Andreas Gryphius
Horribilicribrifax Teutsch
Andreas Gryphius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Flaccilla. Cleander.

Flaccilla. O werthestes Pfand der keuschesten Seelen / welches die Ehre der Schoenesten zuretten auffgesetzet wird. O Haar / das hoeheren Ruhms wuerdig / als das jenige / welches die unzuechtigen Liebhaber um die Arme winden! O Haar / das zwar mit keinen Perlen / aber doch mit den Thraenen der Keuschesten gezieret. O Haar / das keinem Golde der Welt gleich zu schaetzen / und doch geringer geachtet wird / als Staub / von denen / die ihres grossen Reichthums sich zu eigenem Verderb mißbrauchen.

Cleand. Dionysi, nim den Degen / und folge mit den Pagen. Diodor, vermelde dem Herren Mareschall / daß ich seiner nebenst einer angenehmen Gesellschafft zu der Abend Collation in meinem Lustgarten gewaertig.

Flaccilla. Ach dort komt der Stadthalter! keiner ist / dem ich meine Wahre lieber feil bieten wolte als ihm / wenn mich nicht meine euserste Scham / und sein grosser Stand ihn anzureden / verhinderte! Jch weis doch wol / daß er einem vortrefflichen Fraeulin auffwarte / welcher dieses ein angenehm Geschencke seyn wuerde! gehe ich? stehe ich? was thu ich?

Cleander. Allezeit Geschaeffte. Jrre ich / oder bringet diese Frau eine Bittschrifft getragen?

Flaccilla. Ach! Er hat mich erblickt!

Cleand. Und scheuet sich mich anzureden? Woher meine Frau?

Flaccilla. Ach gnaediger Herr - - -

Cleand. Redet unerschrocken. Was traget ihr allhier verborgen? Wo kommt ihr mit diesen Haaren her?

Flaccilla. Ach genaediger Herr / sie sind zuverkauffen. Jch bin in dieser Meinung auff den Hoff kommen / sie iemand aus dem Frauenzimmer anzubieten.

Cleander. Trefflicher Handel! ich hoere in Ost-Jndien nehme man den Weibern Wolle von den Koepffen / und mache Schnuptuecher draus. Was wird man bey uns nicht zu letzte mit den Haaren anfangen! last schauen eure Kramerey. Diß ist ein schoenes Haar! wo der Baum so anmuthig als die Blaetter / wolten wir uns wol in dessen Schatten ergetzen.

Flaccilla. Jhr Genaden koennen ihrer Liebsten mit diesem Geschencke nicht unangenehm seyn.

Cleand. Wir wissen von keiner Liebe; und da wir unsere Gewogenheit auff eine Person geleget haetten; werde uns ja keine Kahle beliebet haben.

Flaccilla. Die Vornehmsten unter dem Frauen-Zimmer pflegen fremde Haare mit einzuflechten.

Cleander. Die offt an dem Galgen abgefaulet / oder von den Frantzosen außgefressen.

Flaccilla. Jch versichere eure Gnaden / daß von diesen Haaren nichts derogleichen zuvermuthen.

Cleander. Raeudige Schaafe lassen die Wolle gerne gehen: und wenn der Fuchs kranck wird / so staeubet ihm der Balg.

Flacc. Ach - - - Ach!

Cleand. Warum erseufftzet ihr so hefftig? geschichts vielleicht / weil ich euch die Warheit sage?

Flaccilla. Ach Jhre Genaden irren in diesem Stueck hefftig!

Cleand. Warum weinet ihr? Wessen sind diese Haare?

Flaccilla. Jch bitte demuethigst / Jhre Genaden wolle meiner verschonen!

Cleand. Durchaus ich wils wissen! Sind sie vielleicht einer Todten abgeschnitten worden?

Flaccilla. Ach ihr Genaden / die Person ist bey Leben / und wol die Keuscheste die in dieser Stadt zu finden.

Cleander. Sind sie irgend einer geistlichen Jungfrau?

Flaccilla. Ach!

Cleander. Saget sonder Weinen heraus / wessen sind sie?

Flaccilla. Ach Jhr Genaden / sie sind - - -

Cleand. Wessen? Nun fort.

Flaccilla. Ach! meiner einigen Tochter.

Cleand. Also! Weil der Vogel nicht gelten will / so verkaufft ihr die Federn! betruebet euch nicht / meine Frau! mich duenckt / ich solle euch irgendswo vor diesem gesehen haben. Wo wohnet ihr?

Flaccilla. Ach!

Cleander. Es muß etwas auff sich haben / daß sie sich nicht meldet. Wie ist euer Name?

Flaccilla. Jch bin eurer Genaden Dienerin.

Cleander. Jch frage nach dem Namen.

Flaccilla. Ach eure Genaden / ich heisse Flaccilla.

Cleand. Und die Tochter?

Flaccilla. Sophia.

Cleand. Jst nicht euer Ehemann Possidippus genennet worden?

Flaccilla. Ach ja!

Cleander. Was treibet euch solchen Handel zu fuehren?

Flaccilla. Die eusserste Noth / mein Leben / und der Tochter Ehre zuretten.

Cleand. Seid ihr denn aller Mittel so gantz entbloesset? weinet nicht! weinet nicht! was begehret ihr fuer die Haare?

Flaccilla. Es wird in Eurer Genaden Belieben gestellet.

Cleand. Servili, fuehre sie in das Haus / und lasse ihr ein tutzend Ducaten zustellen. Verlasset euch auff mich! und wo euch was gebricht / so sprechet mich sicher an.


 << zurück weiter >>