Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vier und zwanzigstes Capitel.

Die Tuba blies hell in den jungen Morgen hinein, der Gold und Rosen streuend über die Fluthen des Propontis emporstieg; die ausrückenden Scharen sammelten sich freudig auf den Plätzen der Stadt. –

»Sey gepriesen, Du, den ich nicht kenne!« sprach Thiodolf, andächtig lächelnd, in sich hinein; »sey gepriesen, du, zu welchem die Wege führen mögen durch den weißen Christ oder durch den Götterbothen Heimdall; sey gepriesen für die große Freudigkeit, die an diesem himmelschönen Morgen mein junges Herz durchströmt, und hilf dazu, daß ich so recht etwas Tüchtiges und dir Wohlgefälliges zu Stande bringe draußen im eisernen Feld.«

Damit schwang er sich auf seinen Rappen, der lustig in den Frühduft hinein wieherte, und dicht neben ihm sagte zugleich eine leise, freundliche Stimme: »Amen!«

Seitwärts blickend ward Thiodolf des edlen Handelsmannes Bertram gewahr, und fragte ihn:

»Wozu sprecht ihr Amen, lieber Herr?« –

»Zu Euerm Gebeth.« –

»Wie denn, mein edler Freund, ich habe doch gewiß nicht so laut gesprochen, daß mich ein Mensch hätte verstehen können.« –

»Darnach die Menschen sind, und ihr innres Verständniß;« entgegnete Bertram. »Seht, lieber, junger Rittersmann, wie Ihr nur eben so demüthig stolz, so lieb und feyerlich zum Himmel schautet, die eine Hand auf die Brust, die andre auf den Schwertgriff gepreßt, da ward ich Eures Gebethes inne, und wußte ohne Worte, daß ich Amen dazu sprechen durfte aus freudiger Seele.«

Thiodolf reichte ihm die Hand vom Rappen herunter mit herzlicher Liebe, sah' ihm eine Zeitlang still in die klugen, getreuen Augen, und flüsterte dann, sich niederbeugend, in sein Ohr:

»Forscht mir nach Isolden, mein wackrer Freund. Ich weiß keinen Menschen in der Welt, dem ich den Auftrag geben möchte, als Euch.«

Und damit sprengte er ein lustiges Pferd an, und jagte vor die gesammelte Schar.

Ein Ritter, in ausgesuchter Zierlichkeit geharnischt, kam ihm von einem nahen Geschwader entgegen, und sagte, die Lanze neigend:

»Herr Hauptmann, aller Unwille sey ab und todt. Ich bin der Kämmerer Michael Androgenes, und ziehe mit in das Feld.« –

»Da thut Ihr brav dran,« entgegnete Thiodolf freundlich, und Gott sey vor, daß ich noch das mindeste einzuwenden haben sollte gegen einen Waffen- und Feldgenossen, der sich gerade da meldet, wo die Gefahr am nächsten und ernsthaftesten ist. Auch gefällt mir das sehr wohl, daß Ihr Euch durch zierliche Rüstung so sonderlich auszeichnen wollt. Denn tapfre Kriegsleute haben es gern, wenn vor dem Feind sie Jedermann kennt. Ich halte mir eben deswegen auch meinen Stierhelm um so mehr in Ehren, denn solchen führt sicherlich in dem ganzen Heerhaufen kein Mensch, als ich.«

Michael Androgenes lächelte ein wenig spottend, als er den Stierhelm so mit einer auserlesen zierlichen Rüstung vergleichen hörte, aber Thiodolf gab nicht darauf Achtung, und entließ den Kämmerling mit freundlichem Gruß.

Die Tuba klang zum zweytenmahl, die Heerhaufen schwenkten allesammt ab, und begannen ihren feyerlichen Zug. Aus dem Wäringergeschwader tönte folgender Sang mit in die jubelnden Märsche:

     »Munter in der bunten Menge
Machen wir uns auf zum Schlachtzug,
Lanzen schwingend, Lieder singend,
Lieben Schönen grußlich fröhnend;
Kommt nun heim die heitere Kunde:
›Krieg hat sie gekränzt mit Siegen!‹
Flüstert wohl manch feines Dirnlein:
›Fochtet frisch, Ihr zieren Ritter!‹«

Sie zogen am kaiserlichen Pallaste vorbey; da stand der Herrscher mit Vielen der Seinen auf einem herrlichen Balkone, und grüßte freundlich herunter; Thiodolf, ahnend, die blühende Zoe sey mit dorten, konnte es doch nicht lassen, empor zu schauen, in sich den Blick mit dem Gedanken entschuldigend: »mag ja sein, daß es ein Abschiedsgruß ist für das ganze Leben!« – Und die holde Gestalt zeigte sich droben mit thränenleuchtenden Augen, und wie sie sich neigte vor dem grüßenden Helden, flog ein grüner Zweig aus ihrer Hand, der legte sich gerade über Thiodolfs Brustharnisch hin. Da hörte dieser ein schmerzliches Seufzen, und wie er sich umsah,  lächelte ihn Philippos aus nassen Augen an, und sagte: »Glück zu, lieber Hauptmann!«

Wenige Schritte weiter theilte sich das Volk zur Seiten ehrerbietig auseinander. Eine tief verschleierte Frauengestalt trat aus dem Gewühle hervor, und rief, sich freundlich gegen Thiodolf neigend:

»Heil, heil, dem edlen Nordlandshelden! Und siegreich kehr' er zurück, der Preis dieser Kaiserstadt! Und aller Kummer in seinem Busen seye ab und todt.«

Da schritt die Erscheinung wieder fort, und das staunende Volk murmelte rings umher: »es war die heimliche Helferin.« – Bald aber erhuben sich alle Stimmen, und jubelten dem jungen Helden nach, der eines so himmlischen Grußes beim Hinausziehen in das Feld der Ehre gewürdigt sey. Reichschwellend klopfte Thiodolfs Herz der Morgensonne entgegen.


 << zurück weiter >>