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XIX. Kapitel

Habsburger und Wittelsbacher / Irrsinn Königs Ludwig II. / Tragischer Tod Erzherzogin Elisabeths


Erzherzog Maximilian war tot, und Franz Joseph mußte sich vor Indianern und Mischlingen demütigen, um die Erlaubnis zu erhalten, seines Bruders Leichnam nach Europa zu überführen, damit er in der Familiengruft bestattet werden könne. Erzherzogin Charlotte war ganz und gar wahnsinnig, und jede Hoffnung auf Wiederherstellung mußte aufgegeben werden. Bis zur Tragödie von Meyerling ist keins der traurigen Ereignisse Franz Joseph so nahe gegangen wie dieses. Aber auch die dazwischenliegenden trafen ihn hart und nahe genug. Besonders gilt dies von dem Schicksal seines bayrischen Vetters König Ludwig II., der zudem auch ein Vetter der Kaiserin Elisabeth war.

Es ist manchmal, und sogar von Mitgliedern der beiden Familien selber, die Frage aufgeworfen worden, welches Geschlecht mehr zum Wahnsinn veranlagt sei, ob die Wittelsbacher oder die Habsburger. Nach Gräfin Marie Larisch, welche für die Wittelsbacher spricht, ist der Unterschied zwischen den beiden Familien der, »daß bei den Habsburgern der Irrsinn sich meistens in Unmoral, Selbsterniedrigung und gemeinen Ehen äußert, während er den Wittelsbacher in einen romantischen Dulder verwandelt, der in Welten hoch über allen Banalitäten des Lebens schwebt. Und nur selten kommen bei ihm niedrige Instinkte zum Durchbruch. Doch stimmt diese Antithese nicht ganz. Gemeine Ehen, wie Gräfin Larisch Mesalliancen bezeichnet, in deren Kategorien übrigens auch die Ehe ihres eigenen Vaters, eines Bruders der Kaiserin Elisabeth, mit der Schauspielerin Henrietta Mandel fällt, sind nicht notwendigerweise unromantisch, und Wittelsbacher haben derartige Ehen ebensowohl geschlossen wie Habsburger. Als Einleitung zu der Lebensgeschichte Ludwigs II. ist die Betonung dieses Kontrastes indessen einigermaßen berechtigt. Ludwigs Wahnsinn lag klar zutage, und dennoch ist er »der letzte Romantiker« genannt worden, wenigstens, so meinte man, der letzte Romantiker auf dem Thron.

Der Beginn der Tragödie war die Lösung seines Verlöbnisses mit Kaiserin Elisabeths Schwester Sophie, und die Leichtigkeit, mit welcher er sich durch eine Hofintrige dazu bringen ließ, ist an sich schon ein genügsamer Beweis, daß seine Geisteskräfte nicht intakt waren. Man hinterbrachte ihm ganz ungerechtfertigterweise, daß seine Braut ein »Liebesverhältnis« mit seinem Stallmeister Graf Holnstein pflege. Man hatte es irgendwie bewerkstelligt, die beiden zusammen zu photographieren, und dieser Beweis der »Kamera, die nicht lügen kann« wurde Ludwig in die Hände gespielt. Auch erzählte man eine Geschichte von einem Ring, den Graf Holnstein trug, und den er von der Prinzessin erhalten haben sollte, während er in Wirklichkeit der Prinzessin gestohlen worden war und auf dem Umweg über eine Schauspielerin in den Besitz des ahnungslosen Grafen geriet.

Auf diesen groben Köder fiel Ludwig herein. Er forschte nicht nach, er verlangte keine Aufklärungen, sondern schob statt dessen unter nichtssagenden Vorwänden die Hochzeit hinaus, und als Herzog Maximilian ihm den Vorwurf machte, daß er mit den Gefühlen seiner Braut ein frevles Spiel treibe, geriet er außer sich, zertrümmerte Sophiens Büste, zerriß ihre Photographien und erklärte, sie möge heiraten, wen sie wolle, nur solle man ihn in Frieden lassen. So war alles aus und beide waren unglücklich.

Ludwigs Geisteskrankheit machte solche Fortschritte, daß kein Zweifel mehr darüber bestand, obwohl ihre Auswirkung derart war, daß sie ihm den Namen des letzten Romantikers verschaffte. Er lebte in einer Einsamkeit von phantastischer Pracht. In einem leeren Speisesaal hielt er Tafel mit Geistergästen und lebte in dem Wahn, daß er sich mit Marie-Antoinette und Katharina von Rußland, mit Hamlet und Julius Cäsar unterhalte. Er ließ die besten Opern vor einem leeren Theater für sich allein zur Aufführung bringen. Er fuhr auf dem Starnberger See herum in einer Gondel, die von einem Schwane gezogen wurde. Berühmte Schauspieler mußten vor ihm rezitieren, während er speiste, und er speiste so die ganze Nacht hindurch bis 5 Uhr morgens. Er beleidigte die Gefühle seines Hofes dadurch, daß er seinen Barbier und seinen Schneider adelte. Und das Ende davon war, daß Aufseher an die Stelle von Höflingen traten und eine Regentschaft eingesetzt wurde.

Man erzählt, Elisabeth habe nicht an seinen Wahnsinn glauben wollen, und nachdem sie vergeblich versucht hätte, Franz Joseph dahin zu bringen, daß er seine Befreiung betrieb, habe sie sich in ein Komplott eingelassen, um den König auf eigene Faust zu retten. Er sollte den See durchschwimmen und ein Wagen mit schnellen Pferden sollte am anderen Ufer für ihn bereit stehen, um ihn an einen sicheren Ort zu entführen. Das klingt wie eine Geschichte, die aus müßigem Geschwätz sich aufbaut. Auf jeden Fall kam das Ende anders und die Sache wird wohl immer in Dunkel gehüllt bleiben. Ludwig bestimmte seinen Arzt, die Wärter zu entfernen, weil ihre Gegenwart ihm lästig wäre. Der Doktor war ein muskulöser Mann, welcher es sich wohl zutraute, allein mit ihm fertig zu werden. So stark er indessen war, Ludwig war noch stärker, und als die Wärter zurückkehrten, fanden sie beide, den König wie den Arzt, ertrunken, während augenscheinliche Spuren auf einen heftigen Kampf hindeuteten, der zwischen ihnen stattgefunden haben mußte. Ob der König den Arzt ermordet hatte, um den Weg zur Flucht frei zu bekommen, oder ob der Arzt bei dem Bemühen umkam, einen Selbstmordversuch des Königs zu verhindern, dies bleibt bis zur Stunde unaufgeklärt und ungewiß.

Ein weiterer Selbstmord geschah in der Familie, derjenige des Grafen Trani in Genf; und Erzherzog Josephs Sohn, Erzherzog Ladislaus, wurde durch einen Unglücksfall auf der Jagd erschossen; und Erzherzogin Elisabeth, die Tochter des Erzherzogs Albrecht und Enkelin des Erzherzogs Karl, welcher so tüchtig gegen Napoleon gekämpft hatte, kam in einer noch viel traurigeren Weise ums Leben.

Sie stand in ihrem Ballkleid von Spitzen und Musselin an einem offenen Fenster in Schönbrunn und rauchte eine Zigarette. Es war dies ein verbotener Genuß und als sie ihres Vaters Schritte vernahm, versteckte sie hastig die Zigarette hinter sich. Der Erzherzog blieb eine Weile stehen, um mit ihr zu plaudern, und im nächsten Augenblick stand das Ballkleid in Flammen. Er konnte sie nicht mehr erreichen und nichts zu ihrer Rettung tun. Sie rannte schreiend den Korridor hinunter, so daß der Luftzug die Flammen nur noch stärker anfachte. Als sie endlich gelöscht werden konnten, war es schon zu spät. Obgleich man die Erzherzogin in ein Ölbad legte und nach Wien transportierte, vermochten die besten Ärzte ihr nicht mehr zu helfen; wenige Tage später starb sie in schwerem Todeskampf.

So sehen wir Franz Joseph zum Leiden verurteilt durch die Leiden seiner Familienglieder, und nun kommen wir zu der größten Tragödie von allen – der Tragödie, die ihn seines einzigen Sohnes berauben sollte.

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