Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Abreise nach England.

Schon mehrere Jahre vorher, ehe Holbein wirklich nach England abging, einige Nachrichten sagen schon 1520, wurde er von einem Grafen Arundel, der als Englischer Gesandter durch Basel reiseteWalpole findet wahrscheinlich, daß dieß H. Fitzalan, Earl of Arundel gewesen. Anecd. I. 130. und seine Gemälde bewunderte, ermahnt, sein Glück in England zu suchen, wo die Kunst in Ehren gehalten und vom Könige selbst unterstützt werde. – Daß Holbein Bedenken trug, einer solchen in seine ganze Lage eingreifenden Anmuthung sogleich zu entsprechen, ist wohl zu erklären, ohne seinen Hang zur Schwelgerei zum Grunde zu legen, wie man es dem einbildsamen Patin nachschreibt, denn einen solchen Hang zu befriedigen, hätte er in der großen Welt zu 183 London wohl tröstlichere Aussicht gefunden, als in der Armuth zu Hause. Ist es nicht natürlicher und menschlicher, anzunehmen, daß der junge Mann, unlängst verheirathet, dessen Herz wahrscheinlich schon an einem Kinde hing, und im Gefühle, daß er bei seiner vorzüglichen Kunst doch nie ganz ohne Brot seyn werde, sich nicht so auf Einmal von diesen Gegenständen seiner Liebe trennen, noch der trauten Gewohnheit seines Umgangs entsagen konnte, der denn doch, wie man weiß, nicht blos aus lockern Gesellen bestand.

Aber die Haushaltung wurde größer, die Frau haushälterischer, und die Zeiten schlimmerIm Jahre 1525 schrieb Erasmus aus Basel an Pirkhaimer: Hic rursus ruricolae et nobiles in armis sunt, alter alterius internecionem minitantes. – Und bald darauf: Hic agitur crudelis et cruenta fabula. Quotidie fiunt conflictus atroces inter proceres et rusticos, adeo in propinquo, ut tormentorum et armorum crepitus ac prope cadentium gemitus exaudiamus. Nos hic quam simus in tuto, tu conjectato.; ein neuer Geist war überdieß in die Leute gefahren, welcher sich der Kunst nicht günstig zeigte. – Der schon so weit vorgeschrittene Künstler hätte aus Mangel bedeutender Arbeit wieder Rückschritte zum Gemeinen und Geringen thun, und das Gefühl des Höhern in der Brust, so gut als möglich, betäuben sollen; darüber wäre er zu Grunde gegangen. 184 Lieber entschloß er sich jetzt, dem Rathe seiner Freunde, selbst des Erasmus, zu folgen, und sein Heil nunmehr in England, doch nur für einige ZeitWalpole Anecd. I. 107., zu suchen. Was er noch an Kunstwerken vorräthig hatte, blieb, wie die Nachrichten lauten, seiner Familie zurück, um sich aus dem Verkauf derselben zu erhalten, bis er mit erworbenem Gelde wiederkomme; mit seinem Pinsel wollte er sich schon auf der Reise forthelfen. Wirklich mag auch die Amerbachische Sammlung Holbeinischer Gemälde und Handzeichnungen ihren Ursprung größten Theils dieser Hinterlassenschaft zu verdanken haben.

Auch das überhandnehmende zänkische Wesen seiner Frau, von der er, wie van Mander bemerkt, keinen Hausfrieden mehr zu erwarten hatte, soll ihm den Abschied erleichtert haben. Er konnte ihr mürrisches Betragen nicht länger aushalten: Imperiosae uxoris contubernium ulterius ferre se posse diffidebat, sagt ebenfalls Patin. – Albrecht Dürer hatte auch ein solches Contubernium, das ihn zu Tode marterte, weil der zarte, geduldige Mann sich nicht davon zu trennen, und die Last, die sich seiner bemeistert hatte, nicht abzuschütteln wagte; allein Holbein, von derberer Natur, wußte für sich und die böse 185 Frau Rath; er ließ sie sitzen, so ward Beiden geholfen, sie allein Meister, und er hörte keine Vorwürfe mehr.

Bei diesem Anlaß sey es erlaubt, ein wenig, wie zwar auch schon geschehen, außer die historische Ordnung zu treten, und etwas über die gemüthliche Verschiedenheit dieser beiden Männer zu sagen; woraus auch das, was sie als Künstler unterschied, zum Theil herfloß, denn wie in der Richtung ihres Talents, waren sie auch in ihrer sittlichen Natur verschieden. Ein edler, sanfter Geist der Duldung geht durch Albrecht Dürers ganzes Leben; wo er von sich selber spricht, leuchtet bei allem Selbstgefühl zarte Bescheidenheit hervor, und treue Ergebenheit an die Freunde, lieblich auch in seiner Schwäche. »Als ich,« schreibt er, »1494 heim kommen war, handelte Hans Frey mit meinem Vater, und gab mir seine Tochter mit Namen Jungfrau Agnes, und gab mir zu ihr zweihundert GuldenLeben Albrecht Dürers, von J. F. Roth..« Sie wurde ihm zugehandelt. – Wie gerührt und rührend spricht er von seines Vaters Tode, und wie zärtlich empfiehlt er in den Briefen aus Venedig die alte Mutter seinem Freunde Pirkhaimer! Sogar die muthwilligen Scherze, der Nürnberger Witz in diesen Briefen, und die leichtsinnigen Aeußerungen über 186 seine Frau, die wohl Holbein selbst sich nicht ärger erlaubt hätte, verrathen mehr die gutmüthige Absicht, seines Freundes jovialische Späße gefällig zu erwiedern, als bösen Willen; denn er verstand es auch, ernst zu seyn, und sich am gehörigen Orte zusammenzunehmenMurr's Journal zur Kunstgeschichte. X.. – Eben diese Milde des Gemüths und seine ehrenfeste Persönlichkeit zeigt sich auch durchaus in dem Reisetagebuch aus den Niederlanden. Und so wie er sich selbst zu erkennen gibt, zeugen auch andre von dem Trefflichen, von Anfang an bis zu seinen letzten, unter den Launen seines in Habsucht befangenen Weibes, dahin schwindenden Tagen. – Anmuthig von Gestalt und Angesicht, edel in seinen Manieren, zierlich in der Kleidung, gefiel Meister Albrecht schon durch sein Aeußeres, und seine auffallende Rechtlichkeit erwarb ihm fremdes Zutrauen. Von großer Geschicklichkeit, und festgewurzelt auf der Höhe, wohin ihn Kunst und Tugend gestellt hatten, mangelte es ihm jedoch an Kraft und Willen, sich sittlich und geistig in freiern Regionen zu bewegen, wozu gleichwohl in der Lombardie schon, und nachher in den Niederlanden, ja selbst zu Hause tüchtige Vorbilder ihm begegnen mußten.

Holbein, mit nicht weniger Kunstfähigkeit begabt, 187 aber von sinnlichkräftigerm Willen, und mit mehr Sinn für Fleisch und Blut belebt, konnte sich so viel tugendlichen Adels und jener persönlichen Gunst bei Vornehmen und Geringen nicht erfreuen, um so viel weniger, da er, einem unabhängigen Leben hold, sich nicht viel aus den Großen machte, und die Kleinen wie Seinesgleichen behandelte. Ruhm für alle Zeiten fand er in seiner Kunst, und das Gefühl der Vorzüglichkeit gab ihm innern Gehalt; an bloßer Ehre aber scheint ihm nicht viel gelegen zu haben. Wer diese haben will, bei dem muß eine äußere Würde des Benehmens Consistenz gewinnen, auf welche die Gönner fußen können, sonst währt diese Ehre nicht lange. Dieß war aber Holbeins, wie noch so mancher andrer berühmten Meister, Sorge nicht; sie lebten nach Herzenslust und im Genuß des Tages; ein Leben, das innern Werth eben nicht ausschließt. – Dürer war weiser, aber nicht glücklicher; er war steifer, Holbein beweglicher.

Mit Empfehlungen von Erasmus an Thomas Morus und andre seiner Bekannten in England verließ Holbein Basel im Jahre 1526. Was van Mander von dem Inhalte des Empfehlschreibens sagt, und daß Erasmus zu diesem Endzwecke sein Bild von Holbein habe malen und mit nach England nehmen lassen, mit dem Bedeuten, daß 188 dasselbe ihm besser gleiche, als keines von Dürer, davon ist in der ganzen großen Correspondenz des Erasmus nichts zu finden. Erasmus hatte auch schon früher (wie oben erwähnt ist) sein Porträt doppelt nach England geschickt durch seinen Famulus, der die Reise mehr als Einmal machen mußte; und Morus kannte ihn ja persönlich, und hätte also keine Belehrung über Aehnlichkeit nöthig gehabt. Auch Patin sagt nichts hievon, welches er gewiß nicht unterlassen hätte, wenn ihm ein solcher Brief bekannt gewesen wäre. Man schrieb es jedoch dem van Mander nach bis auf unsre ZeitenIn der Schrift: Johann van Eyck und seine Nachfolger, heißt es: »In Erasmus Brief an Morus erhebt derselbe den Holbein sogar über Albrecht Dürer, dessen Zeichnung, wie Erasmus versicherte, mit diesem Gemählde (seinem Bildnisse) sogar in Hinsicht der Aehnlichkeit durchaus nicht zu vergleichen sey.« Woher hat die Verfasserin diese Nachricht?. Gleichwohl ist das Urtheil richtig, wenn schon das Zeugniß nicht historisch wahr ist; man vergleiche nur den Dürerischen Erasmus mit dem Holbeinischen, um sich zu überzeugen, wo die Wahrheit des Charakters augenscheinlicher vorschwebe; darin thaten es Holbein Wenige gleich.

Aus dem Wenigen, was man noch von Erasmus Bemühungen für Holbein weiß, zeigt es sich, daß er schon 1525 zu dessen Gunsten dorthin geschrieben und 189 sein Porträt versandt habe. Denn Erasmus hatte beständig einen seiner gelehrten Diener, deren er mehrere unterhielt, unterwegsMitunter drei auf Einmahl, wie sich aus einem Briefe an Reginald Polus vom 4. October 1525 ergibt., die er mit Schriften und Briefen an seine Freunde und Gönner abschickte. Auf eine solche Empfehlung ist noch die Antwort von Thomas Morus zu finden, daß er sein Möglichstes zum Fortkommen des wundersamen Malers beitragen werdePictor tuus, Erasme carissime, mirus est artifex, sed vereor, ne non sensurus sit Angliam tam foecundam ac fertilem, quam sperarat. Quanquam ne reperiat omnino sterilem, quoad per me fieri potest, efficiam. Ex aula Grenwici. 18. Dec. 1525..

Holbein muß aber die Reise erst 1526 angetreten haben, denn aus diesem Jahre findet sich ein Brief von Erasmus an Petrus Aegydius in Antwerpen den 29. August geschrieben, am Ende dessen folgende Erwähnung Holbeins geschieht: Qui has reddit, est is, qui me pinxit. Ejus commendatione te non gravabo, quanquam est insignis artifex. Si cupiet visere Quintinum, nec tibi vacabit, hominem adducere, poteris per famulum commonstrare domum. Hic frigent 190 artes; petit Angliam, ut corradat aliquot Angelatos, per eum poteris quae voles scribere»Der Ueberbringer dieses Briefes ist der, so mich gemalt hat. Mit seiner Empfehlung will ich dir nicht zur Last fallen, wiewohl er ein ausgezeichneter Künstler ist. Sollte er den Quintin (Messis) zu sehen wünschen, so kannst du, wenn du nicht selbst Zeit hast, ihm durch einen Diener seine Wohnung weisen lassen. Hier darben die Künste; er geht nach England, um einige Goldstücke zusammenzubringen. Durch ihn kannst du alles schreiben,« (nämlich an ihren gemeinschaftlichen Freund Morus.).

Den etwas vornehmen Ton, welchen Erasmus gern annahm, abgerechnet, ist dieß Schreiben doch empfehlender Art. Er nennt Holbein einen außerordentlichen Künstler, und möchte ihm zur Bekanntschaft mit Quintin Messis behülflich seyn. Was er von dem bedauerlichen Zustande der Künste sagt, geht Basel nicht ausschließlich an, es ist ein Seufzer ins Allgemeine, der in seinen meisten Briefen aus jener Zeit wiederkehrt, weil er diese Abnahme der Kunst und Wissenschaft den Händeln zwischen den Pfaffen und Reformatoren zuschrieb, die ihm beide zuwider waren. Nunc videmus, schrieb er 1526 an Johann Henkel, ubique frigere linguas ac bonas litteras; emoriuntur fere omnes disciplinae liberales; so spricht er noch an mehrern Orten, und beschließt ein solches Klagelied an Polydorus Vergilius (Epist. DCCLX.) mit den 191 Worten: Christus insignis artifex solus potest hanc fatalem tempestatem vertere in laetos exitus. Woraus zugleich erhellet, daß er unter dem Wort insignis artifex, womit er auch den Holbein beehrt hatte, etwas von hoher Tüchtigkeit verstanden haben müsse.

Im Jahre 1526 und in dem acht und zwanzigsten seines Alters machte Holbein sich auf den Weg nach England, um einiges Geld zusammen zu kratzen (ut corradat), wie Erasmus nicht sehr delikat sich ausdrückt, und um, wie Walpole meint, seinen Arbeiten, die in Basel zu zahlreich geworden, durch Abwesenheit einen höhern Werth zu geben. Dann sollte er wiederkommen.

Von seiner Reise ist so viel wie nichts bekannt; doch ist es nicht wahrscheinlich, daß er sich mit Betteln nach England habe durchhelfen müssen, wie Patin zu verstehen gibt. Kunst geht durch alle Land; zumal mit der Geschicklichkeit Holbeins sollte sich ein einzelner Mann wohl seinen Zehrpfennig verschaffen können, allein Patin wollte dem Charakter, den er Holbein, als einem Menschen von niedriger Gesinnung, beigelegt, treu bleiben, und bürdete ihm noch das Betteln auf.

Er erzählt auch, wie Holbein auf diesem Zuge sich einige Tage in Strasburg aufgehalten und den berühmtesten Maler daselbst um Arbeit angesprochen habe. Als nun 192 dieser eine Probe seiner Geschicklichkeit verlangt, habe er in dessen Abwesenheit einem halbvollendeten Kopfe noch eine Fliege auf die Stirne gemalt, und sich davon gemacht. Der Maler, als er nach Hause gekommen, sey über das Bild höchlich erstaunt, und bemüht gewesen, die Fliege (praeclara muscae imagine deceptus) wegzujagen; wie er aber die Täuschung erkannt, habe er den Künstler den ganzen Tag vergeblich aufsuchen lassen, und endlich durch vieles Nachforschen herausgebracht, daß es Holbein gewesen sey. – Andre Nachrichten sagen, er habe sich bei diesem Maler als Farbenreiber verdungen, und dann auf ein Bild desselben die Fliege gemalt. – Walpole versetzt diese Geschichte gar noch nach Basel, und gibt vor, der Künstler habe kurz vor seiner Abreise das Bildniß von einem seiner Gönner fertig gemacht, und ihm solches mit der Fliege auf der Stirne zugeschickt; dieser, erfreut über die Schönheit des Stückes, sey, als er die ärgerliche Fliege vergeblich wegblasen wollen, die Täuschung erst inne worden. Und da dieser Vorfall sich schnell verbreitet hatte, und dergleichen kleine Umstände oft mehr Aufsehen machen, als bedeutende Erscheinungen, so habe man sogleich Anstalt getroffen, daß die Stadt eines so großen Meisters nicht beraubt werden möchte, allein er sey schon fort gewesen.

193 Ein ähnliches Mährchen wird auch von Albrecht DürerLeben Albr. Dürers, von J. F. Roth. S. 63. und vielleicht noch von mehreren kunstgeübten Männern erzählt. Wahr oder unwahr, von gemeinen Künstlern erzählt man so was nicht.

Man hat auch einige Spuren, daß Holbein während dieser Reise sich etwas Zeit zu Frankfurt gesäumt und für ein Kloster gearbeitet habe, wiewohl andre Nachrichten dieß von dem ältern Holbein sagenKunst und Alterthum, von Göthe. I. 60..

Das ist alles was man von dieser Reise weiß. Selbst von Petrus Aegydius aus Antwerpen ist keine Antwort auf des Erasmus Zuschrift, Holbein betreffend, mehr vorhanden. 194

 


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