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Zweyten Theiles
zweytes Buch.

Erstes Capitel.

Ueber die Donau heran, von den Ufern des Palus Maeotis herüber, aus den entlegensten, noch beynah gänzlich unbekannten Steppen hervor, hatte sich es stäubend und verdunkelnd erhoben, gleich einer zahllosen Heuschreckenwolke. Krieger, fast nackt, bräunlichen, unschönen Antlitzes, zu allem Schutz ein ungeheures Schild vor sich her tragend, ihre Schultern mit wunderlichen Angriffswaffen überhangen, deren Gebrauch das staunende Auge der Fremden nur theilweise zu erspähen vermochte, selten ein Roß zwischen dem Gewimmel hervorragend, meist die ganze Horde zu Fuß, aber in furchtbarer, unerhörter Gewandtheit, – so kamen die Bulgaren über ihre Gränzen heraus, und das griechische Kaiserthum zitterte. Wohl gedachte man noch der Zeiten, wo diese Fluth bis an die Vorstädte von Konstantinopolis gedrungen war, und man aus mehr als zwanzigtausend Familien entführten Lieben nach jammerte, die von den rückkehrenden Siegern mit davon geschleift wurden in ihre endlosen Wüsteneyen. Von allen Seiten flüchtete der Landmann, schloß der Städter ängstlich seine Thore, und schallten betende Stimmen zu Gott und seinen Heiligen um Schutz und Rettung empor.

Schutz und Rettung waren im Anzuge. Die Fliehenden trafen auf ihrem trüben Wege bald gegen den Vortrab des anrückenden Kaiserheeres, und zu nicht geringem Troste sahen sie darunter hohe Nordlandsgestalten, und vernahmen, die Wäringerschar ziehe, dießmahl stärker und herrlicher, als jemals, in das Feld; auch seye darunter ein junger Hauptmann, welchen ganz Konstantinopolis als die Blume aller Kraft und Heldentugend anstaune, so viel man auch dorten der herrlichen Norderfechter schon seit langer Zeit her gesehn. Sie hielten ihre müden Tritte an, pflegten der Weiber und Kinder und Kranken, und rasteten an befreundeten Orten, mit gelassenem Hoffen den Thaten des Heeres entgegen schau'nd.

»Meister,« – sagte Thiodolf eines Tages zu Helmfrid, als eine Schar von Flüchtlingen in ihrer Nähe Halt machte, sich zum Theil auf die gerettete Habe niederlassend, und die hülfreichen Krieger mit zutraulichen Grüßen betrachtend, – »Meister, wenn davor nicht das Herz im Busen anschwillt zur Kampfeslust, mit dem ist es zu allem Großen und Herrlichen vorbey. Die Bulgaren sind bethörtes Volk, daß sie uns dergleichen Mahner entgegen schicken, und das soll den argen Plünderern noch ein gar schlechter Gewinn werden.«

»Du hast Recht, lieber Thiodolf,« entgegnete Helmfrid, »und weil ich weiß, daß die schöne isländische Sangesgabe dir in besonders hohem Maße verliehen ist, möchte ich wohl, du stimmtest aus diesen Gedanken ein Lied an, das unsre Kriegsmänner singen lernten, und mit sich hin, eintrügen in die Schlacht.«

Da erhub Thiodolf seine gewaltige, weit über die Scharen hindonnernde Stimme, und sang folgende Worte:

     »Frisch durch die Felder,
Fröhliches Herzblut
Wallend in Adern, zog die Wäringerschar
Helden, wohin doch
Hebt sich der Heerzug?
Geht es zum Festgelag? Geht es zum gaukelnden Spiel?

     Siehst du nicht Säuglinge?
Siehst du nicht Mütter,
Wie sie entgegen wandeln den Wäringerheer?
Kranke hört klagen,
Kinder hörst wimmern, –
Fragt dennoch, wohin ausfleugt dieser Adlerflug?

     Geyer, gewalt'ge,
Griffen und krallten
Rauh in Räuberbegier durch die rauchenden Gau'n.
Floh'n da feldeinwärts
Freundliche Tauben,
Schwebten da Adler mit schirmender Schwinge feldaus.

     Tauben vertraulich
Tränkten am Quell sich,
Lagerten müde Glieder, und labten sich;
Aber die Adler
Athmeten Schlachtlust,
Warfen die wichtigen Schwingen weit vor zum Schutz;

Griffen die Geyer
Gewaltigen Schwunges,
Was sie nicht griffen, floh weit in die Wüste hinaus;
Da grünten die Gauen,
Da girrten die Tauben, –
Wäringer, wackere Brüder, so wird's nun bald.«

Der Schlachthaufe sang dieses Lied mit großer Lust nach, und man hat Worte daraus noch durch manche heiße Gefechte klingen hören, die späterhin mit den räuberischen Bulgaren geschlagen wurden. Ja, die Griechengeschwader lernten den Sang auch, und die Wäringer hießen bald im ganzen Heere die Adler. Sie kamen frühe dazu, sich diese schöne Benennung zu verdienen, denn die Bulgaren schwärmten ihnen beutegierig und kampflustig entgegen, und es bedurfte erst einiger harter Treffen, bevor der wilde Feind die Scheu wieder annahm, die er sonst vor gesammelten Geschwadern zu haben pflegte, und welche ihn frühere Siege beynahe ganz hatten vergessen lassen.


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