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Achtzehntes Capitel.

Er konnte nicht los von dem blühenden Pomeranzenbaume, an dessen Stamm gelehnt Zoe wie unter einem Liebesthronhimmel gesessen hatte. Unwillkürlich sank er zwischen die Blüthen, die ihr zum Kranz und zum Teppich herab gesäuselt waren, in das Gras, und an Zoes Thränen gedenkend, brach auch er unaufhaltsam in ein heißes, schmerzenvolles Weinen aus.

Der Mond war darüber heraufgestiegen, und sah hell zwischen die Pomeranzenzweige durch; golden rieselte in seinem Schein das Gewässer des Springborns, und kühl und klar lagen die Wiesenmatten weit umher; Thiodolf weinte nur inniger und milder, durch entferntere Gebüsche zog Romanus mit der Zither, und sang folgende Worte, die der leise Nachhauch deutlich in Thiodolfs Ohr herüber trug:

     »So ist es wahr, daß meine Augen fanden,
Was sonst nur alter Fabel Reich erschließt?
Herakles in der Lydierfürsten Banden,
Der sträubend zwar, doch gern, sein Loos genießt.
Ob in hyperboräisch fernen Landen
Der goldne Apfel goldnem Zweig entsprießt,
Der Heros laßt unangerührt ihn blicken,
Um tiefer stäts in süßes Weh zu sinken.«

»Höhnen mich alle Klänge?« murrte Thiodolf emporfahrend. »Oder ach,« – und er sank wieder in die Gräser zurück – »wollen sie mich verlocken?«

Romanus sang weiter:

     »Du süßes Leben, Zoe, alle Gaben,
Die Kypris mild auf Lieblingstöchter streut,
Die Huld, dran Götter segnend sich erlaben,
In dir hat Alles himmlisch sich erneut!
Dich müßt' in seinem Arm der Sänger haben,
Nur daß des Helden Lieb' es streng verbeut.
Doch wirst du einst in Kriegers Arm dich neigen,
Schmückt Sänger Euch mit ewiggrünen Zweigen.«

Thiodolf lag, wie in Zauberträume versenkt; die Klänge, als wollten sie ihn sich nachlocken, hallten fern und ferner durch die nächtlich duftige Waldung, wie Tod und Leben rang es in des Jünglings Brust. Da flüsterte dicht an seinen Locken eine holde Frauenstimme:

»Thiodolf, Thiodolf! Höre mich an, du ritterlicher, liebender Held.«

Er wagte es nicht, der schlanken Gestalt, die sich, umwallt von weißen Gewanden, über ihn herbeugte, in's Angesicht zu sehen, ahnend, hier erscheine ihm die einzige Gefahr, welcher er ausweichen dürfe und müsse. Daher drückte er sein Angesicht fest in die Gräser, und erwiederte:

»Scheltet mich nicht, edle Dame, daß ich Euerm Gruße nicht sittiger begegne. Ihr seht einen todkranken Mann vor Euch.«

»Ach Thiodolf, armer Thiodolf,« flüsterte die Gestalt zurück, »das weiß ich nur allzugut. Aber die Heilung steht in Eurer und meiner Hand.«

»So hat mir es schon oftmahlen die Göttin Freya in Träumen vorgesagt,« entgegnete der Jüngling. »Sie war auch dazu so schleyerweiß anzuschauen wie Ihr, und flüsterte in lieblicher Rede, wie Ihr. Nur trug sie ein Antlitz – das wird nun im ganzen Leben nicht anders freundlich auf mich niederlächeln, als im Traum, und eh' es das nicht im Wachen thut, wird auch der arme Thiodolf nimmermehr gesund.«

»Ihr meinet Zoe's Antlitz;« sagte kaum hörbar die Erscheinung.

Thiodolf schüttelte schweigend das Haupt.

»O Ihr wankelbarer, trüg'rischer Mann, sprach die Frauengestalt sehr bewegt fürder, »wie ist es denn da mit Euerm kindischen Herzen bestellt! Habt Ihr denn nicht mit Blicken und Seufzern um Zoe geworben? Oder wendet Ihr Euch ab von ihr, weil sie keine Thronerbin ist?«

Eine Liebesahnung, die durch des Jünglings Busen zog, wollte ihm den scheuen Glauben, das seye Zoe selbst, die zu ihm spreche, immer tiefer hineinhauchen in sein Herz. Er barg das Antlitz noch dichter in die feuchten, kühlenden Gräser, und schwieg.

Da sagte die Erscheinung: »armer, bethörter Ritter, wie Ihr Euch schämt! Fürwahr, Ihr jammert mich sehr.«

»Dame,« – entgegnete Thiodolf, halb aufgerichtet, doch immer noch ohne die Fremde anzuschauen, – »Dame, wenn ich mich schäme vor meiner eigenen Schwäche, so bin ich dennoch so jammernswürdig wahrhaftig nicht, wie Ihr es Euch einzubilden scheint. Hört mich ruhig an, und Ihr sollt ächte, getreue Kunde vernehmen aus ehrbaren Nordmann's Brust. – Mein Leben gehört einer Himmelsgestalt an, die in tiefer Verborgenheit durch die Welt hinzieht, nach dem sie mir nur zweymahl sichtbar geworden ist; wachend mein' ich, denn in Träumen da seh' ich sie fast allnächtlich, und sah sie vorahnend auch früher; nur dacht' ich damals, daß es die Liebesgöttin Freya bedeuten solle. Wohl ziemt es edlen Helden nicht, die Schöne zu nennen, die sich ihnen mit süßer Minne erhörend entgegen neigt. Aber die Herrin, die abwendend und stolz an uns vorübergeht, das heiße Herz sich nachziehend ohne Erwiederung – die zu nennen ist wahrlich vergönnt. Isolde heißt mein königliches Jungfrauenbild.«

»Bild!« wiederholte leise seufzend, wie ein Echo, die Erscheinung. »Bild! O Jüngling, und willst du dein Leben verschwenden an ein todtes Bild?«

»Ey Jungfrau, was hier nicht geschieht, – hat man's nur ehrlich gemeint – findet eine selige Erfüllung in Walhall gewiß. Da wird mir Isolde einen Siegerschild bringen, goldner, als der Mondesschild, der über uns herein durch diese Zweige leuchtet.«

»Und Zoe?« fragte die weiße Gestalt mit zitternder Stimme.

»Ja, Zoe!« seufzte Thiodolf. »Ach, es ist wahr, sie hat mich gefangen gehalten mit ihren süßen Blicken und blühenden Wangen, aber so Allvater mir helfe! Isoldens Nahme, Isoldens Schönheitslichter hauchten und strahlten immer über die goldnen Netze zu mir herein. Nur freylich – einmahl gefangnes Wild ist nicht rein mehr und schön, wie als es noch Luft und Quelle voll seliger Freyheit trank. Ich bin für Isoldens Blicke zu schlecht geworden.«

»So greife nach Zoes Hand. Ich sage dir's, ich kann, ich will sie dir erwerben.«

Thiodolf schwieg; endlich seufzte er: »laß ab, du holder, verlockender Geist, der du mich mit lieblichen Worten so plagst, o laß ab. Bethörter kann ich noch werden, auch sündiger wohl gar. Aber Isolden leb' ich, Isolden sterb' ich; da hast du mein ehrliches Fürstenwort darauf. Denn ein Fürst bin ich; zuvörderst zogen meine Ahnen zu jedwedem schönen, männlichen Thun, und weder in Krieg noch in Frieden will ich jemals ein Anderer seyn, als die.«

»Verloren ist Isolde für dich, verloren für immer;« sagte die Erscheinung im hohlen feyerlichen Ton.

»Doch ich wahrhaftig für Isolden nicht;« sprach Thiodolf zurück.

»Nicht?« fragte die Erscheinung. »Meinst du nicht? dein unwerth ist Isolde, ja, du armer, dein unwerth ist das überstolze Weib.«

Da fuhr der Jüngling zornig im Gerassel seiner schweren Waffen empor; die Erscheinung bebte zurück. –

»Verzeiht, sprach er, ich meint, es sey ein Mann« – aber er verstummte, denn die nun vor ihm stand, war nicht Zoe, war die furchtbare, heimliche Helferin. Die streckte den schleyerumwallten Arm nach Thiodolf aus, und sagte: »so weih' ich dich denn ein, du edler Held, zur reinigenden Flamme irdischen Liebesleides bis an deinen Tod.«

Dann verhüllte sie sich tief in ihre Gewande, und schritt gesenkten Hauptes durch die labyrinthischen Laubengänge fort. Schaudernd sagte Thiodolf: »es ist dennoch wohl die Göttin Freya gewesen!« und eilte aus den mondhellen Gärten heim. Als er unter den Fenstern des Pallastes hinging, tönte Zoe's Stimme zu der Laute:

     »Amor wiegt sein Köpfchen kraus,
Lockt, und zeigt die goldnen Gaben;
Doch will Menschenhand sie haben,
Werden glüh'nde Pfeile draus.

     Gluth nun in dem zarten Busen,
Fleh' ich auf zum Götterland;
Zwar es nah'n die holden Musen,
Doch sie schüren nur den Brand.«


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