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Sieben und zwanzigstes Capitel.

Einige glückliche Monathe waren Allen im frohen Beysammenleben dahingegangen, als Isolde, zwar mit unverminderter Engelsfreundlichkeit, dennoch anfing, bisweilen in ein tiefes Nachsinnen zu versinken, das den Kreis der Außenwelt von ihr fern zu halten schien, so daß sie oftmahls nicht Anrede, nicht Bitte ihrer Freunde vernahm. Nur vor Thiodolfs Erscheinung löste sich jedes Mahl der Bann, weßhalb er auch lange nichts davon erfuhr, bis endlich Malgherita mit einiger Besorglichkeit darüber zu ihm redete.

Isolde, von ihm befragt, entgegnete mit einem träumerisch anmuthigen Lächeln: »Laß es gut seyn, Liebling, die Lieblinge reden Gutes von dir.«

»Die Lieblinge?« fiel Thiodolf ein. »Die Alfengeister von Island herüber?«

»So ist es,« sagte Isolde. »Aber vergönne mir zu schweigen. Ich meine, es wäre besser. Was die kindischen Nachtgesichte bringen – wer wollte darauf sein Wünschen und Trachten richten? Wenn du es gebeutst, mein hoher Held, mußt du freylich Alles erfahren.«

Da versiegelte Thiodolf ihre Lippen mit einem Kuß, und forschte fürder nicht mehr.

Bald darauf kehrten Wladimir und Wlasta heim, in die Länder, welche sie fortan unter dem Schutze des Griechenkaisers beherrschen sollten. Thiodolf und Isolde geleiteten sie eine Strecke des Weges. Wie nun der Bulgarenfürst sammt seiner Gattinn nach dem letzten Scheidegruße auf flüchtigen tartarischen Rossen einen Abhang hinunter flog, bald darauf im nahen Walde verschwindend, und Thiodolf den griechischen Wagen, aus dem er Isolden mit zwey weißen Rossen fuhr, zur Heimkehr wandte, strömten plötzlich Thränen über die Wangen der schönen Frau, und sie seufzte:

»Wohl glücklich zu preisen sind Wladimir und Wlasta, die nun nach ihrer lieben Heimath ziehen!«

Thiodolf blickte sie staunend an.

»Es muß dennoch Alles ausgesprochen werden,« redete sie nach einer Weile fürder, »und ich fühle nun, wie unrecht ich that, meinem Helden irgend etwas zu verschweigen, das in meiner Seele lebt. Siehe, nun schon seit vielen Nächten schweben zierliche, kleine Gebilde in meine Träume herein; die singen wunderliche Lieder in Eurer schönen Nordlandssprache, die mir lieber geworden ist, als alle Sprachen in der Welt, – ich lernte sie ja von dir! – und ziehen es wie einen Nebelvorhang vor meinen Augen weg, daß die schneeige Insel Island mit ihrem glührothen Hekla sichtbar wird; ein flammender Rubin, in reine Crystalle gefaßt. Anfänglich verstand ich die Worte der Lieder nicht recht, oder hatte sie doch im Erwachen vergessen, aber nach und nach blieb mehr davon in meinem Sinne fest, und jetzt weiß ich wohl, sie rufen uns nach Island hin, und verheißen mir goldene Täflein mit Schicksalsbildern, die ich dorten im Grase finden soll, wenn ich die Räthselstrophen wachend zu behalten, und zu lösen vermag. Alle Prophezeihungen, meinen sie, haben ihr rechtes Ziel erreicht. Sie singen:

›Wenn zwey Schwestern wohnen
Wirthlich an einem Herd.‹

Und dann wieder:

›Wenn zwey Klingen starren
Kühnlich in Einer Hand.‹
Und dann seh' ich Malgheriten und mich in dieser unserer Wohnung freundlich umschlungen am Herde stehend, und dich, wie du Rottenbeißer in der Rechten, Huldiberts uralte Klinge in der Linken emporhebst – o Thiodolf, die Sehnsucht nach deiner Heimath wird noch mein Herz verzehren!«

Dankende Blicke richtete der Held gegen den Himmel; dann umfaßte er Isolden zärtlich, sprechend:

»Und diesen Wunsch, den heißen Wunsch meiner eigenen Seele verhülltest du mir?«

»Ich sah deine Heldenlaufbahn als Wäringerfürst,« entgegnete Isolde, »und hieß schweigen jegliches andere Gefühl.«

»O,« rief Thiodolf aus, »da kennst du doch den Nordlandssinn noch nicht ganz. Meinst du, wir führen in fernen Landen umher, um dorten zu bleiben? Der Herd, der liebe, theure, heimische Herd, der zieht mit Magnetengewalt an unser aller Herzen, und wen nicht ein feindliches Verhängniß davon wegbannt, – wie es dem großen Helmfrid geschah, – der kehrt wieder, und legt alle Kränze, die er sich aus fremden Meeren, an fernen Gestaden gewonnen haben mag, nieder in des lieben Vaterlandes heiligen Schooß!«

Da umarmte Isolde freudig ihren glühenden Liebling, und wie Sonnenpferde flogen die weißen Rosse dem leuchtenden Wagen voran.


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