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Neuntes Capitel.

Wer noch irgend gehofft hatte, vor Eintritt des Winters nach Konstantinopolis zurückzukehren, mußte nun, da Thiodolf den Zug als Heerführer lenkte, seinen Wünschen entsagen. Es hatten zwar Einige versucht ihm davon vorzureden, sprechend, die bisher erfochtnen Siege seyen doch keinesweges zweydeutig, und fürwahr weit mehr, als halbe zu nennen, aber Thiodolf hatte geantwortet:

»Halbe oder dreyviertel, oder wie Ihr es nun immer eintheilen mögt! So lange es nichts Ganzes geworden ist, heißt es mir gar Nichts, und dem Heer, das in meine Führung gegeben ist, heißt es eben so. Wer mich etwa beim Kaiser verklagen will, und andere Befehle einhohlen, kann umkehren; ich geb' ihm Urlaub dazu.«

Aber die rückwärtsliegenden Wälder und Steppen allein zu durchmessen, gefiel den Wortführern noch minder, und sie zogen es daher vor, sich lieber sehr kampflustig anzustellen, und bey dem großen Haufen zu bleiben.

Daß man sich mehr und mehr dem hohen, weitläufigen Holzgebäude nähere, welches hier zu Lande Wladimirs Burg hieß, erfuhr man leicht von den Gefangenen; diese nämlich beharrten in dem alten Trotz, überzeugt, eben bey der Wladimirsburg müsse das rettungslose Verderben ihre verhaßten Feinde ereilen. Aber nichts desto weniger strengte Wladimir sichtlich alle Kräfte an, um das Vordringen dahin zu vereiteln; auch konnte Thiodolf leicht ermessen, daß von diesem festen Punkt aus der Ueberrest des Landes sich leicht würde bezwingen, oder im Weigerungsfalle verheeren lassen. Sein Philippos, der nun vollkommen wieder von seinen Wunden genesen war, brachte ihm überdem sichere Nachrichten zu, wie um die Wladimirsburg ungeheure Vorräthe an Lebensmitteln und Waffen aufgehäuft seyen. Das Griechenheer drang also unter vielen Gefechten immer feuriger vorwärts.

Eines Tages wüthete die Schlacht an einem Strome, dessen Uebergang erzwungen werden sollte, wogegen sich die Bulgaren mit verzweifelnder Gewalt anstemmten. Es war fast ein Schlachtfeld, wie das, auf welchem vor zwey Jahren Helmfrid und Thiodolf ihre Uebung bey Konstantinopolis vor dem Kaiser angestellt hatten. Wie damals auch hielt Thiodolf ruhig auf einem Hügel, schaute nach den Uebergangsstellen mit Adlerblicken hin, und versandte, bald durch Signale mit dem silbernen Heerhorn, bald durch schnelle Wäringerreiter seine Befehle an die Geschwader.

»Die Schar dort rechts, welche der Kämmrer Michael Androgenes führt, soll vor durch das buschige Thal!«, sagte er endlich, und ein edler Wäringer spornte den Hengst zum windschnellen Fluge durch das Feld. Aber die Schar blieb halten, und ihr Führer kam selbst mit dem Bothen zurück.

»Wie nun, Herr Kämmerling?« rief ihm Thiodolf entgegen. »Was sucht Ihr bey mir? Dorthin geht's auf den Feind. Und bitt' ich Euch, macht, daß Ihr mir ungesäumt vordringt durch das Thal. Das entscheidet die Schlacht.«

Aber Michael Androgenes meldete, etwas bleich aussehend, das gehe nicht. Im Thal starre Alles von Bulgaren mit ungeheuern Schilden und vorgestreckten Riesenlanzen.

»Herr Kämmerling,« – sagte Thiodolf leise, zu Androgenes hinüber gebeugt, – »Ihr solltet Gott dafür danken, und frisch drauf losgehen, denn Ihr habt Euch noch nie mit dem Feinde Mann an Mann treffen können, und seit der Schlacht, wo der große Helmfrid blieb, munkeln die Wäringer, die um ihn hielten, nicht zum Besten von Euch.«

Michael nahm sich zusammen, und entgegnete laut:

»Wer an mir zweifeln darf, sag' es mir ins Angesicht. Im Uebrigen bin ich nicht gesonnen, des Kaisers Truppen um irgend einer Ursache wissen in den sichern Verderb zu führen, und das hätte ich durch den Thalangriff gewiß.«

»Wollens mit eignen Augen sehen!« erwiederte Thiodolf, und flog den Hügel hinunter, Androgenes ihm nach.

Auf einen Punkt gekommen, von wo man scharf in das Thal hinein sah, sprach Thiodolf nach einigem Schweigen gelassen: »es geht, Herr Kämmerling, und Ihr haut ein nach meinem Befehl.

»Nicht ich;« erwiederte Michael mit scheuem Trotz. »Ich bin den Kaiser verantwortlich für meine Schar.«

In Thiodolfs Augen blitzte eine Spur des alten Berserkerzornes auf Er faßte Michaels Hand so fest, daß diesen des Heerführers Panzerhandschuh preßte, wie zwey erzene Klammern, und trabte so mit ihm in unzertrennlicher Vereinigung vor das Geschwader. Da sagte er ihm ins Ohr:

»Wie sprachest du, als bey Konstantinopolis die Weiber und Kinder weinten in dem engen Paß? Riefst du nicht: Vorwärts? Und: der Sieg geht vor? Nun, siehst du, hier geht der Sieg wirklich vor, und rufst du nicht augenblicklich: Vorwärts! du verfluchter Kämmerling, so reite ich dich um, wie damals, und führe deine eignen Roßhaufen über dich hin.«

»Laßt mich allein führen,« sagte Michael mit verbissener Angst. »Meine Ehre ist verloren, wenn Ihr Euch nach meinem Weigern selbst an die Spitze stellt.«

»Das ist gesprochen, wie ein braver Rittersmann« sagte Thiodolf laut, daß es die ganze Schar hören konnte, ritt an die Seite, und Michael brach gegen den Thalgrund los. Die griechischen Reiter hieben siegreich ein, und was vom Feinde noch dießseit des Flusses war, durch ihr Vordringen fast abgeschnitten, trat eilig seinen Rückzug über den Strom an, und ließ zwey Brücken frey, über welche Thiodolf alsbald frische Geschwader führte, und den Kampf auf das andre Ufer hinüber trug.

Da war der Sieg bald entschieden, und die Verfolgenden sahen bereits die wunderlich geformten Thurmspitzen der Wladimirsburg über einen nahen Föhrenwald heraus ragen. Aber eben in diesem Walde setzte sich endlich der Feind; das Treffen hatte ein Ende, und man konnte wohl ermessen, hier nahe sich die letzte, doch auch die verzweiflungsvollste und gefährlichste Schlacht.


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