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Schlacht bei Custozza / Niederlage bei Sadowa / Benedeks Testament / Bismarcks Beileidsbezeigung
Zwischen 1859 und 1866 lag für Franz Joseph eine siebenjährige Frist, in welcher die dringendsten Streitfragen hätten geklärt werden können, doch fand das Jahr 1866 sie noch immer ungelöst. Im Innern seines Reiches hatte er ein wenig in die Bahnen des Liberalismus eingelenkt, sich aber bald wieder eines anderen besonnen, und nach außen hin war er Bismarck ins Garn gegangen. Diese beiden Fehler stehen in engem Zusammenhang, da er seine Untertanen nicht ausgesöhnt hatte, konnte er sich seiner Feinde nicht erwehren. Die Tatsache, daß die Ungarn immer noch aufmuckten, machte es den Preußen verhältnismäßig leicht, Österreich aus dem deutschen Bunde herauszudrängen.
Der Raum verbietet es, näher auf die Streitigkeiten einzugehen, die zwischen Österreich und Preußen bestanden. Die Unzuträglichkeiten wurden auf die Spitze getrieben durch den Zwist über die Lösung der verwickelten schleswig-holsteinschen Frage. Auch eine bei einer persönlichen Zusammenkunft zwischen Franz Joseph und dem König von Preußen geschlossene Vereinbarung erreichte nichts und wurde von Bismarck als »nicht besser wie ein Stück Heftpflaster« bezeichnet, und sein Bestreben war es ohne Zweifel das seinige zu tun, daß das Heftpflaster nicht hielt. Zuerst versicherte er sich der Neutralität Frankreichs in der berühmten Zusammenkunft von Biarritz und schritt dann zu Unterhandlungen mit Italien.
Hier haben wir wieder ein belehrendes Beispiel, wie Habsburger Hochmut einem Habsburger Fall voranging. Italien hatte kurz zuvor den Vorschlag gemacht, Venedig von Österreich zurückzukaufen. Franz Joseph, welcher wußte, daß die Venetianer wie ein Mann ihn haßten, hatte nichtsdestoweniger voller Zorn erklärt, daß Österreichs militärische Ehre und Würde als Großmacht ihm gebiete, Venedig unter seiner Herrschaft zu behalten.
»Österreich würde sich weder durch ein Geldangebot noch durch irgendeinen moralischen Druck beeinflussen lassen. Es könnte dieses Gebiet nur aus eigenem freien Willen räumen in dem von ihm nicht herbeigewünschten Falle eines für Österreich siegreichen Krieges, wodurch ihm eine Ausdehnung gegen Deutschland hin geboten würde.«
Wir alle wissen, was geschah; wie die bei Custozza durch Erzherzog Albrecht erlittene Niederlage der Italiener durch den Sieg der Preußen bei Sadowa mehr als wettgemacht wurde, wie Österreich seine Demütigung hinnahm, aus dem deutschen Bunde austreten und Venedig an Italien ausliefern mußte, nachdem durch eine Volksabstimmung die Wünsche der Bevölkerung erkundet worden waren, die anzuerkennen Franz Joseph sich so hochmütig geweigert hatte. Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, Es stimmten:
für die Annexion 640 000
dagegen 40.
Gleiche Resultate würde wohl eine Abstimmung in Trentino und Südtirol erzielt haben, denn auch dort wurde die österreichische Herrschaft als fremdes Joch empfunden. Und diese Wunde ist noch immer offen, so daß Österreich und Italien, obwohl äußerlich verbündet, dennoch weit davon entfernt sind, Freunde zu sein. Italien harrt im stillen seiner Zeit, um auf den Ruf zu antworten, der aus dem Fegefeuer der Unerlösten zu ihm herüberdringt, und wir werden in diesem Punkt unsere Überraschungen erleben, wenn Österreich das nächste Mal in Nöten steckt. Doch inzwischen müssen wir zu Franz Josephs Anteil an diesem großen Drama von 1866 zurückkehren.
Sein bester General war Erzherzog Albrecht, aber er durfte es nicht wagen, ihn Moltke gegenüberzustellen; denn dieser Erzherzog hatte eine noch nicht vergessene, unliebsame Rolle in den Straßenkämpfen von 1848 gespielt, so daß seine Leute ihm vielleicht nur widerstrebend folgen würden und seine Niederlage dem Lande den Herrscherstamm verleiden könnte. So wurde dem Erzherzog ein verhältnismäßig leichter Posten in Italien zuerteilt, dagegen die wirklich schwere Aufgabe in Böhmen dem General Benedek aufgezwungen, welcher wußte, daß er dafür nicht geschaffen war und es auch offen aussprach. Er wäre zu alt dafür, schützte er vor, und kenne die Gegend auch nicht, in welcher der Kampf stattfinden sollte.
Es war ein gefährliches und beinah hoffnungsloses Unternehmen, aber Franz Joseph bestand darauf, daß es gewagt wurde. Wenn dann aber das Unheil hereinbrechen sollte, so brauchte er einen Sündenbock, der in die Wildnis verstoßen werden konnte, während die Ehre und Würde der Habsburger unberührt dastand. So ließ er Benedek durch den Generaladjutanten Graf Crenneville bitten, den Oberbefehl aus persönlicher Gunst zu übernehmen, denn wenn er sich weigere und der Krieg schlimm ausginge, so bliebe ihm selber wahrscheinlich nichts übrig, als abzudanken. »Unter solchen Umständen«, schrieb Benedek, »würde ich sehr unrecht gehandelt haben, den Oberbefehl nicht zu übernehmen.«
So marschierte Benedek auf Sadowa und es erfolgte die Schlacht, welche Österreich ebenso hart niederstreckte als Sedan später Frankreich treffen sollte. Seine Verluste waren 7 Fahnen, 160 Geschütze, 4861 Tote, 13 920 Verwundete und ungefähr 20 000 Gefangene. Er war »zerbrochen wie ein altes Schwert« und wußte nichts anderes zu sagen, als dies:
»Wie konnten wir uns mit den Preußen messen? Sie verstehen ihre Sache, und wir haben wenig gelernt.«
Franz Joseph brauchte bitter notwendig einen Sündenbock und erwies Benedek die Ehre, ihn für einen ehrenhafteren Mann zu halten, als er selber war. Er handelte indirekt, statt direkt, halboffiziell statt offiziell, indem er durch einen Artikel in der Wiener Zeitung auf den Mann losschlagen ließ, der am Boden lag und versprochen hatte, keinen Versuch zu unternehmen, um wieder auf die Höhe zu kommen. Der Artikel begann mit der Feststellung, daß in Österreich kein Gesetz zur Bestrafung der Unzulänglichkeit bestände, und fuhr dann fort:
»Der Verlust des Vertrauens seines kaiserlichen Herrn, die Vernichtung seines militärischen Rufes vor der Welt der Gegenwart und Zukunft, das Bewußtsein des unermeßlichen Unglücks, welches unter seiner Führung das Heer und durch dessen Niederlage das ganze Reich betroffen hat, muß im übrigen für den hochsinnigen Mann, der Benedek immer gewesen, eine härtere Strafe sein, als irgendwelche, die durch die Fortführung des gegen ihn erhobenen Verfahrens über ihn verhängt werden könnte.«
Man kann sich Benedeks Grimm über diesen schwarzen Verrat vorstellen. Aber er beherrschte sich und ließ sich nicht zu einem Bruch seines Ehrenwortes treiben. Er ertrug den Schimpf mit Schweigen und sprach sich erst in seinem Testament aus, aber dann mit der vollen Wucht seiner so lange zurückgedämmten Entrüstung. Dies sind seine letzten Worte in dieser Sache:
»Daß die österreichische Regierung, welche doch mein (am 19. November 1866 dem Erzherzog Albrecht) gegebenes Schweigeversprechen in Händen hatte und an die Ehrlichkeit dieses Versprechens glaubte, diesen seltsamen Artikel veröffentlichte, in dem meine ganze Vergangenheit übersehen wird, und daß dieser unqualifizierbare Regierungsartikel in der Generalstabskanzlei entworfen, vom Feldmarschall-Leutnant Baron John, Feldmarschall Erzherzog Albrecht und anderen durchgesehen und verbessert und endlich auf Regierungsbefehl in all seinen besonderen Zügen veröffentlicht wurde – all dies übersteigt meine Vorstellung von Recht, Anstand und Billigkeit. Ich duldete es schweigend und habe nun durch sieben Jahre mein hartes Los wie ein Soldat mit philosophischer Gelassenheit und Selbstverleugnung getragen. Ich möchte mit äußerster Einfachheit und ohne alle militärischen Ehren zu Grabe getragen werden. Ein schlichter Stein oder ein eisernes Kreuz ohne Inschrift soll auf meinem Grabe stehen.«
»Ich bin ein einsamer Mann«, sagte er, »ich brauche keine äußere Ehre und fühle, daß meine innere Ehre unbefleckt ist. In dieser Sache erkenne ich keinen irdischen Richter an.«
Nicht lange danach starb er an Kehlkopfkrebs, und selbst dann noch ging die Erinnerung an das Unrecht um.
»Bismarcks eigenhändiges Schreiben (so schrieb Benedeks Witwe an ihren Neffen) war das einzige von einer hohen Persönlichkeit, das mir nahe ging. Die Telegramme vom Kaiser und Erzherzog ließen mich kalt.«
So endet die Geschichte, und es war nötig, sie in einiger Ausführlichkeit zu erzählen, wegen des Lichtes, das sie auf Franz Josephs Charakter wirft.
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