Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drey und zwanzigstes Capitel.

Beim Zuhausekommen fand Thiodolf auf einem mondhellen Hofe der Wäringerburg den alten Fürsten Helmfrid, wie er mit drey Lanzen von sehr verschiedener Gestalt nach einem Ziele warf; indem Thiodolf hineintrat, und die Thüre schloß, hafteten alle Würfe in der Scheibe fest, welche Philippos jedesmahl wieder zurecht stellte, und mit frohem Staunen die Gewandtheit des greisen Obersten bewunderte.

»Sie sind gut, lieber Waffenbruder,« sagte Helmfrid, dem jungen Hauptmann entgegentretend, und ihm die drey Lanzen hinhaltend. »Ich habe sie in diesen Tagen ausdrücklich für dich gefertigt, und meine beste Kunst daran gelegt. Schaue hier, die kleine, schlanke Lanze – sie fliegt leicht durch die Luft, und auch ein schwächerer Arm könnte sie schleudern; aber wer sie recht zu beflügeln weiß, dem wetteifert sie mit dem Winde – die nenne ich den Falken, und denke, das soll dir zur Jagd auf allzuflüchtigen Feind ein gar brauchbares Werkzeug seyn. Die zweyte Lanze hier, – ich nenne sie den Bären, – lieber Thiodolf, die kannst du wegen ihrer übermächtigen Wucht beynahe mehr zur Uebung brauchen, als zum Gefecht. Denn wer den Bären schleudern kann, der kann jedwede Waffe schleudern und schwingen. Aber es kann sich doch auch einmahl treffen, daß dir Jemand mit recht ungeheuerm Harnische und mit wildem Trotze dicht vor das Antlitz hintritt; – in der Bulgaren Weise pflegt das zwar nicht zu liegen, – aber käme ein Solcher, da schleudere den Bären, und ich stehe dir dafür, der soll durchfahren durch jegliches Gewaffen, welches der hochmüthige Ausforderer an sich tragen mag. Diese dritte Lanze endlich mit ihrem Schaft aus edlem Holze, mit ihrer herrlichen Stahlspitze und dem Reif aus ächtem Golde drunten herum, – du hast ihresgleichen im Lorbeerbaum auf den lakedämonischen Gebirgen stecken gefunden, und machten wir unsere erste Bekanntschaft daran – lieber Jüngling, diese Waffe nenn' ich den Königsspeer, und den mußt du nur gebrauchen, wo es eine recht herrliche Entscheidung gilt. Er ist auch eben so gut zu führen im Kampf der Nähe, als in dem aus der Ferne. Wahre dir diese drey Speere gut, mein Herzenskind, ich lege sie in deines Waffenträger Philippos Hand, und Gott wird geben, daß große, entscheidende Dinge damit geschehn. Gute Nacht, liebe Kinder. Ich glaube, so lange ich lebe, habe ich mich nie so aus ganzer Seelen auf einen Krieg gefreut, als auf eben diesen hier. Ich weiß, Ihr laßt meine begeisternde Greisenahnung erfüllt werden. Und dann: gute Nacht für mich! Guter Morgen für Euch!«


 << zurück weiter >>