg gebürtig.

Wenn einmahl eine irrige Meinung als wahrscheinlich dargestellt worden ist, und Glauben gefunden hat, so bedarf es vieler Worte, sie zu widerlegen – und dieß war leider hier der Fall. 19

 


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