Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Holbein in Basel.

Passion.

Zu den Holbeinischen Gemälden des Rathhauses dürfte auch die berühmte Passion gezählt werden, die, sollte sie gleich anfänglich nicht für jenes Gebäude gemalt worden seyn, doch von jeher, das heißt, so lange man etwas bestimmtes davon weiß, beständig daselbst aufbewahrt, und erst 1776 auf die öffentliche Bibliothek zu den andern Werken des Meisters verlegt wurde. Ueber den Ort, für den das Gemälde ursprünglich gemacht worden, ist man in Basel selbst nicht einig. OchsGeschichte &c. V. 399. nimmt zuversichtlich die Capelle des Raths, jetzt die hintere Canzley genannt, dafür an. Spätere UmersuchungenMittheilung aus der Registratur. aber sollen zeigen, 79 daß dieser finstere Ort nie eine Capelle gewesen, und erst in den Jahren 1534 bis 1537 erbaut, und zur Verwahrung älterer Standesschriften gebraucht worden sey. Es ist auch für kein Gemälde hinlängliches Licht da.

Nach einer andern MeinungStatutarium Basiliense etc. 3 Tom. Fol. Manuscript von J. J. Huber, Pfarrer zu Sissach; einem gründlichen Sammler von Basler Sachen. soll diese Passion ehedessen als ein Altarblatt in der Münsterkirche aufgestellt gewesen, und bei dem Bildersturm 1529 vom Untergang gerettet worden seyn.

Für die Kunst kann diese Streitfrage von keinem Belang seyn, inzwischen mag man doch gern von berühmten Gegenständen alles wissen, was auf die Spur ihres Ursprungs leitet; und hier um so viel mehr, da in neuern Zeiten, wo die alte deutsche Kunst ein Gegenstand umständlicher Untersuchung geworden ist, sich schon Stimmen vernehmen lassenMündlich nur, aber aus bedeutenden Quellen., die gegen das Recht der Vaterschaft Holbeins zu diesem Bilde Zweifel erregen, indem sie dasselbe älter, wohl gar nur zu einer Copie machen wollen.

Die Geschichte ist auf acht zusammen verbundenen Tafeln, von etwas mehr als Fußlänge vorgetragen. 1. Oehlberg. 2. Gefangennehmung. 3. Hoher Priester. 80 4. Geiselung. 5. Verspottung. 6. Ausführung. 7. Kreuzigung. 8. Grablegung. Alles in reicher Zusammensetzung, mannigfaltigem Leben, und äußerst fleißiger Vollendung, mit einer besondern Geschicklichkeit, die Farben in höchster Lebhaftigkeit und dennoch in milder Harmonie zu erhalten. Nicht blos technisch ist das Verdienst dieser Tafeln, auch ein geistiger Ausdruck zeigt, daß der Maler empfunden, was er gemacht. Gleich in dem ersten Felde ist die Angst und das heiße Flehen des Menschensohnes sehr gut dargestellt; seine ganze Stellung ist Gebet, und auf seinem Gesichte zeigt sich das Leiden eines von der Welt verlassenen, und mit unerhörter Sehnsucht nach himmlischem Troste ringenden. – So ließen sich auch aus den übrigen Vorstellungen manche geistreiche Motive herausheben; aber langweilig sind auch die schönsten Worte, womit man ein Gemälde anschaulich machen will, weil sie doch nie ein Anschauen geben, und am widrigsten (kaum an begeisterten Schriftstellerinnen erträglich) ist ein sentimentaler Erguß darüber. – Sandrart, der wenigstens verstand was er sagte, und darum auch verständlich ist, wenn er sich gleich nach schlechter Schreibart seiner Zeit ausdrückt, sahe dieß Stück etwa hundert Jahre nach Holbein, und erklärt es für das vollkommenste Werk seiner Hand. Er beschrieb es dem Churfürsten Maximilian von Baiern so 81 vortheilhaft, daß dieser im Jahr 1641 einen Abgeordneten nach Basel sandte, um dasselbe für jeden Preis zu erhandeln. Der Abschied des Raths lautet: »Es solle dieser Abgeordnete mit aller Freundlichkeit abgewiesen, beneben ihm der Wein verehrt, und durch etliche Herren Gesellschaft geleistet wordenNach einem Auszuge des Protokolls vom 4 October 1641.

Patin sagt im Leben Holbeins, der Churfürst habe einige tausend Thaler dafür geboten, und anderswo redet er von zwanzig tausendRelations historiques etc. C'est a mon sens un des plus beaux tableaux du monde, et je ne m'etonne pas que le deffunt Electeur de Baviere en ait offert a la ville pour vingt mille êcus de sel..

Iselins Lexikon meldet, ein Churfürst von Baiern habe ehemals für dreißig tausend Gulden Salz dafür geben wollen.

G. BürnetLettres and travels. schlägt das Gemälde auf zehntausend Thaler an. – Der Verfasser von l'êtat et les delices de la Suisse fügt noch hinzu, daß verschiedene Fürsten sich angelegen seyn lassen (Souhaité ardemment) zum Besitze desselben zu gelangen.

Diese hohe Werthschätzung flößte dem Rath zu Basel 82 eine solche Sorgfalt für dieß Kunstwerk ein, daß man dem Mitbürger Matthäus Merian nicht gestatten wollte, dasselbe durch seinen geschickten Sohn copieren zu lassen, um, wie seine Petition lautet: »selbiges in Kupfer zu bringen, dem Magistrat zu dediciren, und damit durch ganz Europa bekannt zu machenRathserkenntniß von 1642..« – Eine ähnliche Verweigerung erhielt im Jahr 1718 der Prätor Klinglin von Strasburg, wobei zugleich das alte Verbot erneuert wurde: »dergleichen Copien zu bewilligen, zur Vermeidung meiner gnädigen Herren höchster UngnadeOchs Geschichte &c. VII. 460. – Die Birmannische Kunsthandlung in Basel läßt jetzt eine Copie für den Steindruck nehmen.

Obgleich von der Entstehung des Gemäldes keine weitere Nachweisung gegeben werden kann, so sieht man doch, daß über die Holbeinische Originalität desselben bis auf gegenwärtige Zeit nie Zweifel gewaltet habe. Es wollen auch Leute, die Kenner und Maler sind, in dem Charakter des Pinsels eine unbestreitbare Gleichförmigkeit mit andern Arbeiten Holbeins, besonders mit der Lais Corinthiaca finden. Zudem deutet es wenigstens auf einen Basler Künstler hin, daß in einer der Vorstellungen ein Theil 83 des uralten St. Pauls- (Spalen-) Thors abgebildet seyn soll.

Außer diesem Oehlgemälde siehet man auf der Bibliothek noch eine andre Vorstellung der Leidensgeschichte, auf zehn bogengroße Blätter mit der Feder meisterhaft gerissen, und mit chinesischer Tinte breit und kräftig ausgeführt. Diese wird dem Holbein wohl niemand absprechen. Darin aber zeiget sich, wenn schon meist andre Gegenstände der Geschichte gewählt, oder die nämlichen verschieden behandelt sind, doch so viel ähnliches im Ausdruck der Köpfe, und in der Stellung und Handlung der Figuren, wie auch in der Tracht, daß man diese Uebereinstimmung als einen Beweis der Holbeinischen Echtheit jenes Gemäldes anzusehen, sich wenigstens so lange berechtiget halten darf, bis hinlängliche Belege dargebracht sind, die Ehre dieses Schaffens einem andern Meister mit Sicherheit anzueignen, welches jedoch schwer halten möchte.

Christian von Mechel hat diese Reihe von getuschten Blättern zu seinem Holbeinischen Werke stechen lassen; es ist aber eine schlechte Uebersetzung.

Zwar nicht zu dieser Folge gehörend, aber noch übereinstimmender mit dem künstlerischen Gehalt der gemalten Passion ist eine große Zeichnung in Tusch auf blau Papier mit weiß schraffirten Lichtern, die Ausführung 84 Christi vorstellend; eine zierliche Composition, und auf das fleißigste vollendet.

Man kennt noch eine Martergeschichte des Erlösers, die Holbein auf mehrere kleine Blätter als eine Satyre gegen das Mönchsthum zeichnete; davon wird später die Rede seyn. 85

 


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