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Zweytes Capitel.

Zur einen Seite winkte die Sophienkirche, zur andern der Hippodromos. Bald da, bald dort hin, wechselsweise angezogen von der eben so blendenden als erhabnen Pracht beyder strahlenden Gebäude, wollte Thiodolf sein Pferd lenken, und nur mit Mühe erhielt ihn Helmfrid auf der geraden Straße nach dem kaiserlichen Pallaste hinauf. Als aber der ihm entgegen funkelte, ließ der junge Isländer die Augen sinken, und murmelte nachdenklich leise vor sich hin: »ob aber das auch den Göttern recht sein mag, wenn man ihnen ihre Asgardburg so gar kühnlich nachbaut?«

Aus dem Sattel gestiegen, schritten sie in die geräumigen, von würzigen Gesträuchen durchdufteten, von kunstreichen Springbrunnen gekühlten Schloßhöfe ein, über farbiges Marmorpflaster fort, schlanke, mit golderznen Geländern eingefaßte Treppen hinauf. Oben in den hallenden Sälen strahlte ihnen bald ein reicher Wettstreit porphyrgeglätteter Tafeln und goldner Einfassungen von den Wänden entgegen, bald der blühenden Teppiche so lebenathmende Pracht, daß der Blick für Augenblicke irre ward, ob nicht ein frühlingsleuchtender Wald mit prangenden Blumenbeeten wirklich ringsumher auf zaubrischen Wink empor gestiegen sey. Kämmerlinge in goldgestickten Sammtgewändern und Kriegsleute in güldnen und silbernen Harnischen drängten einander fast unter den weitläufigen Schwibbogen, und Alle grüßten den mächtigen Wäringerobersten, und den riesigen, unbekannten Jüngling, welcher neben ihm herschritt, mit tiefem Neigen. Thiodolf hatte schon Mehrere aus ihnen für den Kaiser angesehen, aber der stille Heldenstolz in seinem Gemüthe machte, daß er sich eben mit Verbeugungen nicht übereilte, und so gelangte er zwar staunend, aber doch mit hochernstem und würdigem Anstande an seines Führers Seite in das Gemach, wo der Kaiser auf seinen rühmlichen Feldherrn wartete.

Um den köstlichen Thron her stand die Schar der vielen, mannigfach abgetheilten Beamten und Diener, Alles in so blendender Pracht, daß Thiodolf zu Anfang gar nichts bestimmtes wahrnahm, und seines edlen Führers Grüße nachthat, ohne denjenigen zu sehen, welchem sie galten. Als nun der Kaiser sprach, und Helmfrid erwiederte, drang des Jünglings helles Auge nach und nach durch all' den umgebenden Schimmer zum Herrscher hin, und entdeckte eine etwas hinfällige, mehr trüb als freudig erscheinende Greisengestalt. Wohl sagte hier der erste Anblick, daß von gar keinem furchtbar gewaltigen Fechter die Rede sein könne, so daß es Helmfrids früherer Berichtigung deßhalb nicht bedurft hätte, aber mit eignem Zauber bewährte sich auch des alten Helden Spruch von der Ehrfurcht vor einem Menschen, dem das Geschick ein so gewaltiges Reich in die Hände gelegt habe. –

»Der ist's also!« dachte Thiodolf bey sich selbst. »An den richtet sich alle Tage von vielen fernen Landen her jubelnder Dank und hülferufende Klage. Jegliche Stunde kommen Leute bey ihm an, die von seiner Lippe hören, wie es mit ihnen und allen ihren Landesgenossen stehen soll. Was Der alles für Kunden vernimmt! Was Der alles antwortet. Es ist recht schauerlich mit ihm, und viel gilt es wahrhaftig, wenn man so weit in der Welt kommt, daß man einem dergleichen Menschen ordentlich von Angesicht in Angesicht sieht.« –

Er hörte über diese und ähnliche Gedanken kaum, was zu einer Empfehlung Preisendes von Helmfrid gesprochen wurde. Nur als der Kaiser ihm näher herbeywinkte, schritt er mit vergnügter Bereitwilligkeit vorwärts, und erwiederte auf dessen Frage, ob er ihm etwa unter den Wäringern dienen wolle:

»Vielgewaltiger Herr, und Kaiser, es ist ein riesiger Wagen, den Ihr fahrt, und es wundert mich, wo Ihr dazu der edlen und gehorsamen Rosse so viel hernehmt, als Ihr braucht. Was mich betrifft, ich will tüchtig mit anziehn, und gehorsam seyn will ich auch, soweit es sich immer thun lassen wird.«

Der Kaiser neigte freundlich lächelnd sein Haupt, und beauftragte den Wäringeroberst, daß er den jungen Helden und dessen Schar in seine Reihen aufnehme.

Was nun aber fürderhin verhandelt ward, theils mit Helmfrid, theils auch mit andern fürstlichen Staatsbeamten, – dafür hatte Thiodolf nicht Ohr nicht Auge mehr, denn sein Blick war festgeheftet auf einen Jüngling, der ihm nicht fern vom Kaiser, in prächtigen Kleidern prunkend, von Vielen mit ehrfurchtsvoller Nachgiebigkeit behandelt, in's Auge gefallen war. Derselbe Glykomedon aus den Kastanienschatten zwischen Marseille und der Burg des großen Freyherrn stand hier unverkennbar da, strahlend in allen Lichtern der Hofgunst, und der geübten, ihres Erfolges versicherten Hofsitte. Blöde und zornig starrte ihn Thiodolf an; da war es, als lege sich ein höhnisches Lächeln über des Handelsfürsten Züge, und dem Isländer drängten sich Worte des Zornes und der Aufforderung fast unwiderstehlich auf die Zunge, aber die Gegenwart des weitherrschenden Griechenkaisers, dem er sich eben erst verpflichtet hatte, zügelte ihn. Er schwieg, und starrte mit so glühenden Augen gegen den zedergetäfelten Fußboden, daß es schien, als müsse dieser durchbrennen vor den zwey lodernden Fackeln.


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