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XXVIII. Kapitel

Erzherzogin Stephanies zweite Ehe / Hochzeit ihrer Tochter / Rangerhöhung der Familie Windischgrätz


Durch die Bresche, welche Prinzessin Elisabeth geschlagen, begehrte nun auch Erzherzogin Stephanie zu dringen, und es wäre in der Tat grausam gewesen, sie daran zu hindern. Ihr Leben trug die Wundenmale von entbehrtem Glück und Einsamkeit; wo sie auch weilte, bekam sie es zu fühlen, daß sie überflüssig war, daß niemand ihrer bedurfte. Nach Rudolfs Tode wünschte sie nach Brüssel zurückzukehren; allein König Leopold wollte sie nicht dort haben. So verblieb sie in Österreich, um sich mehr und mehr bewußt zu werden, daß weder der Kaiser noch die Kaiserin eine besondere Neigung zu ihr fühlten, obwohl diese eigentlich nichts gegen sie hatten außer der Tatsache, daß sie nicht imstande gewesen war, Rudolf genügend zu fesseln, um ihn vor sich selber zu retten. Dazu kam, daß Rudolf sie durch sein Testament der Hüterschaft über ihre Tochter beraubte, wodurch sich ein bitterer Stachel auch noch in ihr Verhältnis zu dem Toten drückte.

Natürlich hieß es, daß sie sich schon zu trösten wüßte. Plötzlich indessen verstummte aller Klatsch durch die Bekanntgabe, daß sie den ihrem Hofstaat zugeteilten Graf Lonyay liebe und ihn auch zu heiraten gedenke. Sein Wappenschild war klein, aber die Erfahrung hatte Stephanie nicht gelehrt, blaues Blut aus sinnlichen Wahrnehmungen von Treue und Hingabe zu erkennen. So war nichts natürlicher als ihr Wunsch, das Glück in einem stürmischen Anlauf zu erringen, ohne Rücksicht auf Ebenbürtigkeit und Rang. Und da ihre kaiserlichen Verwandten sie nicht als eine Person von Wichtigkeit und Bedeutung betrachteten und behandelten, so lag kein besonderer Grund vor, dagegen Einspruch zu erheben. Trotzdem widersetzte sich Franz Joseph und verteidigte die Bresche. Aber sein Widerstand erlahmte und zerbrach ziemlich plötzlich an dem unerbetenen und unerwünschten Eingreifen von Stephanies Vater, der sich als sein Verbündeten auf den Schauplatz drängte.

Denn wer war überhaupt dieser belgische König, daß er sich zu einem Ehrenstreiter für königliche und kaiserliche Exklusivität aufwarf? Er, ein bloßer parvenu unter den Königen, dessen Gebiet noch vor nicht allzu langer Zeit einen Teil der österreichischen Besitzungen gebildet hatte. Wie konnte das Haupt des Hauses Habsburg für seine Kaste Schulter an Schulter mit einem solchen Mann kämpfen? Seine Sache wurde ganz offensichtlich durch den Beitritt eines derartigen Verbündeten herabgezogen und der einzig würdige Ausweg für Franz Joseph war, zu zeigen, daß er Großmut üben konnte, selbst wenn Leopold II. es nicht vermochte.

Er schlug diesen würdigen Ausweg absichtlich mit jener Geste von Großmut ein. »Im Namen der Tradition« entzog Leopold seiner Tochter die Apanage – sie betrug nur 48 000 Kronen jährlich – samt dem Titel »Königliche Hoheit«. Franz Joseph parierte den Hieb, indem er seiner Schwiegertochter eine beträchtliche Summe Geldes zuwandte und anordnete, daß sie ihre Würde unangetastet beibehalten solle. Er behielt als der Edlere die Oberhand und erntete das geziemende Lob für seine Großmut. Aber sein Stolz bekam doch noch ein Wörtlein mitzusprechen; es mußte zutage treten, daß er wohl einwilligte, aber nicht billigte, und Graf Lonyay als einen Eindringling in eine unendlich hoch über ihm stehende Familie betrachtete. Wenn Stephanie bei Hofe erschien, mußte es ohne ihren Mann geschehen, und bei der Hochzeit ihrer Tochter durfte er wohl der kirchlichen Feier beiwohnen, erhielt jedoch keine Einladung zu dem nachfolgenden Familienmahl.

Damit wollen wir Stephanie verlassen und zu der Hochzeit ihrer Tochter übergehen – jener Hochzeit, zu welcher Graf Lonyay keine Einladung erhielt.

Erzherzogin Elisabeth stand in großer Gunst beim Kaiser. Vielleicht liebte er sie am innigsten von all den Seinen. Mit ihrer Mutter, die viel auf Reisen lebte, war sie nur wenig zusammen. Ihre Hauptgefährtinnen waren die Töchter der Erzherzogin Isabella und von ihren Neigungen sagt man, daß sie von jeher auf das Einfache gingen. Sie beschäftigte sich gern mit Gartenarbeit und freute sich, wenn sie den Erlös aus ihren selbstgezogenen Gemüsen armen Leuten bringen konnte. Eine niedliche Geschichte wird von ihrer hingebenden Liebe zu ihrem Foxterrier erzählt. Es war im Schönbrunner Park zur Winterszeit, wo sie in Begleitung eines Lakais spazieren ging:

»Das muntere Hündchen sprang auf eine zugefrorene Fontäne, deren dünne Eisdecke unter ihm zusammenbrach. Das Tierchen zappelte im Wasser und Prinzessin Elisabeth rief dem Lakai, daß er es herausziehe. Dieser aber fand eine Entschuldigung und rührte keine Hand zur Rettung des sich abkämpfenden Hundes, worauf die Prinzessin laut zu schreien begann: ›Du abscheulicher Hasenfuß. Ich bin nicht halb so groß wie du, aber ich traue mich hinein, selbst wenn ich ertrinke.‹ Der Mann hielt sie fest, obgleich sie schrie und sich wehrte, bis endlich ein Gärtner herbeikam, der das Hündchen aus dem Wasser zog. Seit jenem Tage aber kann Prinzessin Elisabeth keinen Lakaien mehr leiden.«

Auf ihrem ersten Ball lernte Elisabeth den jungen Kavallerieleutnant Otto von Windischgrätz kennen. Sie traf ihn wiederholt beim Tennisspiel in Laxenburg und eines schönen Tages erklärte Elisabeth ihrer Tante, daß sie niemand anders heiraten würde, als Otto von Windischgrätz, und sollte man ihr dies nicht gestatten, so würde sie ins Kloster gehen. »So ziehe deinen Großvater ins Vertrauen«, riet die Tante, und Elisabeth ging stracks zu Franz Joseph, um ihr Herz und ihre Wünsche vor seiner großväterlichen Güte auszuschütten.

Otto von Windischgrätz gehörte zu »den« Windischgrätzen, und Franz Joseph stand sehr in ihrer Schuld. Alfred von Windischgrätz verdankte er sozusagen beinah seinen Thron. Indessen dachte keiner daran, daß diese Tatsache für Franz Joseph ins Gewicht fiel, zumal Otto einer jüngeren Linie der Familie angehörte; und dies war wohl auch wirklich nicht der Fall. Was bei Franz Joseph ins Gewicht fiel, war seine Liebe zu seiner Enkeltochter. Gewöhnlich flößte er seinen Verwandten mehr Ehrfurcht als Liebe ein, aber Elisabeth war ihm einfach und herzlich zugetan und er liebte sie sehr und konnte sie nicht weinen sehen. So hörte er geduldig zu und versprach am Ende, er wolle sehen, was sich tun lasse. In bezug hierauf sei uns gestattet Sir Horace Rumbolds Worte aus seiner Schrift »Austrian Court in the Nineteenth Century« anzuführen:

Wenige Tage später beschied der Kaiser den Vater Ottos, Prinz Ernst Windischgrätz zu sich, besprach die Angelegenheit mit ihm und meinte schließlich – was wohl eine etwas heikle Sache für den Vater des hochstrebenden Jünglings bedeutete –, er hege das Vertrauen, daß seine Enkelin im Windischgrätzschen Hause ebenso herzlich aufgenommen würde, als Prinz Otto von seiner Seite und der kaiserlichen Familie aus dessen gewiß sein dürfe. Gelegentlich dieser Heirat wurde der ganzen Seitenlinie dieses alten böhmischen Hauses der fürstliche Rang mit dem Titel Durchlaucht verliehen.

So triumphierte wiederum die Liebe, und diesmal nicht bloß, ohne auf großen Widerstand zu stoßen, sondern auch ohne sich durch die Mückenschwärme kleiner Unannehmlichkeiten hindurchschlagen zu sollen. Wir müssen uns nun rückwärts wenden zu Erzherzog Franz Ferdinand und Gräfin Sophie Chotek. Es ist dies einer der interessantesten und wichtigsten Fälle auf diesem ganzen Gebiet; nicht um eine einzelne Schlacht handelt es sich da, sondern um einen ausgedehnten Feldzug, in welchem wir sehen, wie Franz Joseph Schritt für Schritt nachgibt. Und das letzte Resultat dieses Sieges menschlicher Liebe über das Habsburger System wird wohl erst noch die Zukunft bringen.

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