Andreas Gryphius
Horribilicribrifax Teutsch
Andreas Gryphius

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Horribilicribrifax. Sempronius. Harpax.

Sempron. Omnes homines summa ope niti decet, ne vitam silentio transigant veluti pecora. Salust. de Conjuratione Catilinae. Multa dies variusque labor mutabilis aevi rettulit in melius. Virgil. lib. 9. AEn. Amavi, amavisti, amavit, amo, der Fuchs aendert die Haare / nicht das Gemuethe / saget das Deutsche Sprichwort. Unter dieser grauen Aschen meines Kopffs / sub hisce canis, liegen noch viel glueende Kohlen der Liebe verborgen / ignes suppositi cineri doloso. Horatius.

Horrib. Er ist verlohren! er hat gelebt! er ist todt.

Harpax. Ey / Ey / Herr Capitain!

Sempr. Sed qvid sibi vult Pyrgopolynices iste qvi ita gladiatorio animo ad nos affectat viam?

Horrib. Wer bist du?

Sempron. Wer bist du?

Horrib. Qvesta è una domanda impertinente, la qvale merita per risposta una pugnalata nel cuore.

Sempron. Du magst wohl ein Bernhaeuter in der Haut seyn! hastu redliche Leute nicht lernen gruessen? Saluta libenter, sagt Cato.

Horrib. Jch werde rasend.

Sempr. Helleboro opus est homini! er ist toll.

Horrib. Bisogna, ch'io faccia in pezzi, ch'io fulmini, qvaesto ladrone! Sag ihm wer ich sey!

Harpax. Mein Herr Sempronius thut sehr uebel / daß er sich an einem so fuertrefflichen Mann vergreifft! Er ist der Welt beruehmte Capitain Horribilicribrifax von Donnerkeil!

Sempr. Jst er Horribilicribrifax von Donnerkeil / so bin ich Sempronius vom Wetterleuchten / famâ super aethera notus.

Horrib. Tu sei un Bufalo. Wo ich mich recht erzuerne / so haue ich euch in kleine Stuecken / daß euch die Ameissen in zweyen Augenblicken wegtragen.

Sempron. Qvi moritur minis, illi pulsabitur bombis. Wer fuer Draeuen stirbet / dem laeutet man mit Eselsfuertzen aus. Πολλὰ μεταξὺ πέλει κύλικος καὶ χείλεος άκρου. Oder meinet ihr / daß ich in meiner Jugend auff der Universitaet nicht auch habe fechten lernen? πολλω̃ν εγὼ Θρίων ψόφους ακήκοα! Huc si qvid animi!

Harpax. Jch verstehe nichts was er wolle. Jch glaube daß er gesonnen uns zu beschweren.

Horrib. Jhr habt die unvergleichliche Coelestinam lieb.

Sempr. Das thu ich zu trotz / euch und allen den es leid ist / qvid id ad te?

Horrib. Jch sage / daß ich ihrer Liebe wuerdiger bin.

Sempr. Mentiris, Das heist auff deutsch / es ist erlogen.

Horrib. Oh qval' oltragio! Sol ich dis Wort hoeren? was hindert mich / daß ich euch nicht in einem Streich in hundert tausend Stuecken zertheile.

Sempr. Qvid me retinet, daß ich nicht mit diesem meinem alten guten Spannischen Degen / mit welchem ich auff so vielen Universitaeten den Bachanten Loecher geschlagen / den Haeschern Schenckel und Koepff abgehauen / die tollesten Teuffel blutruenstig gemacht / die Steine auff der Gassen zuspalten / dem Rectori Magnifico die Fenster ausgestochen / den Pedellen die Fuesse gelaehmet / eine solche That veruebe / daß die Sonne am Himmel drueber erschwartze / und die Planeten zuruecke lauffen / nec dum omnis haebet effoeto in corpore Sangvis. Virgil.

Horrib. Ob ich euch wol mit diesem Degen koente auff andre Meinung bringen / (havent'io un giorno nel amfiteatro di Verona ucciso di mia mano molto mille gladiatori) wil ich euch doch darthun aus eurer eignen Wissenschafft / daß ich besser sey als ihr / damit ihr sehen sollet / daß ich eben wohl studiret bin / und in Artem Aratoriam Verstand habe. Jhr seyd ein Gelehrter / und macht profession von dem Buch / als ich von dem Degen. Jst das nicht wahr?

Sempr. Rem acu!

Horrib. Nu wisset ihr ja wohl / daß man das Buch unter dem lincken Arm traegt: und den blossen Degen in der rechten Hand fuehret / Ergò gehen die Gelehrten unten und wir oben an.

Sempron. Καλω̃ς. Ergo gefehlet. Als wenn man nicht den Degen auff der lincken Seiten truege / und ein offen Buch in der rechten Hand hielte: als wenn man nicht die Feder oben auff den Hut steckte / welches ich weitlaeufftiger mit vielen Syllogismis, Enthymematibus, Soritibus, Inductionibus, Elenchis, Mesosyllogismis, Argumentationibus crypticis, Distinctionibus, Divisionibus, Exceptionibus, außfuehren koente / nisi res esset liqvidissima per se, und klaerer als die Sonne in ipso meridie.

Harpax. Last uns fliehen / mein Herr / er zaubert / er redet der boesen Geister Sprache.

Horrib. Si me lo direte: lo sapero! als wenn ich nicht mit vielen Sonneten, Madrigalen, Qvadrimen, Oden, Canzonen, Concerten, Sarabanden, Serenaden, Aubaden, das Widerspiel beweisen koente: doch damit ich euch Schamroethe abzwinge / und beweise / daß ich ein besser Arator bin / als ihr; so wil ich eine Roration halten die ich gethan / als Pappenheim Magdeburg einnahm / und man kurtz zuvor in dem Kriegsrath herum fottirete. Habt ihr so viel Muhts / so beantwortet mir dieselbe Augenblicks.

Sempron. Ego sum contentissimus.

Horrib. Harpax, Du solst unterdessen General Tylli seyn. Setze dich derowegen hier nieder. Bildet euch nun ein / hir sitze General Tylli, und neben ihm Feldmarschall Pappenheim. Hora, diamo principio alla narrativa! Es wurd deliberiret, ob man Magdeburg denselben Morgen antasten oder verziehen solte / biß unsre Abgeordneten wieder ins Laeger kaemen / Don Arias von Toleto, welcher in dem uebrigen ein hurtiger Cavalier, aber in dergleichen actionen troppo ardito: hatte vor mir geredet / ich richtete mich con la grandezza mia superbissima e con meraviglia e tremore di tutti circonstanti, auf diese meine marmoerne Schenckel / gab ihm einen unversehenen Blick mit diesen zweyen brennenden Carfunckeln / oder glaentzernden Laternen dieses meines fleischlichen Thurms. Die Frantzosen nennen es une olliade.

Harpax. Jch zittere und bebe ueber diesem Angesichte!

Horrib. Nachmals als ich sah / daß ich dem Don Arias ein Schrecken durch alle Beine gejagt; und sich die gantze Compagnie ueber mir entsetzete / wolte ich die Gemuether etwas saenfftigen / damit sie mich mit desto groesserer Anmuth hoeren moechten / derowegen prima d'ogn'altro, bacio le ginochia Jhrer Excellentzen, des Tylli und des Pappenheims / come si conviene. Nachmals / inchinai la testa gegen die umstehenden Herren / und sprach also:

Harpax. Herr Semproni! ihr habt schon verlohren! Jhr werdet diß nimmermehr nachthun.

Horrib. Sintemal Jhre Excellentzeste Excellentze, die Zeit sehr kurtz / in dem wir den Feind vor der Stirne haben und eine Stunde / Minute / ja Augenblick uns die Victorie geben oder nehmen kan; dirò ancor' io qvalche cosa, und wil mit wenigem mein Gemueth entdecken und sagen / daß ob es wohl uns Cavaliren uebel anstehe / mehr mit der Zungen / als dem Degen zu reden / und du mein beruehmtes Schwerd / tu mia spada fulminea, tagliente e fendente! Wenn du eine Zunge haettest / eben diß sagen wuerdest; nichts desto weniger wil ich sagen / weil mir zu sagen gebuehret / und die Reye zusagen an mich gelanget ist / und wil nicht sagen / daß ich zu beweisen willens / daß ich wohl und viel sagen koente / sondern wil auffs einfaeltigste vor euch sagen / was mich duencket / das gesaget werden mueste / und will nichts weniger sagen / als was gesaget ist von den beruehmtesten Leuten / denn wenn ich etwas anders sagete / wuerde ich sagen wider Kriegsmanier / nach dessen Gewonheit ich auffgestanden bin / etwas zusagen. Und so iemand unter dem Hauffen ist / der sich einbildet / daß er mir sagen duerffte / ich solte nicht also sagen / der mache sich herfuer und sage es / ich weiß / daß er nicht anders sagen wird / als was ich sagen wil. Jch sage denn was drey Personen aus diesem unzehlichen und unueberwuendlichen Heere werden sagen / koennen sagen / muessen sagen / wollen sagen / und sagen auch sonder ein Wort zusagen. Die ersten Zwey sind ihr excellentzeste Excellentz, (und hiermit machte ich einen Reverentz) die Dritte bin ich. Weil mir aber nicht wohl anziemet was zu sagen / so schweige ich aus Modestie, und remittire mich im uebrigen auff dieselbe / die etwas gesaget haben / und noch sagen werden. Hor su, Finiamo, la qvi. Koente man wohl was schoeners gesaget haben / Harpax?

Harpax. Das ist ein schoen untereinander gemischetes Gesage! waere nicht eine Abschrifft darvon zu erlangen?

Horrib. Mi sarà di sommo contento, gar sehr wohl / aber zu einer andern Zeit! itzund last uns hoeren / was dieser dargegen zu sagen habe.

Harpax. Monsieur Sempronius, die Reye etwas zu sagen / ist nun an euch gelanget.

Sempron. Jch sage derowegen / qvod nihil dictum sit ab eo, qvod non sit dictum prius; und bey dieser Gelegenheit etwas zu sagen / wolte ich lieber also gesaget haben: υψηλα̃ν αρετα̃ν ’Άνακτες!

Harpax. Hoeret Wunder! hoeret!

Sempron. Daß man mir nicht in die Rede falle! O ihr durchlauchtigsten und unuberwindlichsten Heroës, welcher unvergleichliche Staercke sich nicht aufhalten laesset in den alten und gedrangen Graentzen / Montium Pyreneorum, Alpium, Atlanticorum, Apenninorum und Sarmaticorum, sondern weit ueber die Graentzen / in welchen Calisto nicht auffgehet / sese penetrat, und herum faehret durch den zwoelffthierigen Kreis des Titanis, penetrans die beschwaertzten Aethiopes, streiffet um das Vorgebirge bonae Spei, floret durch die wolrichenden Moluccas, henget sich an die bepfefferte Bengala, gehet fuerueber bey denen / ihrer Einbildung nach zwey-aeugichten Chinesern, und haelt Mittags Ruh in Japan. Jch der ich nicht bin der andere Marcus Tullius Cicero, der nicht erreichen kan lactifluam eloqventiam Titi Livii, qvi non adspiro ad gravitatem Salustianam, neqve asseqvor Cornelii Taciti divinam Majestatem. Jch / sage ich / der ich gleichwol diese Discursus vor die treflichsten halte / οίτινες περὶ μεγίστων τυγξάνουσιν όντες, καὶ τούς τε λέγοντας μάλιστα επιδεικνύουσι, will euch mit vielen Worten nicht auffhalten / cùm alias die Zeit kurtz / & jus sit in armis: Remittire mich also auff die / die bißanher geschwiegen haben / und noch de facto schweigen. Dixi. Was haelt Harpax von dieser Oration?

Harpax. Sie war bey meiner Seel auch schoen: ob ich wol kein Wort darvon verstanden habe. Herr Capitain es muß ein verdrießlich Ding seyn einen General abzugeben.

Horrib. Ohimè che parole son qveste? Warum?

Harpax. Warum? solte er doch tolle werden / wenn er nur iedweden Tag solcher zwey Rorationes hoeren mueste.

Horrib. Tu non m'intendi? Va! Va! Du bist ein ignorant, und verstehest nicht Zierligkeit der Wohlredenheit.

Harpax. Dem sey / wie ihm wolle.

Sempron. Aber welches Oration war nu die beste?

Harpax. Mir ist / als wenn ich bey einer Fuerstlichen Taffel saesse / und nicht wueste unter den Gerichten zu wehlen / oder eins mit mir zu werden / welches das Schmackhaffteste. Vertraget euch selber unter einander. Jch resignire euch die Excellentz, mit sampt der Tyllischafft und dem Generalat.

Sempron. Ergò έρρωσο, Herr Capitain.

Horrib. Adio signor Semproni.

Harpax. Ho / ho / sie kommen ja beyde noch lebend von einander.


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