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Dreyzehntes Capitel.

Als Thiodolf einige Tage darauf zum Frühtrunk in Pietro's Behausung gekommen war, sagte Malgherita:

»Siehst du wohl, Thiodolf, es fällt kein einziges Wort auf die Erde, welches die Menschenkinder sprechen, keiner ihrer Träume verweht in bloße, gestaltlose Luft, denn die Schicksalsgötter horchen scharf auf. Erinnerst du dich noch, wie mich dein Sang am Fenster und die Heklasgluth so sehr erschreckten? Es geschah bloß deswegen, weil ich immer träumen mußte, durch meine Verwahrlosung bey der Flucht sey das väterliche Schloß in Brand gerathen. Nun ist das alles zur Richtigkeit gekommen, wenn auch freylich in einem andern Sinn. Ich aber bin es ja doch immer, aus deren Hand der erste Funke in den geheimnißreichen Bau gefallen ist.«

»So flog die eigentliche zündende Fackel aus meiner Hand!« entgegnete Thiodolf. »Isoldens Entführung hat doch das rechte wilde Verwirren erst angefacht. Hätte ich zu warten vermocht! Aber da griff ich wild hinein, und riß die Hallen über uns zusammen, drinnen wir allzumal friedlich und selig hätten wohnen können.«

Malgherita weinte still, und Thiodolf sagte freundlich:

»Nein, seht es auch nicht allzutraurig an, edle Frau. So ganz und gar zusammengerissen sind die Hallen unsres Glücks noch nicht, und ich denke, Leuchten hineinzutragen, daß wir etwas von den verschütteten Schätzen wiederfinden. Auf jene schleichende – ja, ich muß es nur frey heraussagen: unritterliche Weise fürder nachzuforschen – das hab' ich freylich verredet. Aber seht Ihr nicht dort auf dem Bilde die bleiche Prinzessinn Theodora? Die will ich frey und ehrlich herausfragen, was sie von Isolden weiß. Das geht gegen kein ehrliches Gelübd.« –

Und als bald richtete er seine Schritte nach dem Pallast, wohin er wieder zur feyerlichen Mittagstafel geladen war.

Der blühenden Zoe Augen fanden ihn unter der Menge der Heeresfürsten und Ritter, – er fühlte das sehr wohl, auch ohne aufzusehen, – aber um so eifriger drängte er sich nach der ältern Zoe hin, dießmahl auch noch durch den Wunsch getrieben, mit ihrer Schwester Theodora zu sprechen. Er öffnete gegen diese bisweilen schon den Mund zu einer Frage, doch ernst und kalt und beynahe drohend sah ihn das blasse Gesicht an; er mußte an die heimliche Helferinn denken, und verstummte.

Nach der Tafel gewann er doch endlich Gelegenheit und Muth, ihr zuzuflüstern: »um Alles, was Euch lieb ist, edle Fürstinn Theodora, wollet mir die Antwort auf eine einzige Frage nicht abschlagen.«

Da sah ihn Theodora mit tiefer, eisiger Strenge an, sprechend: »frevler, heidnisch gesinnter Mensch, hebt Euch in Eure Weltlichkeit zurück, und von mir weg. Wollt Ihr aber so gern fragen und so dreist, da geht auf die Trümmer der Freyherrnburg bey Marseille, zur Nachtzeit etwa, wenn Euch Niemand stört, und schaut tief in Euer eignes, wildes Innere hinein. Ich meine ja wohl, da wird Euch eine Antwort zu Theil werden, aber eine erschreckliche vielleicht.«

Von Schauder ergriffen, sagte Thiodolf unwillkürlich: »Ihr seyd wohl gar die furchtbare, heimliche Helferinn selbst?«

»Helferin?« entgegnete Theodora. »Eure Helferinn wahrhaftig nicht.« Damit wandte sie ihm den Rücken zu, und verließ den Saal.

Bald darauf ging die ganze Tafelgesellschaft auseinander, und Thiodolf schritt sehr verstörten und zerstreuten Sinnes durch die vielfach verschlungenen Hallen des Schloßgebäudes fort.

Er wunderte sich endlich, noch immer nicht in das Freie zu kommen, und ward nun erst gewahr, daß er ganz irre gegangen sey. Die Wachen hatten ihn allerwärts, überzeugt, der angesehene, vom Kaiser sehr geliebte Hauptmann komme mit einem wichtigen Auftrage, Thor und Thüren geöffnet, ohne ihr ehrerbietiges Schweigen zu brechen, und so stand er denn plötzlich in einem ihm noch ganz unbekannten Flügel des Pallastes.

Ein liebliches Klingen kam zu ihm herüber, halb wie von Gold- und Silberglöcklein, halb wie von zwitschernden Vögeln, und wie er die nächste Thür öffnete, stand er unter den weitverbreiteten Zweigen eines goldenen Palmbaums; goldne Vöglein saßen zwischen dem Laube und sangen: aber unten am Stamme lagen zwey mächtige Goldlöwen, die verdrehten ihre Augen wundersam, und unwillkürlich fuhr Thiodolfs Hand an das Schwert.

Da ging eine Seitenthür auf; die blühende Zoe ward sichtbar vor einem von Blumen und Gesträuchen reichblühenden Gemach, und den jungen Nordmann freundlich anlächelnd, sagte sie:

»Ey, wie kommt denn Eure tapfre Hand dazu, diese goldenen Gestaltungen, die schönsten Zierden des Pallastes, befehden zu wollen? Ich sollte aber wohl eher fragen, wie Ihr bis hier an meine Kammern gelangt seyd. Doch Euch führt ohne Zweifel irgend eine hochwichtige Bothschaft des Kaisers hierher. Und überhaupt: willkommen, mein ritterlicher Held.«

»Dann,« entgegnete Thiodolf – indem er sich mit all der Zierlichkeit verneigte, die der schöne ringfertige Mann den Hofrittern leichtlich abgelernt hatte, – »Dame, wollet mir es zu Gute halten, wenn ich nicht ganz so antworte, wie ich eigentlich sollte. Ich bin kein Bothe des Kaisers, ich bin nur ein Verirrter in den steinernen Laubengängen dieses Pallastes, und nun ich hier unter den goldenen Zweigen stehe, neben mir die goldenen Thiere, vor mir das Abbild aller Frauenschönheit und Liebesgewalt – nun muß mir ja zu Sinne werden, als wäre ich in die Irre eines Zauberwaldes gerathen, berufen, die schöne Dame von ihren Löwenwächtern zu befreien.«

Zoe lächelte ihn mit freundlichem Kopfschütteln an. – »Wunderlicher Mensch!« sagte sie. »Aber da Ihr einmahl hier seyd, sollt Ihr mir etwas zur Zither singen.« –

Sie winkte ihn sich nach in das blumenduftige Gemach.

Da saß er auf den seidenen Polstern, neben der anmuthigen und gefürchteten Gestalt. Ehe er sich noch recht besinnen konnte, hatte sie ihm eine Zither in den Arm gelegt, seine Hand gaukelte wie im Traum durch die Saiten, und als Zoe ihn bat, er solle einmahl von der ernsten Norderweise ablassen, und in italischen Maßen singen, entquoll seinen Lippen folgendes Lied:

     »Durch verteilte Waldespforten,
Zwischen ungekannten Orten,
Blöd' in Traum und Wahn befangen,
Geht des Ritters Zauberpfad.
Ob zur Rechten, ob zur Linken
Bilder locken, Lichter blinken,
Seine Augen sind verhangen,
Und er thut nach fremden Rath.

     ›Wandrer sprich, in welche Weiten
Soll die fremde Macht dich leiten?
Wo soll Ruhe dich umfassen,
Und des Weilens milde Luft?‹
›Weiß ich selbst es Euch zu sagen?
Wünschen muß ich, hoffen, zagen,
Muß das eigne Sehnen hassen,
Mir verwunden eigne Brust.‹

     Und da kam er fast zur Stelle;
Vöglein sangen klar und helle,
Löwen wie aus Zaubergolde
Warfen kluge Blick ihm zu.
Blüthengärten dicht darneben,
Zitherklänge, lockend Leben,
Schon verweilt' er – ach Isolde,
Ach du läßt ihm nimmer Ruh!«

»Entlaßt mich, holde Fürstinn;« sagte er, die Zither vor Zoes Füße niederlegend. »Ihr könne tausend bessere Sänger hören, als diesen verwilderten, betrübten.«

Damit neigte er sich demüthig, und verließ das Gemach. Er sah wohl, wie Zoe die Augen mit den schönen Händen verdeckte, und eilte um so schneller durch Säle und Vorhallen hin, die Steigen hinab, und erst, als er draußen unter dem Sternenhimmel stand, richtete er die Blicke, nach seiner Gewohnheit, frey wieder empor.


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