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Siebzehntes Capitel.

Das Pferd schäumte und dampfte; Thiodolf ließ es wegführen, streckte sich behaglich unter einen Baum, und sagte zu Philippos, der eben herbey kam:

»Nun, trauter Roßlieb« – mit diesem deutschen Nahmen pflegte er ihn gern in den behaglichsten und heitersten Stunden zu rufen – »thue einmahl, als wärest du noch mein Waffenträger, du rühmlicher Kampfgesell. Nimm dir eine Zither, und singe mir ein Lied. Ich fühle mich so ganz überschwenglich wohl, und nach Saitenklängen schlägt mir in heller Sehnsucht das Herz.« –

Philippos neigte sich freundlich ernst, holte seine schöne Lyra, setzte sich neben Thiodolf in den Schatten, und sang etwa folgendergestalt:

     »Freudig nach des Tempels Thüren
Seine schöne Braut
Im Gepränge führen,
Sieht man den Achilleus,
Und die Festgesänge jubeln laut.
Und es flüstern zu einander
Jungfrau'n, hold vertraut:
›Ist das Paris Alexander?
Oder ist's Achilleus?
Wie nur, daß uns nicht mehr vor ihm graut?

     Sahn wir doch bey Heldenschlachten
Vor dem Thor im Feld
Sich mit Tod umnachten
Blutig den Achilleus,
Und der Gegenkämpfer Schar gefällt:
Zorn entsprühte seinen Blicken,
Mord war ihm gesellt,
Jetzt enthaucht ein süß Erquicken
Deinem Aug', Achilleus;
Mildre Siege feyerst Du, mein Held.‹

     Flüstert's so von andern Zungen,
Wie erst bebt's in Dir,
Die sein Herz bezwungen,
Minne des Achilleus,
O, Polyxena, der Mädchen Zier!
Deine Blumenwangen leuchten,
Während, Bäche schier,
Sich der Knaben Augen feuchten:
›Mächtiger Achilleus!
Sieger stets, und stets Besiegte wir!‹«

Philippos legte die Lyra ins Gras, senkte sich neben sie hin, und gleich als gehöre er zu den Knaben, von welchen er gesungen, brachen Thränenströme wie Bäche aus seinen Augen. Staunend fragte ihn Thiodolf:

»Jüngling, mein lieber Jüngling, was bewegt dir dein muthiges Herz auf einmahl so weich und tief?«

»Das thut des Achilleus Hochzeitfeyer,« entgegnete Philippos, mit wehmüthiger Freundlichkeit nach seinem Meister emporblickend. »Herr, ich gönne dem Helden seinen schönsten Siegerkranz, ich freue mich, daß ihn die Huldin aller Jungfrauen in seine Locken flicht, aber laßt es mich bekennen, daß ein Waffenträger Philippos ein Thor war, und selbst, zwar ohne alles eitle Hoffen, die Augen emporzurichten wagte, nach dem herrlichen Leben, das sich nun süßverschämt in des großen Achilleus Arme hernieder senkt.«

»Jüngling,« sagte Thiodolf kopfschüttelnd, »versteh' ich dich recht, so bist du in einem seltsamen Irrthum befangen.«

»Nicht so, lieber Herr,« entgegnete Philippos. »Es ist meine Freude und mein Leid zugleich. Erinnert Ihr Euch noch, wie ich Euch mit meinen Mahnungen an Hofsitte und hellenische Redefeinheit so oft bald beschwerlich, bald ergötzlich war? Ich wollte doch auch etwas glätten helfen an dem königlichen Heldenbilde, damit es ganz makelsfrey auf dem Altare meiner Göttin prange. Glück auf, großer Achilleus nun! Darf ich in Euerm Gefolge seyn, wenn Ihr die blühende Polyxena, das holdeste Leben in allen Landen fern und nah, zum Tempel führt? Ich will freudig dazu aussehen, wie es einem Hochzeitgeleiter ziemt, und wahrhaftig auch freudig seyn in meinem Herzen.«

»Du armer, treuer Jüngling,« sagte Thiodolf, ihn fest an seine Brust drückend, »ich bin Zoes Bräutigam nicht; mein Ehrenwort darauf, daß ich es auch nimmermehr werde; aber daß du es werden sollst – Leib und Leben will ich daran setzen, lieber Waffengesell.«

»Meister, Meister« – stammelte Philippos, und sah ihm schwindelnd in die Augen – »Ihr zaubert mir so blendende hyperboräische Träume vor den Blick – Meister, sind das die wunderbaren Zaubersprüche des Nordens?« –

»Vertraue mir nur, mein Roßlieb,« entgegnete Thiodolf lächelnd. »Es sollen bald hellenische Myrten daraus hervorblühen, so Allvater mir Leben und Gedeihen schenkt.«

Da stürmte plötzlich Wladimir durch das Thor herein. – »Ich habe sie noch immer nicht!« rief er dem Wäringerfürsten entgegen. »Frisch auf, mein Sieger, und hilf sie mir finden, wie du es verheißen hast, du gewaltiger Held!«

»O Ihr verliebten Jünglinge,« sagte Thiodolf, indem er lächelnd aufsprang, »Ihr müßt mir auch Friede lassen und Raum zu noch andern Dingen, als Euch Eure Schönen gewinnen zu helfen. Geduld, Kinder, es wird sich Alles fügen. Aber warten müßt Ihr lernen. Seht, ich warte schon lange, sehr lange, – und werde wohl warten, bis sie mir's jenseit erzählen, wie es mit Walhall beschaffen ist, und mit dem weißen Christ. Also Ruhe, Ihr ungeduldiges Volk!«

Damit schritt er freudigen Trittes aus der Veste, und ein seltsames Lächeln auf seinen Zügen, halb der kräftig heitern Zuversicht und halb dem tiefen Schmerze angehörig, hielt Wladimir und Philippos von jeder Frage, wie von jeden Versuch ihm zu folgen, ab.


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