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Dreyzehntes Capitel.

Der Heimzug in die kaiserlichen Lande ging langsam, denn theils mußte erst die neue Verfassung durch die Gewalt des griechischen Heeres befestigt werden, theils auch nöthigte die immer strenger hereinbrechende Winterzeit zu unterschiedlichen Ruhelagern. Während derselben gingen trübe Gedanken über Thiodolfs Gemüth. Vergeblich hatte er nach dem schweigenden Reitersmanne geforscht. Der war seit dem letzten Gefechte nicht sichtbar gewesen. Daß er kein Gespenst sey, sondern Isoldens und Malgheritens noch lebender Vater, wußte Thiodolf seit dem Tage, wo er ihn errettet, und sich klar über diese ganze Begebenheit besonnen hatte. Aber eben die wunderbare Scheu des Helden vor ihm faßte ihn hart an, und ließ ihn meinen, es komme doch mit allen Freuden seines Lebens zu keinem erwünschten Ziel.

Zu Anfang hatte er sich zwar sehr über das Zusammentreffen mit Jonas gefreut, hoffend, der werde ihm nun gewiß zur rechten Erkenntniß des weißen Christs verhelfen. Aber mit wie liebevoll erneuter Sehnsucht er auch den erhabenen Lehren entgegen trat, wie herzlich vertrauend er sich dem ehrwürdigen Lehrer in die Arme warf – verschlossen blieb vor ihm die rechte Einsicht in die göttliche Natur des Erlösers, ungewiß und zweifelnd sein Glaube daran.

Wladimir dagegen faßte die Predigten des frommen Mannes leicht und schnell. – »Führt mich ja doch,« pflegte er zu sagen, »der neue Glaube meinem neuen, wiedergewonnenen Glück entgegen, der holden Wlasta in Konstantinopolis; und wer wollte um so ein herrliches Handgeld nicht freudig dienen, manch ein saures Jahr hindurch!«

Thiodolf aber sagte zu solchen Reden gewöhnlich: »mein unsichtbares Lieb – ach Himmel, es füllt mir das ganze Herz mit Sehnsucht! Hätte ich aber nur erst den weißen Christ gefunden; da ist mir's immer, als käme Isolde ganz von selbsten dazu!«

Darüber geschah es jedoch, daß Wladimir schon auf dem Zuge getauft wurde, und Thiodolf, in schwerem, unaufgelösten Kummer, zweifelnd fürder und fürder ritt. Der Winter verging, der Frühling kam, und alles war beim Alten mit dem trüben jungen Heerführer, der jetzt an der Spitze seiner siegreichen Scharen gegen Konstantinopolis heran zog, von dem Jubel des Volkes umströmt, in Städten und Dörfern mit Ehrenbezeugungen und Festlichkeiten empfangen.

Der Kämmerling Androgenes war auf Thiodolfs Befehl voraus gesprengt, dem Kaiser zu melden, wie sich Alles begeben habe, und brachte nun Gruß und Dank in reichem Maße zurück, wie auch den Befehl, das Heer solle an einem Lustschlosse vorbeyziehen, wo gerade jetzt der Hof sich des blühenden Lenzes erfreute; dort werde der Kaiser es mustern, und nachher es mit einem glänzenden Mahle bewirthen lassen.

Hell strahlte der Propontis, an dessen Ufern der Frühlingspalast sich erhob, das klare Himmelblau zurück; auf den Wiesen rings umher strebten aus den lichtgrünen, blumigen Gräsern hohe Lauben und Triumphbogen empor, durch reiche, wehende Gehänge von Rosen, Myrthen und Lorbeern miteinander verbunden. Chöre von Jünglingen und Mädchen, in die wunderbar schöne Tracht der uralten Bewohner von Hellas gekleidet, stimmten von allen Seiten feyernde Lieder an, zum Getöne der Flöten und Zithern, und der Nahme: Thiodolf! schwebte aus all den Gesängen wie ein klingender Stern empor. Der gepriesene Held aber sagte in sich hinein:

»Wie viel froher war ich auf Island, wo statt dieser Frühlingslüfte Kosen die Winterstürme heulten, und statt der feyernden Lobgesänge bald Oheim Nesiolf und bald Muhme Gunhild schalt! Dennoch – ich fühl' es – in Mitten dieser heißen Südlandsschmerzen reift eine edle Frucht in mir empor, und es wird schon besser werden mit mir; viel besser, als ich es jemals zu denken vermochte.«

Der Kaiser kam herangeritten in aller seiner Pracht. Wie ihm Thiodolf entgegensprengte, und dann, sich tief vor ihm neigend, Bericht erstattete von Sieg und Frieden, hing ihm der Kaiser eine reiche Halskette über, deren Glieder theils aus funkelnden Demantensternen, theils aus goldnen Römeradlern gebildet waren. Dann winkte Thiodolf den Fürsten Wladimir herbey, und stellte ihn dem Kaiser vor, welcher ihm nach gnädigem Empfang gebot, an seiner linken Seite zu reiten; die rechte ward zu Thiodolfs Platz erkoren.

So zog man durch die Glieder des Heeres hin, und der Kaiser sprach bald zu den Kriegsleuten, bald zu ihrem Feldherrn viel ermunternde und dankende Worte. Unter andrem sagte er zu Thiodolf:

»Wißt Ihr schon, mein theurer Heerführer und Wäringeroberst, daß wir Euch hier, nun etwa vor einem Jahre, als todt beweinten? Der Ruf ist ein kühnes, wunderliches Ding, das gern mit den Schicksalen großer Helden spielt. Da galt sein verworrnes Tönen denn auch Euch, und vieler schönen Frauen Augen sind naß geworden um diese Bothschaft.«

»Die Walküren sind mir damals vorübergezogen,« sagte Thiodolf ernst, »um meinen großen Meister Helmfrid zu rufen.«

»Die Walküren!« rief der Kaiser. »Wie, Thiodolf, so seyd Ihr noch immer nicht, was Ihr seyn sollt? Einen edlen Bekehrten bringt Ihr uns heim, und Ihr selbst, der edle Sieger? – Aber genug für dießmahl. Führt mir die Geschwader dort an den Wagen vorbey, wo die edlen Frauen uns erwarten.«

Der feyerliche Zug begann. Wie ehemals nach dem Uebungstreffen bey Konstantinopolis zog Thiodolf an den Sternenaugen der blühenden Zoe vorüber, aber noch unendlich lieblicher grüßte ihn heute die holde erröthende Gestalt, und als er nun zurückgesprengt kam, und bey den Wagen halten blieb, und die ältere Zoe ihn freundlich anredete, und selbst die bleiche, ernste Theodora ihn gütiger Worte würdigte, welch ein zartes, lockendes Geflüster tönte erst da von der blühenden Zoe Lippen, daß sein Herz davor aufwallte in verwirrter Regung, und in süßer, zweifelnder Sehnsucht.


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