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Franz Josef um 1890

Franz Josef um 1890
Bildquelle: Anet, Mayerling

Vorwort

Das Buch des Engländers über das tragische Geschick des alten Kaisers Franz Joseph und die Schicksale seiner Familienmitglieder hat den Vorzug, den Leser nicht mit ausgedehnten geschichtlichen Exkursen zu langweilen – es gibt von der Politik, die Franz Joseph eingeschlagen hat, nur so viele Höhen und Tiefen andeutende Merkmale, als für das Verständnis der Charakteristik notwendig ist. Ein weiter Weg von 1848 bis fast in den Weltkrieg hinein, vom Deutschen Bund bis zur Betätigung der Nibelungentreue, von der unsere sentimentale deutsche Politik sich leiten ließ, aus dem für sie so recht charakteristischen Gedanken heraus, daß sie bei westlicher Orientierung dem eigenen Volke größere Freiheit hätte zugestehen müssen.

Ein Buch, wie das vorliegende, konnte in Deutschland vor der Revolution nicht erscheinen – die Aureole des Ruhmes und der Nimbus der Unfehlbarkeit, die alles Fürstliche umgab, ließen eine derartig scharf herausgearbeitete Kritik des Habsburgischen Kaiserhauses, wie sie der Engländer lieferte, als eine Majestätsbeleidigung erscheinen. Daß ein derartig unfreier Geisteszustand eine der Ursachen gewesen ist, die alle freiheitlich gesinnten Völker gegen uns aufgebracht und somit zur Isolierung Deutschlands geführt haben, wird jetzt von allen Kritikern der Vorkriegszeit anerkannt.

Der Engländer zeigt in verschiedenen Kapiteln, welchen Gefahren das Reich Österreich-Ungarn entgegenging – er läßt die Katastrophe ahnen, die Franz Josephs Lebensarbeit mit einem Schlage zertrümmern sollte. Er sieht, wie wir Deutsche es ja im Hinblick auf die Männer, denen die Erbschaft zufallen mußte, ebenfalls getan, in dem greisen Herrscher den »einzig unentbehrlichen Mann«, dessen Tod den Zusammenbruch der ganzen Herrlichkeit bewirken mußte. Aber leider war Franz Joseph keine geniale Natur, die mit Zurückstellung eigener Empfindungen aus dem Chaos sich widerstreitender Interessen und nationaler Wünsche ein neues Gebilde errichten konnte, und die Staatsmänner, die er berief, waren einer solchen Aufgabe noch weniger gewachsen. Seine im Grunde doch recht ausgeprägte autokratische Natur hat das Ihrige dazu beigetragen, die Zündstoffe in allen Staaten des Reiches anzuhäufen: es wurde fortgewurstelt, und der Gedanke, daß die nationalen Forderungen auf friedlich-freiheitlichem Wege hätten erfüllt werden können, ist der verknöcherten Bürokratie nie aufgedämmert.

Die Sippe der Erzherzoge und Erzherzoginnen aber, die den alten Herrscher auf seinem Lebenswege begleitete, war wenig geeignet, die Lebensanschauung des Monarchen zu beeinflussen. Sie alle, die Phantasten, die Lebemänner und Lebedamen, wie die Etikettemenschen hatten von den gesunden modernen Ideen nichts angenommen. Von ihnen ist in den nachfolgenden Blättern viel die Rede, denn die Nachwirkung, die ihr leichtfertiges und törichtes Leben auf das Oberhaupt des Hauses ausübte, gehört zu den Elementen seiner Entwicklung.

Überblickt man das ganze Leben Franz Josephs, so kann man sich der Empfindung nicht erwehren, daß der grausige Fluch in Erfüllung gegangen ist, den die Mutter des hingerichteten ungarischen Rebellen Grafen Karolyi über ihn aussprach. Queretaro in Mexiko, Meyerling, Genf sind nur einige Leidensstationen des Herrschers – den durch die Revolution bewirkten tatsächlichen und moralischen Zusammenbruch seiner Familie zu erleben, hat ein gütiges Geschick ihm erspart.

15. August 1921
Paul Dobert


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