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Zwey und zwanzigstes Capitel.

Der Kaiser hatte wie erstarrt und versteint diesen seltsamen, fast wunderähnlichen Begebenheiten zugesehen. Jetzt sandte er Michael Androgenes und einige Herolde, alle Theilhaber des Vorgefallenen zu ihm heraufzuführen, und die Menge vollends zur Ruhe zu sprechen. Dies letztere war unnöthig, denn der Zug, welchen die heimliche Helferinn anführte, fand von allen Seiten nur gesenkte Häupter, und tiefes, ehrfurchtsvolles Schweigen auf einem Wege. Ueberhaupt war das Volk, seit die gefeyerte Herrinn zu ihm geredet hatte, still und ernst und erwartungsvoll, als ob ein hohes Fest angekündigt sey. Der riesige, geharnischte Rittersmann, in welchem Alle, die ihn je gesehen, den großen Freyherrn bald erkannten, faßte im Vorbeigehen Pietro und Malgheriten, die beynahe vor ihm zu Boden sanken, freundlich in seine Arme, und führte sie mit nach dem Sitze des Herrschers hinauf.

Dort stand, von dem Kreise der übrigen Regentenfamilie staunend umgeben, die eben erst erschienene, bleiche Prinzessinn Theodora. Sie redete ihren kaiserlichen Bruder mit folgenden Worten strafend an:

»O Du, dem der Aufgang dient, und den der Niedergang verehrt, weil es Gottes heiliger Rathschluß also bestellt hat, du wolltest ruhig vor deinen Augen den Helden verderben sehen, durch den die Gränzen deines Reiches befriedet sind, errettet viele Tausende deiner Unterthanen von elender Verarmung und drückender Sclaverey! Bruder, ich kenne den Grund deines Unwillens; ich scheue mich, ihn auszusprechen, weil hier Wangen mit erröthen müßten, die –«

Es flog über die bleichen Wangen der Rednerinn selbst eine heiße Gluth, der man es jedoch wohl ansehen konnte, daß sie fremder Schuld und fremder Thorheit galt. Sie stockte einen Augenblick. Dann hob sie Antlitz und Stimme wieder in ernster Feyerlichkeit empor, und sprach:

»Etwas Großes, Herrliches hat dieser junge Wäringerfürst gethan, als er Euer Zürnen auf sich lud, und dafür bringe ich ihm hier entgegen, was die theuerste Gabe seines Erdenlebens ist, und er längst schon als verloren mit heißen Schmerzen betrauerte.«

Sie faßte Isoldens Hand, und führte die hohe Jungfrau dem Helden zu, sprechend:

»So bald Dich, o Thiodolf, der Herr in die Zahl seiner Christenjünger aufgenommen hat, gehört sie dein.«

Darauf erzählte sie Thiodolfs und Isoldens früheres Geschick, und wie die zur Nonne gewordne Prinzessinn Eudocia, ihre fürstliche Schwester, aus ihrer Unsichtbarkeit hervor Alles gelenkt habe, Isolden zur Demuth erziehend und in Verborgenheit haltend, zugleich aber auch ihr den oft ersehnten Klosterschleier weigernd, durch prophetischen Geist von dem weltlichen Beruf der Freyherrntochter unterrichtet. Zur Novize habe sie endlich, als Isolde bey der Nachricht von Thiodolfs Tode ganz in Schmerz versunken gewesen sey, die Klagende tröstend angenommen, aber ihr die Einkleidung noch immer gewehrt. –

»Heute,« fuhr Theodora fort, »als ich bey der Schwester war, hub sie plötzlich, wie verzückt, ihre Augen nach der Sonne empor, sprechend: ›Sie zeigt uns die rechte Stunde. Die Lösung aller Räthsel naht. Eilt, Ihr Beyden, o eilt. Am großen Amphitheater geht Ihr vorüber. Eilt, sag' ich; ein herrliches Heldenleben gilt es, und mehr.‹ – Wir thaten nach ihrem Geboth, und so ist denn Alles gekommen, wie Ihr es seht.«

»Die Lösung aller Räthsel naht;« wiederholte der große Baron, feyerlich in die Mitte tretend. »Die Lösung des Vaterfluches ist beynahe vollbracht: Isolde hat in Gegenwart eines Kaiserhofes, vor Volk und Kriegsleuten ihr Leben in Liebe an das eines jungen Helden gesetzt, und der Bund dieser zwey hohen Erscheinungen ist geschlossen. Nun versteh ich die dunkle Wahrsagung Huldiberts, so viel mir aus der alten Urkunde entgegen leuchtete bevor der plötzliche Brand Pergament und Schloß verzehrte. Laß in Trümmer gefallen seyn die provenzalische Heldenburg! Meine glücklichen Kinder und Enkel werden sie fürstlicher wieder aufbauen. Denn gewiß, das herrliche Kind dort auf Isoldens Arm muß Pietros und Malgheritens verlorner Tristan seyn.«

»O Gott, das hab' ich ja vom ersten Augenblick an gewußt!« rief Malgherita, und streckte ihre Hände nach dem Knäblein aus, welches auch ihr mit süßem Lächeln von Isoldens Arm entgegenstrebte. Der große Freyherr aber trat dazwischen.

»Noch nicht,« sagte er. »Erst wann Isolde durch das heilige Band der Ehe mit ihrem Lieblinge verbunden ist, hat sich die Verwünschung völlig gelöst.«

»Was zögern wir denn nur?« sprach der Kaiser. »Laßt uns sogleich nach der Sophienkirche, und dort das heilige Sacrament vollziehen, denn gewiß nimmt Thiodolf dasjenige, welches vorangehen muß, die heilige Taufe, nun mit freudig willigem Herzen an.«

»Seit Jahren streb' ich darnach, wie Ihr wohl wißt, mein kaiserlicher Herr,« entgegnete Thiodolf, »und o mit wie beseligten Herzen wollt' ich hinzutreten, wenn es mir gegeben wäre, den lieben, weißen Christ zu erkennen. Aber seinen Tisch will ich nun und nimmermehr entweihen, als ein halbherziger Gast selbst um Isoldens willen nicht!«

Ein Blick der glühendsten Liebe fiel dabey auf seine schöne Braut, die in freudiger Bewunderung zu ihrem Helden hinaufblickte, während ihm der große Freyherr mit kräftiger Innigkeit die Hand drückte, und der Kaiser etwas beschämt zur Seite sah. Er faßte dabey den Sänger Romanus in's Auge, und fragte ihn dringend, wie er zu dem Knäblein gekommen sey, und ob man es wirklich für Pietro's und Malgheritens Sohn halten dürfe. Seine Erzählung hob jeden Zweifel. Nach Sängerweise von der Beschauung großer Begebenheiten angelockt, war er unter den Trümmern von Castelfranco gleich am Morgen nach der Zerstörung umhergewandelt, und hatte dorten den kleinen Tristan zwischen eingestürzten Mauern gefunden, in der Tracht, worin ihn die Mutter zuletzt gesehen hatte, und ihn bisher noch immer im Geiste also vor ihren Augen sah. –

»Weil er mir aus dem glühenden Gestein, unter Einsturz drohenden Gewölben« – beschloß Romanus seine

Erzählung – »so hell entgegenlächelte, gab ich ihm den Nahmen Giocondo, und habe ihn bis heute auf meinen Wanderungen mit mir umher getragen als eine anmuthige Bürde, als einen seligen Spiegel des Lebens, aus welchem mich Welt und Schicksal immer mit hellen Engelsaugen anleuchteten. Nun geh' ich fürder allein, aber ich werde noch oft wieder kommen, den holden Tristan Giocondo zu besuchen, und wenn er dereinst herangewachsen ist, hören wir uns auch wohl aus der Ferne herüber: ich meine das Klingen meiner Zither, und seines ritterlichen Schwerts.«

Pietro faßte gerührt seine Hand, während der Kaiser, der lange tiefnachsinnend gestanden hatte, in plötzlich siegender, edler Reue, den großen Wäringerfürsten vor allem Volk an sein Herz drückte. Thiodolf sank in das Knie, die Hand seines gekrönten Freundes küssend, und von allen Seiten tönte der jubelnde Zuruf des schnell umgewandelten Volkes darein, durch dessen Reihen in wundersamen Bruchstücken die Gerüchte von dem hinliefen, was auf dem kaiserlichen Sitze verhandelt werde.

Die blühende Zoe aber nahte sich dem Norderhelden, und flüsterte, von Jedermann unbemerkt, mit glühenden Wangen in sein Ohr:

»So helfe mir Gott, als ich mich recht von ganzem Herzen über Euer Glück freue, lieber Thiodolf.«


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