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Drittes Capitel.

Schweigend zog die edle Reiterschar durch Brandstätten verheerter Dörfer in eine ganz unwirthbare Hügelreihe hinein, einen schäumenden Bach entlang, der mit seinem Geroll die nächtliche Stille brach, und als ein guter Bundesgenoß das Geräusch von Roßhuf und Rüstung übertönte. Während nun Thiodolf so im Finstern fürder ritt, bedachte er, wie es eigentlich mit seinem ganzen Leben nicht viel Andres sey: Ein Fortziehn im Dunkeln auf unbekannten Wegen nach verhüllten Gestalten hin, die er eifrigen Sinnes einzuhohlen strebte. –

»Hier die Feinde,« sprach er leise in sich hinein, »werde ich zwar nun wirklich einhohlen, aber mit den holden, ersehnten Bildern, mit dem weißen Christ und Isolden – da wird es mir wohl nimmermehr gelingen.« –

Tiefschmerzlich kam die Wehmuth über ihn, die in mancher einsamen Stunde seinen ganzen Geist zu erfüllen pflegte, und sein Auge tropfte wieder, wie damals auf der afrikanischen Küste, kurz ehe er seinen Kampf mit dem Löwen hielt.

Auch jetzt störte ihn ein unerwartetes Ereigniß aus seinem Nachdenken. Von einem nahen Hügel herab kam ein geharnischter Reiter mit seinem Rosse in's Thal geglitten, so daß das Thier dicht bey Thiodolf in die Knie sank. Aber der Reiter riß es mit großer Gewandtheit und Kraft schweigend wieder empor, und ritt alsdann ruhig neben dem Hauptmanne her, als gehöre er nothwendig in dessen Gefährtschaft.

Daß der Fremde ein kaiserlicher Kriegsmann sey, gab seine ganze Bewaffnung zu erkennen, aber wie er hier so mit einmahl in den Heerzug herein gerathe, wußte sich Thiodolf nicht zu erklären; noch mehr verwunderte es ihn, daß der Geharnischte im Nebeneinanderreiten sich fast eben so hohen Wuchses zeigte, als er selbst, ein Zusammentreffen, welches ihm selten begegnete, und ganz absonderlich selten in diesen mittäglichen Gegenden. Er wollte eben den Mund zu einer Frage öffnen, da ritt Philippos von der andern Seite an ihn heran, und flüsterte ihn ins Ohr:

»Das ist der wunderbare Reitersmann, lieber Herr, aus dessen Traumreden ich den Gedanken zu diesem Zuge genommen habe. Er pflegt oft zur Nachtzeit auf einem dunkeln Rosse durch die Gegend umherzustreifen; auch kann es seyn, daß ihm ein seltsamer Wahrsagergeist unsere Fahrt kund gegeben hat. Aber bitt' Euch, wollet ihn nicht anreden, auch ihn nur so mitziehen lassen hinter seinem geschloßnem Visier, ganz ungestört; Ihr möchtet ihn sonsten verscheuchen, und es würde ein tapfer, hochgewaltiger Arm fehlen in unserer Schar.«

Thiodolf that nach des Jünglings Wunsch; doch war es ihm bisweilen zu Muth, als reite ein Gespenst neben ihm her, so wunderbare Schauer wehten aus der finstern Eisengestalt in seinen Sinn herüber.

Es mochte schon gegen Mitternacht gehen, da ward man plötzlich vom Rücken eines eben erstiegenen Hügels herab, die bulgarischen Lagerfeuer in fast endloser Menge vor sich in der Ebene gewahr. Man hatte sie umgangen, das Klippenthal lag schon hinter den Wäringergeschwadern, und es kam nur darauf an, die günstigste und entscheidendste Stelle zum Angriff auszuwählen. Aber das war schwer in dieser noch immer tief umwölkten Nacht, welche durch das Gewirr der Lagerfeuer die Ebene nur zu einem noch verschlungneren Labyrinthe bildete. Sinnend hielt Thiodolf vor den Geschwadern, der schweigende Fremde neben ihm, nach dessen Rath zu fragen ihn Alles, was er von ihm hatte sagen hören, in edlem Stolze zurückhielt, denn er mochte seinen Sieg eben so wenig einem zauberischen, als einem übermüthigen Helfer verdanken.

Schon war er fast entschlossen, gegen die gedrängteste Menge von Feuern hinabzutraben, überzeugt, gerade in Mitten des zahlreichsten Haufens müsse die Verwirrung des Ueberfalls ihre Fackel am furchtbarsten schwingen; da leuchtete über dunkle Waldungen die blutige Mondesscheibe herauf, und Thiodolf streckte ihr freudig grüßend die Hand entgegen. Ach wie oft hatte sich schon in Island sein junges Herz an diesem Himmelsschilde zu ernster Freudenahnung entzündet, und nun schwebte es ihm gerade zur rechten Stunde als feyerlicher Siegesbothe leuchtend empor.

Die herrliche Scheibe stieg, und stieg, und bald strahlte die Ebene hell in ihrem klaren Scheine. Da erschaute Thiodolf mit sicherm Feldherrnauge die rechte Stelle zum Angriff, und laut wieherte sein Araberrappe, der lichten Bahnen und des nahen Kampfes froh. Der Wiederhall faßte den Ton auf, und führte ihn gleich wiederholtem Trompetenklang über das schlafende Bulgarenlager hin, daß viele Scharen davon empor fuhren, und die hohen Rittergestalten auf dem nahen Hügel im Vollmondslichte glänzen sahen. –

»Vorwärts, Ihr Brüder!« rief Thiodolf aus. »Den Göttern sey's gedankt, der Feind ist wach worden, und biethet uns um so rühmlichere Schlacht. Vorwärts!«

Die Geschwader stürmten den Hügel hinunter, den ihnen schon früher verkündeten Feldruf: »Zoe!« anstimmend. Wie jubelte da der feurige Philippos, fast noch voranjagend seinem Hauptmann! Aber auf dessen Wort: »ruhig geritten, mein Schildbub. Es gilt nicht Wettlauf, es gilt, mit aller Macht des Rosses hineindonnern in den Feind!« zähmte er den Lauf seines Streithengstes alsbald. Nur erst indem Thiodolf den Falkenspeer voran fliegen ließ in das nächste anrückende Feindesgeschwader, und dann, einen Rappen mit den Sporen befeuernd, Rottenbeißer hoch über sein Haupt schwingend, vollen Laufes anprellte gegen die von ihren riesigen Schilden gedeckten Bulgaren, erst da brachen die Wäringer in aller blitzesschnellen Gewalt los, und Philippos durfte der heitern Kampfeslust folgen, wie es ihm das junge Heldenherz gebot.

Wild heulte barbarischer Schlachtruf aus allen Abtheilungen des Bulgarenlagers empor, und die erweckten Scharen drangen von allen Seiten zum Kampf heran. Sie meinten, ihre Angreifer seyen etwa verirrte Geschwader, die sich nur in angstvoller Verzweiflung hier durchzuarbeiten gedächten, und zweifelten daher nicht, sie bald mit ungeheurer Ueberzahl zu erdrücken. Ihre gewaltigen Schilde setzten sie bey jedem Anfalle der Reiter vor sich an den Boden, knieten dahinter nieder, und sandten einen dichten Pfeilhagel gegen die Wäringer vor. Wenn diese da hindurch gesprengt waren, fanden sie eine im Feuer gehärtete und gespitzte Pfahlreihe gegen sich starrend, welche das Bulgarenheer augenblicklich mit großer Gewandtheit und Ordnung in den Boden zu stoßen wußte, und dann erst mußten sie lange Spieße, wie man sie in den bisherigen Gefechten noch nicht beim Feinde gesehen hatte, auseinander schlagen, um bis in die Reihen des Fußvolkes vorzudringen. Dabey war es noch das schlimmste, daß die edlen Rosse vor dem Geheul, Gepfeif und Gezisch, welches die Bulgaren in widrig abwechselnder Fertigkeit anstimmten, scheu wurden, und auch vor den gräulichen Gestalten, die sich oftmahls plötzlich hinter den Schilden emporrichteten, und eben so plötzlich mit einem heisern Lachen wieder untertauchten. Dennoch siegte mehr und mehr der Muth und die Reitergewandtheit der Wäringer, und immer freudiger halte der Heerruf: »Zoe!« über das nächtliche Schlachtfeld hin.

Die Bulgarengeschwader begannen an vielen Orten auseinander zu stäuben, die gewohnte Art ihres Fechtens wieder versuchend, indem sie nun wohl merkten, daß sie nicht mit verirrten Umherstreifern, sondern mit wohlgerüsteten und gut vorbereiteten Scharen kämpften; aber was sie früher sich zum Schutze selbst bereitet hatten: ungeheure Verhaue, tiefe, dichtgereihete Gruben, und gestaute Bäche, – das ward ihnen nun Alles zum eignen Verderb, denn wie es die Vorderseite ihres Lagers vor allem Angriff schützte, wurden sie, bey diesem Anfall von der Rückseite her, selbst da hinein gedrängt, und verhindert, nach ihrer wilden Kriegsweise in endloses Geschwärm auseinander zu laufen. Es blieb wider Willen des Feindes bey dem Gefechte Mann an Mann.

Eine Anhöhe, im lichten Mondschein glänzend, verhieß die klare Aussicht über das ganze Schlachtfeld, und Thiodolf sprengte hinauf, um mit sicherm Blick das Treffen zu betrachten und desto früher zu entscheiden. Aber wie er so hell und herrlich da oben hielt, gewahrten sein verschiedene Anführer der Bulgaren, und überzeugt, wenn dieser liege, sey die beste Kraft ihrer Feinde an den Boden geworfen, führten sie von drey verschiedenen Seiten Scharen gegen den Hügel hinauf. Thiodolf, weit in die Ferne schauend, bemerkte das nahe still heimliche Anrücken nicht, doch plötzlich umstarrten ihn von allen Seiten gewaltige Spieße, belagerte ihn ein Wall von ungeheuern Schilden. Freudig zürnend warf er sich auf den Feind, aber der Kreis rückte immer dichter um ihn zusammen; gestachelt von mehrern Spießen bäumte sich der edle Araberhengst wild auf, und ein Stoß gegen das gepanzerte Vorderzeug warf ihn sammt seinem Reiter mit gewaltigem Falle rasselnd auf die Erde nieder.

Thiodolf schien verloren, denn sein Roß hatte sich beim Sturz in Zügel und Steigriemen verwickelt, und konnte nicht wieder über ihm in die Höhe. Dennoch zögerten die Bulgaren, sich seiner zu bemächtigen. Keiner wagte es, dem edlen, hauenden Pferde zu nahen und der mächtigen Klinge Rottenbeißer, die noch immer der goldgeharnischte Heldenarm in den Lichtern des Mondes blitzend umherschwang. Plötzlich scholl es unten vom Hügel herauf, drey harte Schläge, und drey Mahl stöhnte es, wie von in's Blut gesunkenen, zum Tode getroffenen Kriegern. Staunend blickten die Bulgaren um. Da kam ganz allein, ohne Schlachtruf, stumm auf seinem dunkeln Rosse um sich hauend, der greise hohe Rittersmann heraufgetrabt, und wo er hintraf, röchelte ein Sterbender. Vor dem stäubten die Bulgaren entsetzt auseinander, rufend, dem jungen Helden komme der Geist seines Stammes zu Hülfe in gespenstischer Pracht. Der unbekannte Reiter, ohne sich weiter um sie zu kümmern, half derweil dem Wäringerhauptmann in die Höhe, und weil das edle Araberpferd nur leichte Wunden hatte, saßen auch beyde Helden bald wieder hoch zu Rosse. Thiodolf hielt seinem wunderbaren Helfer die Hand hin, und sprach einige freundliche Worte dazu, aber der hob seine Rechte mit dräuender Geberde gen Himmel auf, wandte sich, und trabte alsbald, wie im tiefen Unwillen, vom Schlachtfelde fort.

Es bedurfte hier freylich seiner Hülfe nicht mehr. Schon wankten die Bulgaren von den mehrsten Seiten, und als Thiodolf wieder an der Spitze seiner Geschwader erschien, warfen einige rasche, freudige Angriffe den heulenden Feind vollends überall in rettungslose Flucht.


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